The Ocean – Holocene (Pelagic Records, 19.05.2023)

Kommt das erdgeschichtliche Konzept von The Ocean jetzt unweigerlich zum Ende? Mit „Holocene“ ist man jedenfalls in der aktuellen, vom Menschen geprägten Epoche angekommen. Klanglich macht sich das vor allem durch eine Prägung der elektronischen Welt bemerkbar. Der Einfluss von Synthesizer-Sounds und Co. schien noch nie so stark im Sound der Berliner Kollektivs. Keyboarder Peter Voigtmann hat sogar (ähnlich wie einst Neurosis mit Tribe Of Neurots „Grace“) unter seinem Alter Ego SHRVL ein ambientes Begleitalbum namens „Limbus“ eingespielt.

Das ist aber nur eine Facette von „Holocene“. Wer möchte, findet in den ausgeklügelten Stücken Einflüsse von Radiohead und Massive Attack genauso wie den gewohnten, riffgetriebenen Post, aber auch Prog Metal. Nur eines gibt es nicht mehr: harsche Vocals. Loïc Rossetti singt (mit einer kleinen Ausnahme) nur noch klar und wirkt dadurch gleichsam verletzlicher, aber auch einnehmender.

„Holocene“ bietet eine große Anzahl an verschiedenen Stimmungen, klingt über weiter Strecken aber überraschend ruhig und zurückhaltend im Ton. Ein echter Kontrast zu den weiter vorhandenen, schweren Klangmassiven. „Atlantic“ bietet in knapp neun Minuten alles auf einmal: ein ruhiger Beginn mit Gesang und leichter Synth- und Gitarrentextur, düster vernebelte Stimmung, beim Aufbäumen mit progressiven Flair aufgeladen, weite Klangflächen und am Ende ein intensiver, brachialer Absturz.

Nicht zum ersten und letzten Mal gibt es hier auch Bläsertöne zu hören. Ein Element, mit dem The Ocean auf diesem Album spielen, das gut ins Klangbild passt, welches dieses Mal bewusst etwas luftiger wirken sollte. Verantwortlich dafür ist der Schwede Karl Daniel Lidén. Das Album klingt klar und – trotz der elektronischen Elemente – angenehm warm und bodenständig.

„Holocene“ ist ein rund 53-minütiges, spannendes Gesamtkunstwerk mit vielen kleinen Highlights. Ein ganz großes darunter ist zweifelsfrei der Auftritt der norwegischen Sängern Karin Park in „Unconformities“. Starkes Stück, gutes Album!

 

Trackliste:
1. Preboreal
2. Boreal
3. Sea of Reed
4. Atlantic
5. Subboreal
6. Unconformities
7. Parabiosis
8. Subatlantic

 

 

Photo-Credit: Geoffrey Wallang

 

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