shatten

shatten – s/t (Rookie Records/Indigo/The Orchard, 30.04.2021)

Sind shatten jetzt die offiziellen und legitimen Nachfolger, oder nur eine billige Kopie von Findus?

Diese Frage drängt sich natürlich sofort auf, besteht die neue Hamburger Postpunk-Combo doch zu 4/5 aus Bandmitgliedern der ehemaligen Punk-Truppe, die sich von 2005 bis 2016 einen Namen bis weit außerhalb von Norddeutschland machen konnte und neben drei Alben dann 2015 einen eindrucksvollen Beitrag zum “Kein-Mensch-ist-illegal” Benefiz-Sampler beisteuerte, bevor sie sich für immer von der Bühne verabschiedeten.

Aber von dem Gedanken einer billigen Kopie verabschiede ich mich direkt einmal, denn das selbstbetitelte Debut-Album geht zwar nicht komplett in eine musikalisch andere Richtung und bleibt dem Punk an sich treu – doch unterscheidet es sich in der Tiefe schon sehr von den früheren Tagen, was möglicherweise auch dazu führte, dass es zu keiner Reunion, sondern 2019 zu einer kompletten Neugründung gekommen ist.

Mit ausreichend Selbstbewußtsein klopften shatten dann vor gut einem Jahr bei den lieben Menschen von Rookie Records an, setzten ihnen quasi die Pistole auf die Brust… und was soll ich sagen, man verließ die Veranstaltung natürlich standesgemäß mit einem Plattenvertrag – so schreibt man Rock-Geschichte!

Okay, das Material für den ersten Longplayer war zu dem Zeitpunkt schon in der Mache – kannten sich Simeon (Gesang), Danny (Schlagzeug), Kristian (Gitarre) und Stefan (Bass) wie beschrieben doch schließlich schon von vielen Jahren gemeinsamer musikalischer Aktivität. Das man mit Jonas an der Gitarre einen “Guten” gefunden hat, dass erkennt man schon nach den ersten Tönen auf “shatten”. Denn alles nimmt seinen recht unspektakulären “Anfang“, aber dann geht es direkt fulminant weiter bzw. erst einmal richtig los….

Vor zwei Wochen zeigten shatten uns schon einige „Loecher im Himmel“ (übrigens mein Anspieltipp des Albums und mein persönlicher Favorit) und setzten hiermit direkt ein partymäßiges Statement gegen Homophobie – denn auch wenn wir mittlerweile schon recht weit sind, der Kampf gegen die stumpfen Hohlnüsse und verknocherten “Ewig-Gestrigen” ist noch lange nicht gewonnen!

Nachdem man mit der “Geiselnahme” langsam Fahrt aufnimmt, geht es dann richtig los – beim “Katzen fuettern” werden keine Verluste gemacht und es gibt temporeich ordentlich einen vor die Glocke. Apropos Tempo, zwölf Songs in etwas über 30 Minuten… man merkt das die Jungs lange nicht mehr auf der Bühne gestanden haben und so ihre Energie auf andere Art und Weise entladen müssen.

Das erste Fazit nach einem drittel des Albums fällt für mich durchaus positiv aus, Simeons raue Stimme sitzt wie eine eins, die Melodien passen hervorragend – und textlich hat man gerne auch mal da hin, wo es weh tut. Also bisher finde ich kein Haar in der Suppe – wollen mal schauen, was da noch so kommt.

Und prompt werde ich fast auf die “Falsche Faehrte” geführt, denn plötzlich schwenken die Hamburger poppig ab um „Einen Duft umarmen“ zu können, den ich persönlich so erstens nicht erwartet und zweitens auch nicht bestellt habe. Ach was, nicht schlimm – so lange es nur ein Ausreißer ist!

Gut, die Sache mit dem “Biberkopf“ werde ich mir in ruhiger Minute auch nochmal durch meine Gehirnwindungen gehen lassen, da kann man schon mal ins “Taumeln” kommen – und gerade das tun wir ja im Moment alle irgendwie, oder?! Wie oft fühlt man sich aktuell so, als würde man sich nicht mehr auf seinen Beinen halten können und ins Bodenlose fallen?!

Das die Hamburger Genre-Grenzen einreißen, zeigen sie über das komplette Album hinweg, denn direkt im Anschluss hallt mir das rotzig-rockig “Error 2000” um die Ohren – bevor es dann mystisch-melancholisch mit “Muede Freunde” weiter geht… übrigens einer meiner Lieblingsnummern auf “shatten”!

Beim Hören habe ich zwischenzeitlich den Eindruck, dass sich meine Ohren nun endgültig verabschieden, klingt doch Simeons Stimme oftmals sehr dumpf und teilweise schlecht verständlich – schaut man sich dann aber dazu den Beipackzette an, dann ist das genau so gewollt, möchte man doch den Gesang auf eine Stufe mit den anderen Instrumenten stellen und niemanden empor heben bzw. bevorzugen.

Gelungen ist das schon – ob es überall gut ankommt? Ich persönlich hätte einen klareren Gesang vielleicht etwas besser gefunden… aber was weiß ich denn schon?!

Na zumindest haben shatten somit wenig Probleme zu oft im Radio gespielt zu werden… ich persönlich werde mir das Album jetzt aber direkt noch ein bis vier Mal gönnen – irgendwie hat das ganze etwas. Die Songs passen halt wunderbar zu meinen leidgeprüften Gehörgängen und meiner alten verranzten Anlage, die auch soundmäßig bestimmt schon bessere Zeiten gesehen hat.

 

Titel:
1. Anfang
2. Loecher im Himmel
3. Geiselnahme
4. Katzen fuettern
5. Falsche Faehrte
6. Einen Duft umarmen
7. Biberkopf
8. Taumeln
9. Error 2000
10. Muede Freunde
11. Verdammte Enge
12. Ende

Foto: Jenny Schäfer

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4.1