Taking Back Sunday

Taking Back Sunday – Tell All Your Friends (Victory Records, 25.03.2002)

Die letzte Handwritten-Classics Besprechung vor Weihnachten und diesmal darf ich meine zwei Cents zu einem, für mich, Klassiker mit persönlicher Bedeutung abgeben.

Die Wahl ist mir wirklich nicht leicht gefallen. Letztendlich habe ich mich, wie auch schon einige meiner Kollegen, für eine Reminiszenz an meine Jugend entschieden: Ein wichtiges Album für mich war – und ist heute noch – Taking Back Sundays Debüt „Tell All Your Friends“ von 2002. Gekauft habe ich dieses Album auf CD im Sommer 2003, im Alter von 15 Jahren.

Das Besondere an „Tell All Your Friends“ war, dass ich diese Kombination aus pathetischen, unreifen und unbedarften Emotionen und poppigen Arrangements, die trotz glatt gebügelten Gitarren und gefälligen Melodien nichts an Intensität und Desperation eingebüßt hatten, vorher noch nicht kannte.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich zwar schon Bekanntschaft mit der großartigen „Bleed American“ von Jimmy Eat World gemacht. Nichtsdestotrotz entdeckte ich in Taking Back Sunday etwas, das mir vorher vielleicht auch nicht zugänglich gewesen war. Diese Polemik, die übertriebenen Metaphern und das Gejammere über den Misserfolg beim weiblichen Geschlecht. Ich hatte mich verstanden gefühlt.

Ich möchte an dieser Stelle gar nicht über die Bedeutung und den Diskurs über dieses Wort Emo sprechen. Das ist mir mittlerweile so über (also, die Diskussion). Das halte ich für so nichtig, so kleinlich, so langweilig. Musik nimmt die verschiedensten Formen an und nur weil die Musikindustrie unbedingt einen Stempel brauchte, um etwas zu vermarkten, wovon ja tragischer Weise viele andere Musikstile auch schon betroffen gewesen sind, muss man nicht in den Schubladenwahn mit einsteigen. Dieser Kategoriesierungsdrang erfüllt in meinen Augen lediglich Sinn, wenn er der Reduktion von Komplexität zur ersten, oberflächlichen Orientierung und Verortung dient. In einer neutralen Weise, keinesfalls jedoch in einer wertenden.

Dass „Tell All Your Friends“ überhaupt nichts Neues oder Originelles darstellte, und es solche Ansätze schon vorher gegeben hatte, wurde mir im Nachhinein auch bewusst. Dass es in den 80ern Bands gab, die die Grenzen dessen, was man in der Welt des Punk und Hardcore für möglich hielt, immer wieder ausweiteten (Rites of Spring, Embrace, Dag Nasty, Descendents), und es daraufhin auch in den 90ern schon wieder andere Bands gab, die ihrerseits neue Aspekte des Genres entdeckten (Jimmy Eat World, Mineral, Get Up Kids, Saves The Day und wie sie nicht alle heißen (alles tolle Bands)), ist sicherlich unbestritten. Dass Bands der Schiene Taking Back Sunday, Thursday, Silverstein etc. pp musikalisch (und häufig auch kulturell, konzeptionell und traditionell) nur noch wenig gemein haben/hatten mit den vorangegangenen Entwicklungen in diesem Genre, ebenfalls.

All das wusste ich aber mit 15 noch nicht. Ich war ein Millencolin, Pennywise und Bad Religion-Fan, der etwas Neues für sich entdeckt hatte, mit dem er sich sehr intensiv identifizieren konnte. Das war damals der Grund, warum dieses Album so wichtig für mich wurde. Und deswegen, damals wie heute, „Tell All Your Friends“.