Ab und zu lohnt es sich, auch mal etwas nach den Wurzeln unser heiß geliebten Rockmusik zu graben. Die Briten Ten Years After gehören der Woodstock-Generation an und sie haben damals mit ihrem heißen Blues Rock zweifelsohne Spuren in der Musikhistorie hinterlassen. Momentan befindet sich die Band, die immer noch zur Hälfte aus Originalmitgliedern besteht, auf ihrer quasi Abschiedstournee. Das hat sich unser Classic-Rock-Spezialist Stefan natürlich nicht entgehen lassen!
Ten Years After haben vor kurzem verkündet, dass die anstehenden Herbst-Konzerte die letzten Auftritte der aktuellen Besetzung sind. Einzig Schlagzeuger Ric Lee möchte 2025 mit neuer Mannschaft und neuem Album durchstarten. Der Rest verlässt die Band aus „gesundheitlichen“ Gründen. Bei aller Wehmut ist es schön, die Band noch einmal live zu sehen. Bestimmt fünf bis sechs Auftritte der Veteranen habe ich mir schon zu Gemüte geführt und war immer begeistert. Das Spectrum ist bestens besucht und zum Teil mit Barhockern und Tischen ausgestattet. Der Bereich vor der Bühne ist als Tanzfläche erhalten geblieben. Es ist viel los im schönen Saal und die meisten der Anwesenden sehen TYA sicher nicht das erste Mal.
Ohne Vorband betreten TYA die Bühne und beginnen mit sattem, knackigen Sound. „Land Of The Vandals“ vom jüngsten Album beginnt den musikalisch hochwertigen Abend. Keyboarder Chick Churchill sitzt am rechten Bühnenrand, Bassist Colin Hodgkinson steht links und im Hintergrund thront Schlagzeuger Ric Lee auf seinem riesigen Drumkit. Dreh- und Angelpunkt der Show ist Jungspund Marcus Bonfanti, der mit seiner roten Gibson SG rockt wie ein Verrückter. Dabei singt er aus voller Kehle und drückt den Songs seinen eigenen musikalischen Stempel auf. „One Of These Days“ veredelt er mit einem feinen Bluesharp-Solo, das mit viel Beifall bedacht wird. Chick Churchill lässt es sich auch diesmal nicht nehmen, seine Orgel bei „Hear Me Calling“ nach allen Regeln der Kunst zu malträtieren und ordentlich zum Röhren zu bringen.
„I’d Love To Change The World“ ist für mich das erste Highlight des Tages und sicher einer der bekanntesten TYA-Songs. Textlich zeitlos und musikalisch vom Allerfeinsten. Als Bonfanti gegen Ende des Songs den Ausdruck „Stop The War“ in den Raum wirft, scheint die Zeit still zu stehen. Hinsichtlich der momentanen politischen Weltlage hat dieser Satz bis heute nicht an Wichtigkeit verloren. Der Rock’n’Roller „Silverspoon Lady“ transportiert einen sanft zurück ins hier und jetzt und beweist, dass die Band auch in ihrer jüngeren Vergangenheit tolle Stücke geschrieben hat.
Die sympathischen Roadies transportieren Stühle an den Bühnenrand, auf denen Bonfanti, Hodgkinson und Lee Platz nehmen. Es wird ein Medley als alten und selten gespielten TYA-Stücken im Akustik-Gewand präsentiert. Lee erzählt ein paar Anekdoten zu deren Entstehungsgeschichte, an der auch der legendäre Ur-Gitarrist Alvin Lee seinen Anteil hatte.
Danach wird’s brachial. „Love Like A Man“ wird durch das bedrohliche Intro angedeutet und die Band lässt hier ein wahres musikalisches Monster vom Stapel. Bonfanti und Hodgkinson duellieren sich hier nach allen Regeln der Kunst, was beiden sichtlich eine große Menge Spaß bereitet. „The Hobbit“ wird zu Lees Spielwiese, auf der er sein Schlagzeugsolo zum Besten gibt. Der mittlerweile 79-jährige scheint dieses Solo als seinen persönlichen Jungbrunnen zu nutzen. Verschleiß- oder Alterserscheinungen scheinen keine vorhanden zu sein.
„Good Morning Little Schoolgirl“ zaubert mir immer wieder ein meterbreites Grinsen ins Gesicht. Fernab jeder künstlich aufgebauschten politischen Korrektheit bietet das Quartett einen Bluesklassiker in ihrer ganz eigenen Version dar, der so zu einem unsterblichen Rockklassiker geworden ist. „I Say Yeah“ bringt das bestens gelaunte Publikum in Wallung und bewegt sämtliche Fans zum Mitsingen. Alle sind begeistert und freuen sich, an dem denkwürdigen Abend dabei zu sein. Der Woodstock-Klassiker „I’m Going Home“ lässt Bonfanti brillieren. Er haut hier ein Mega-Solo nach dem anderen raus und pflügt dabei wie ein Stier durch den Acker. Hier ist Bewegung im Publikum und das Tanzbein wird fleißig geschwungen.
Danach geht die Band kurz von der Bühne. Ohne eine Zugabe lässt das Publikum seine Lieblinge jedoch nicht gehen. So wird das unverwüstliche „Choo Choo Mama“ zum finalen Triumphzug, bei dem noch einmal alle Register gezogen werden. Bonfanti rockt zum letzten Mal seine Gitarre, Hodgkinson pumpt seine markanten Bassläufe und Churchill röhrt, brummt und sägt wie ein Weltmeister. Man muss sich das mal vorstellen: 1967 wurde die Band offiziell gegründet. Drei Ur-Mitglieder sind noch am Leben und zwei davon spielen in der aktuellen Besetzung. In Woodstock waren sie auch dabei. Und sie spielen nach all den Jahren immer noch solide, spielfreudig und mit der Begeisterung einer Nachwuchsband!
Und das war nun heute der letzte Auftritt. Sehr schade, aber auch nachvollziehbar. Vor allem Hodgkinson und Churchill hat merkt man ihr Alter überdeutlich an. Von daher ist jetzt vielleicht genau der richtige Zeitpunkt, aufzuhören. Von der Band hört man dazu kein Wort, als sie die Bühne verlassen. Sie laden alle ein, sich beim Merchandise-Stand zu treffen. „Ihr müsst nicht mal was kaufen, kommt einfach vorbei und unterhaltet euch mit uns“, so Lee. Lee macht jedenfalls weiter, so stand es in der Presse. Ob er sich damit etwas Gutes tut, wage ich zu bezweifeln. Wenn’s am schönsten ist, soll man bekanntlich aufhören. Und schöner als jetzt wird’s wohl nicht mehr werden. Vielen Dank für die vielen, tollen Auftritte!
Setlist:
Land of the Vandals
One Of These Days
Hear Me Calling
I’d Love To Change The World
Silverspoon Lady
Portable People
Don’t Want You Woman
Losing the Dogs
Love Like A Man
The Hobbit
Good Morning, School Girl
I Say Yeah
I’m Going Home
—
Choo Choo Mama