Running Wild

Running Wild – Under Jolly Roger [2017 Remastered] (Noise/BMG, 11.08.2017)

Nach Voivod, Kreator und Celtic Frost werden jetzt die alten Noise-Platten von Running Wild neu veröffentlicht. Eine gute Sache, nachdem die Alben der Nordlichter lange nicht mehr erhältlich waren und gebrauchte Exemplare teilweise zu Preisen gehandelt werden, die weit über dem Neupreis liegen. Konkret geht es um die Phase vom Debüt „Gates To Purgatory“ bis „Masquerade“ von 1995. Die neun Platten kommen im Abstand von zwei Wochen auf LP oder „Deluxe Version“ auf CD mit Bonustracks heraus. Die ersten fünf am 11. August, die anderen vier am 25.

Uns lagen die CD-Versionen davon vor. Verpackt sind sie leider nicht wie bei Kreator und Celtic Frost in schicke Digibooks, sondern in ganz normale Digipacks. Dafür hat man aber nicht die Coverartworks verschandelt. Drin liegt je ein Booklet mit vielen alten Bildern und Liner-Notes von Malcom Dome, die auf Interviews mit Bandboss Rolf Kasparek beruhen. Remastert wurde der Sound von Andy Pearce und Matt Wortham. Zu jedem Album gibt es ein paar Bonustrack, wobei es sich meist allerdings nur Neueinspielungen alter Songs handelt. Wirklich Neues gibt es nicht zu hören.

Mit der Veröffentlichung des dritten Albums 1987 war es dann soweit: Running Wild kippten den okkulten Teufelskram über Bord und man stilisierte sich zukünftig als Metal-Freibeuter. Das Außenseiterdasein als Heavy-Metaller passte laut Rock’n’Roll bestens zum Piratendasein und so fuhr man künftig unter der Totenkopfflagge durch die Metalszene. Dieser Imagewechsel kam damals gerade in der Presse nicht besonders gut an und die Band wurde dafür vielfach verlacht. Daran vorbei kam aber niemand und somit hatten Running Wild ein Alleinstellungsmerkmal geschaffen.

Ganz zog man das Piratenkonzept auf „Unter Jolly Roger“ aber noch nicht durch. Lediglich der Titeltrack und „Diamonds Of The Black Chest“ gingen in diese Richtung. Allerdings mehr im Hollywood-Format, als wirklich auf historischen Begebenheiten beruhend, wie später der Fall. Die Themenpalette war ziemlich bunt. Musikalisch und vor allem in Sachen Produktion war das Album ein Schritt nach vorne. Die Platte drückt auch heute noch ziemlich gut und gleichzeitig tönt es weiter angenehm räudig. Die Gitarren sägen ordentlich und der von Rolf Kasparek eingespielte Bass treibt zusammen mit Drummer Hasche das Geschehen lässig voran.

Dabei hat das Album fast ein Problem: den Titeltrack. „Unter Jolly Roger“ wird von Windgeräuschen und Kanonensalven eröffnet und man wähnt sich mittendrin in einer Seeschlacht. Dann stampft die Band zackig nach vorne und ein großer Mitgrölrefrain sorgt für Gänsehaut. Das verfehlt auch nach 30 Jahren nicht seine Wirkung. Daran anschließen können dann nur wirklich das ebenfalls hymnische „Raise Your Fist“ sowie das kurze und knackige „Diamonds Of The Black Chest“. Aber auch unter dem Rest finden sich noch eine unterhaltsame Momente. „War In The Gutter“ ist typischer Speed Metal, „Beggar’s Night“ lebt von seinem starken Riffing und „Land Of Ice“ überrascht als schleppende, fast doomige und atmosphärische Nummer.

So lässt sich das Album gut durchhören. Und wenn es aus heutiger Sicht vielleicht nicht voll überzeugen kann, gehört „Under Jolly Roger“ doch zu DEN deutschen Metalklassikern der 80er. Und sei es auch nur wegen seiner Bedeutung für die Szene.

Bei dieser Edition hat man gleich eine ganze Bonus-CD mit acht Nummern beigepackt. Allerdings hätten alle 16 Songs gut zusammen auf einen Silberling gepasst. Somit ist das Ganze schon etwas aufgeblasen. Vier Mal hat man wieder die 91er-Neuaufnahmen von „The First Years Of Piracy“ geplündert, die 92er-Version von „Beggar’s Night“ gab es schon mal als Bonus bei der Neuauflage von „Pile Of Skulls“ und die beiden komplett verzichtbaren Neuaufnahmen aus dem Jahr 2003 stammen von der Best-Of-CD „20 Years In History“. Dort gab es auch den bis zu dem Zeitpunkt unveröffentlichten Song „Apocalyptic Horseman“ zu hören, der aus den Sessions zu „Under Jolly Roger“ stammt. Ein netter, aber etwas unspektakulärer Midtempo-Song. Wer das also braucht, kann gerne zugreifen. Übermäßig spannend ist die Bonussektion auch hier nicht.

 

Trackliste:

CD1:
1. Under Jolly Roger
2. War In The Gutter
3. Raw Ride
4. Beggar’s Night
5. Raise Your Fist
6. Land of Ice
7. Diamons Of The Black Chest
8. Merciless Game

CD2:
1. Under Jolly Roger (Re-recorded Version 1991)
2. Raw Ride (Re-recorded Version 1991)
3. Raise Your Fist (Re-recorded Version 1991)
4. Diamonds of the Black Chest (Re-recorded Version 1991)
5. Beggar’s Night (’92 Alternative Version)
6. Apocalyptic Horsemen
7. Under Jolly Roger (Re-recorded Version 2003)
8. Raise Your Fist (Re-recorded Version 2003)