Kee Avil – Spine (Constallation, 03.05.2024)

Bei ihrem Debüt wurde(n) Kee Avil noch eher als Bandprojekt im Info beschrieben. Mit ihrem Zweitling scheint es nun doch zu der Solokünstlerin Kee Avil geworden zu sein, obwohl die kanadische Gitarristin, Sängerin und Produzentin auch auf „Spine“ auf Gastmusiker zugreift.

Trotzdem klingt „Spine“ vom ersten Ton an elektronischer, die akustischen Instrumentierungen sind doch ein Stück weit zurück gegangen. Der Ansatz von avantgardistischen Popstücken ist jedoch geblieben, und wurde weiter entwickelt. Die ersten beiden Stücke sind von schwerer und dunkler Elektronik mit dunklen Beats und dem prägenden Sprechgesang geprägt, hier kommt wie auch im weiteren Verlauf direkt wieder der Gedanke an eine eingängigere Variante von Scott Walker in den Sinn. Die Gitarre tritt dann erstmals beim dritten Stück „Remember me“ auf, in einer Mischung aus spröden und spartanischen sowie verfremdeten und in jedem Fall experimentellen Klängen. Auch hier schimmert eine gewisse Paranoia mit durch.

Etwas eingängiger kommt dann „Do this again“ daher. Dunkle, aber etwas sanftere Bässe ertönen langsam, der mitunter anstrengende Sprechgesang fällt auch mal ins Melodische, doch die zerfaserte Elektronik darunter brodelt und hält die allgegenwärtig mysteriöse Stimmung aufrecht.

„Fading“ erzeugt mit den schnell aufeinander folgenden dunklen Beats eine wieder dunklere Atmosphäre, die elektronischen Geräusche, die als Perkussion fungieren, unterstützen diese Atmosphäre und wieder übernimmt Kee Avils Stimme die Führung durch dunkle, unheimliche Welten.

Mit diesen Beschreibungen einiger Songs ist das Gesamtkonzept schon recht gut umschrieben. Mir gefallen dann die Stücke wie „Gelatin“ wieder sehr gut, denn das Zusammenspiel von Elektronik und dieser wunderbar eingesetzten Gitarre ist einfach nur großartig.

Mir scheint „Spine“ letztlich noch ein Stückchen avantgardistischer als das Debüt. Das Album baut trotzdem einen guten Spannungsbogen auf, auch ohne dass es großartige Ausbrüche aus der allgemein getragenen Stimmung gäbe. Die Programmierungen sind sehr gut gemacht, die Soundeffekte sehr gut eingesetzt und es bleibt bei allem Experimentierwillen immer hörbar, verkommt nie zum ambitionierten Experiment. Auch wenn es ein Stückchen herausfordernder als das Debüt ist und möglicherweise für Pophörer schon über die Grenze zur Experimentalmusik hinaus ist.

Klangtechnisch ist das hier großes Kopfkino und dem geübten Hörer liegt hier ein wunderbares Album mit viel Tiefgang, musikalisch wie inhaltlich, vor.

 

  1. Felt
  2. The iris dry
  3. Remember me
  4. Do this again
  5. Fading
  6. Gelatin
  7. Showed you
  8. At his hands
  9. Under
  10. Croak

https://keeavil.com/
https://keeavil.bandcamp.com/album/crease

4.8