Savage Grace – Master Of Disguise / After The Fall From Grace (Hammerheart Records, 18.02.2022)

Chris Logue ist ein Gauner. Er wurde bereits als ohne Lizenz, unter falschem Namen praktizierender Quacksalber verhaftet. Mehrfach. Ihm wurde unterstellt, Pornos zu produzieren, während er nach wie vor auf seiner Webseite aktiv nach jungen Damen sucht, die ihm Gesellschaft leisten. Also wohl ein durch und durch zwielichtige Charakter.

Als Kopf der Band Savage Grace hat er in den 80ern ein kleines bisschen Metalgeschichte geschrieben. Vor allem im Underground wird der Truppe, genauso wie den ebenfalls von einer zweifelhaften Person angeführten Agent Steel, eine stilprägende Wirkung in Sachen Speed Metal unterstellt. Ja, Savage Grace’ beide, mit heute undenkbaren Covern versehene Alben „Master Of Disguise“ (1985) und „After The Fall From Grace“ (1986) sind ohne wenn und aber Klassiker!

Die beiden Dinger sind nicht nur einmal wieder unter die Leute gestreut worden. Bei Hammerheart Records sind jetzt aber wohl die definitiven (CD-)Versionen der Scheiben erschienen. Angereichert mit einem Sack an Bonustracks und super remastert und remixt. Letzteres ist dieses Mal tatsächlich eine Auszeichnung, denn die beiden einst nicht besonders erquickend klingenden Alben kommen tatsächlich ziemlich massiv aus den Boxen, ohne ihren jugendlichen Charme einzubüßen. Wer trotzdem auf den Originalsound steht, bekommt jenen mit demselben Tracklisting auf einer zweiten Silberscheibe frei Haus mitgeliefert. Top!

 

Highlight im Katalog von Savage Grace ist zweifelsohne das rasante Debüt „Master Of Disguise“, das zwei Jahre nach der hier ebenfalls enthaltenen EP „The Dominatress“ erschien. Während die fünf Songs jener EP noch nach recht traditionellem, NWOBHM-geschulten Metal bieten (auf seine Art auch charmant), standen Savage Grace erst auf dem Album in voller Blüte. Pfeilschnelle Riffs und Soli, angenehme Heavyness, angriffslustiger Charme. Dazu ein guter Sänger, der das jugendliche Flair der noch frisch wirkenden Metal-Frühzeit passend rüberbringt.

Speedig hoppelnde Tracks wie „Sins Of The Damned“, der massive Titeltrack oder der hymnische Hit „Bound To Be Free“ reißen auch anno 2022 noch uneinheimlich mit. Selbst etwas gedrosseltere Tracks wie „Fear My Way“ oder „Betrayer“ vermitteln noch gut die Stimmung, welche in den 80ern geherrscht haben muss.

Die enthaltene Boni sind nett, aber nicht essentiell. Nicht einmal die Debüt-EP „The Dominatress“. Vier ungehobelte, nicht nachbearbeitete Demo-Tracks aus den Jahren 1982 und 1984 zeigen eine Band, die noch in ihrer Entwicklung steckt und haben mehr dokumentarischen Charakter. Trotzdem schön, dass sie dabei sind.

 

Master of Disguise:
1. Lions Roar (Instrumental)
2. Bound to be Free
3. Fear my Way
4. Sins of the Damned
5. Into the Fire
6. Master of Disguise
7. Betrayer
8. Sons of Iniquity
9. No One Left to Blame

The Dominatress:
10. Fight for your Life
11. Curse the Night
12. The Dominatress
13. Live to Burn
14. Too Young to Die

1982 Demo:
15. Scepters of Deceit
16. Curse the Night
17. Genghis Khan

1984 Demo:
18. No One Left to Blame

 

 

Ein Jahr später war die Band gleich eine andere. Sänger Mike Smith war raus. Gitarrist und Bandkopf Chris Logue übernahm die Rolle gleich selbst. Dem Vorgänger konnte er dabei keineswegs das Wasser reichen. Mit viel Hall auf der Stimme und ein paar Studiotricks funktioniert aber dieser Wechsel auch noch ganz gut.

Mit dem Überhit „We Came, We Saw, We Conquered“ (plus dem dazugehörigen Intro „Call To Arms“) startet „After The Fall From Grace“ gleich mehr als nur ordentlich und zeigt, dass Savage Grace nach dem Debüt noch nicht verbrannt waren. Zwar klang die Platte nicht mehr ganz so rasant und mitreißend wie „Master Of Disguise“. Aber trotzdem überstand das Album ohne weiteres den Test der Zeit. Songs wie „Trial By Fire“, „Destination Unknown“ oder auch „Age Of Innocence“ waren einfach zu gut. Ein kleines Plus an Harmonien sorgt zusätzlich für Gefallen.

Ob man jetzt das erste oder das zweite Album mehr mag, ist wohl mal wieder eine Frage des persönlichen Geschmacks. In einer Oldschool-Metal-Sammlung machen sich beide bestens.

Als Bonus hat man zum einen die 1987 veröffentlichte Vier-Song-EP „Ride Into The Night“ mit auf die CD gepackt, welche die Linie des Albums passend weiterführt. Ende der Neunziger siedelten Savage Grave (bzw. ihr Anführer) nach New York um, wo sich der Stil komplett wandelte. Statt schmissigem Speed Metal stand hier plötzlich ein Hardrock-orientierter Sound auf dem Programm. Die letzten drei Nummern stammen aus dieser Phase und sind immerhin ein interessantes Zeitzeugnis einer verblassenden Band.

 

After the Fall from Grace:
1. Call to Arms
2. We Came, we Saw, we Conquered
3. After the Fall from Grace
4. Trial by Fire
5. Palestinia
6. Age of Innocence
7. Flesh and Blood
8. Destination Unknown
9. Tales of Mystery

Ride into the Night:
10. Ride into the Night
11. We March On
12. The Healing Hand
13. Burn (Deep Purple Cover)

Compilation 1991:
14. Mainline Lover

Live 1992:
15. Bare Bottom Blues
16. Such a Dirty Mind