Ramrods – Bracelet Circus (SAOL/Bertus, 11.06.2021)

Die Ramrods bringen 11 Jahre nach ihrem Debüt-Album „Love Is The Answer“ die zweite Scheibe „Bracelet Circus“ auf den Markt. Die fränkische Institution hat sich mit der Veröffentlichung lange Zeit gelassen – hat sich das Warten gelohnt?

Mystisch beginnt „Suffragette Woman“ mit einem sehr mittelalterlichen Einschlag, der mich erstmal stutzig macht. Machen die Ramrods jetzt auf Mittelalter? Nein, lediglich auf dem ersten Song wird die Band von Musikern der Band Vera Lux unterstützt. Im Background ist Marko Bittner zu hören, der zusammen mit Harasim das Debüt-Album komponiert hat. Schön, dass er hier und beim zweiten Stück wieder mit am Start ist!

„Don’t Whine Baby“ haben die Ramrods mit weiblichen Backgrounds und einer Bläsersektion ausgestattet. Das Stück driftet in R&B-Gefilde mit einem kleinen Ska-Einschlag ab – Vielseitigkeit ist auch hier angesagt. „The Last Of The Bones“ ist eine Hommage an Harasims Freunde und Musiker-Kollegen Dickie Peterson, Paul Whaley und Andrew „Duck“ McDonald von der Band Blue Cheer. Country trifft auf Twang-Gitarre – der Song macht gute Laune und das kann man in der momentanen Situation wirklich gut brauchen.

Peter Harasims Gesang ist sehr markant und hat auch nach der langen Zeit nichts von seiner Kraft und Ausdrucksstärke eingebüßt. Man merkt ihm an, dass Sänger Mitch Ryder aus Detroit nach wie vor ein großer Einfluss für ihn ist.

„We’re Gonna Roam“ ist der größte Riff-Rocker auf dem Album. Der Bass dröhnt, die Orgel wummert – so muss das sein. Und das Solo im Mittelteil ist zum Dahinschmelzen. Das Gitarristen-Trio Fabian Reif, Rene Langenhan und Ben Forrester sind allesamt großartige Musiker, die mit viel Gefühl für die jeweiligen Stücke ihre Solos eingespielt haben. „Turbulent Skies“ greift ohne die Moralkeule auszupacken das Thema „Flüchtlingskrise“ auf. Tom Petty lässt grüßen – hier dominiert eine angenehme Heartbreakers-Schlagseite.

Zwei Balladen finden sich mit „Loves Me Dearly“ und „Two Of Our Kind“, das Harasim seiner Ehefrau gewidmet hat. Beide passen gut in den Gesamtkontext des Albums. „Lost Highway“ ist der perfekte Soundtrack fürs Auto. Der Song kommt lässig rüber und verarbeitet Einflüsse von Thin Lizzy und Wishbone Ash. Die Tim-Buckley-Nummer „Dolphins“ ist der Knaller! Hier passt einfach alles, das Stück ist hinreißend und lädt zum Träumen ein. Mit sowas hätte ich gar nicht gerechnet.

Mit der „Bracelet Circus Suite“ geht es mit Volldampf nach Marrakesch. Harasim war früher offensichtlich viel unterwegs und hat von seinen Reisen die eine oder andere musikalische Inspiration und so manches exotische Instrument mitgebracht. Gitarrist Fabian Reif spielt eine verträumte Sitar, die dem Song eine fernöstliche Led-Zeppelin-Note verpasst. Hier kann man richtig gut abdriften und den Musikern dabei lauschen, wie sie sich immer mehr in einen regelrechten Rausch spielen.

Das Album wurde hervorragend produziert und besticht durch einen äußerst angenehmen Klang. Der Rockanteil ist gegenüber dem Debütalbum deutlich gesunken, die musikalische Vielfalt ist das große Plus der neuen Scheibe. Die Ramrods sind Überzeugungstäter mit einer langen Geschichte und langjähriger Liveerfahrung. Und das hört man den Stücken an! Hier wurde nichts auf dem Reißbrett konzipiert, hier wurde einfach nur musikalische Inspiration und Leidenschaft ausgelebt. Bleibt zu hoffen, dass es bald wieder möglich ist, Live-Konzerte zu besuchen. Wenn es geht, im Nürnberger Hirsch und vielleicht auch mit den Ramrods.

Daher: Daumen hoch, unbedingt testen!

 

Trackliste:
1. Suffragette Woman
2. Don’t Whine Baby
3. The Last Of The Bones
4. Baby When The Sun Goes Down
5. We’re Gonna Roam
6. Turbulent Skies
7. Love Me Dearly
8. Two Of Our Kind
9. Lost Highway
10. Dolphins
11. Bracelet Circus Suite:
12. For Jan

 

Review von Gastautor STEFAN GRASSL
4.5