Systemstörung – Die Geschichte von Noise Records (I.P. Verlag, 03/2017)

Vor rund einem Jahr wurde die Metal-Szene von der Nachricht überrascht, dass das legendäre deutsche Label Noise Records von BMG wiederbelebt wird. Der Gourmet weiß: Hier wurde damals Geschichte geschrieben. Unter den Fittichen von Plattenfirmenboss Karl-Ulrich Walterbach wagten u.a. stilprägende Truppen wie Celtic Frost, Kreator, Helloween, Running Wild, Grave Digger, Tankard ihre ersten Schritte zum Metal-Olymp. Nach und nach sollen die damaligen Schätzchen, die teilweise lange nicht mehr erhältlich waren, neu veröffentlicht werden (in Kürze werden wir euch in diesem Rahmen einen Schlag Voivod präsentieren!).

Im Rahmen dieser Geschichtsaufarbeitung erscheint nun auch dieses Buch namens „Systemstörung – Die Geschichte von Noise Records“, das auf rund 500 eng bedruckten Seiten einen tiefen Einblick in die Geschichte des Labels gewährt. Eng verknüpft mit der Historie der Firma ist natürlich die persönliche Biografie Walterbachs. Und so ist es ganz klar, dass das von David E. Gehlke geschriebene Buch anfangs auf die jungen Jahre des von seinen Schützlingen immer wieder in ein negatives Licht gerückten Geschäftsmanns eingeht.

Dabei entstammt dieser der alternativen und Punkszene. Anfangs Hausbesetzer, dann Veranstalter in den Berliner Clubs KZ36 und SO36, gründete Walterbach letztlich Aggressive Rockproduktionen (AGR), die unter anderem mit der Samplerreihe „Soundtracks zum Untergang“ und Platten von Slime oder Toxoplasma Erfolge feiern konnte. Noch vor dem Abklingen dieser Punkwelle entstand Noise Records als neues Vehikel auf der Suche nach neuen extremen Sounds.

Natürlich ist das Buch keine Biografie von Walterbach, auch wenn seine Person großen Platz einnimmt. Vor allem wird die Geschichte des Labels anhand der Geschichte der dort unter Vertrag stehenden Bands nacherzählt. Gehlke führte Interviews mit den damals beteiligten Musikern, Walterbach und weiteren Weggefährten und bündelte diese in Kapitel, in denen die einzelnen Bands im Mittelpunkt stehen.

Dabei nehmen die befragten Personen kein Blatt vor den Mund und berichten freimütig über die damalige Zeit, fragwürdige Geschäftsabschlüsse, wundersame Stilwechsel, in den Sand gesetzte Touren, heitere Begebenheiten, Größenwahn und Selbstüberschätzung. Das liest sich nicht nur ziemlich interessant, sondern entpuppt sich als wahre Informationsfundgrube für Metalfans. Da die Begebenheiten von mehreren Seiten beleuchtet werden und Gehlke nicht Partei ergreift, ergibt sich ein aufschlussreiches Bild über Noise Records und seinen Gründer Walterbach.

Das Buch liest sich äußerst flüssig und sehr unterhaltsam. Wer sich für das Label und seine Bands, die heute meist noch (erfolgreich) existieren und vielfach Musikgeschichte geschrieben haben interessiert, sollte „Systemstörung – Die Geschichte von Noise Records“ als Pflichtlektüre erachten!