OU -蘇醒II: Frailty (InsideOut Music, 26.04.2024)

Progressive Metal – das ist doch mittlerweile meist nur eine Worthülse für eine bestimmte Nische, die nach über drei Jahrzehnten nach „Images & Words“ (Dream Theater) nicht mehr allzu vieles Neues bietet und vielfach gewisse Formeln wiederkäut. Schön, dass dann doch immer wieder Bands im die Ecke kommen, die diesen Begriff wieder mit Leben füllen und ebendies sind: progressiv im eigentlichen Wortsinne. In diesem Fall ist es das chinesische Quartett OU mit seinem zweiten Album „蘇醒 II: Frailty“.

Und dieses Stück Musik aus neun Einzelteilen ist eine ganz schöne Herausforderung. Anfangs mag da irgendwie gar nichts zusammenpassen. Heftige, Djent-artige Metalriffs, verwinkelte Grooves, komplett dagegen arbeitender, verträumter Frauengesang, irgendwo dazwischen eine harmonisierende Pianolinie. Ein Feeling zwischen maschinellen Stampfen, gleißenden Sonnenlicht und düsteren Abgrund – zwischen Großstadtmoloch, nebligen Wäldern und heller Blumenwiese.

Klingt komisch, ist aber so. Lässt man sich erstmal bewusst darauf ein, merkt man doch, dass hier ein Plan dahintersteckt, der irgendwo Sinn ergibt und wahnsinnig fasziniert, ist der Knoten denn mal geplatzt. Kein Wunder, dass man Oberfreak Devin Townsend als Produzent für sich gewinnen konnte. Bei „淨化 Purge“, dessen Musik fast wie eine extreme Version seiner eigenen klingt, erhebt er sogar höchst selbst seine Stimme zwischen harschen Störgeräuschen und betörender Atmosphäre.

„蘇醒 II: Frailty“ ist ein wahrer Parforce-Ritt und hat so einiges zu bieten. Während die ersten paar Nummern relativ ähnlich nach vorne gehen, wird das Album danach etwas offener. Wer es bis dahin geschafft hat, wird mit noch ein paar Klangfarben mehr konfrontiert. So wirkt „衍生 Capture and Elongate (Serenity)“ zuerst wie ein verschrobener Electro-Titel, während man sich im weiteren Verlauf fast schon altmodisch progrockig gibt. So könnten vielleicht Gentle Giant heute klingen, würde man sich mit Videospiel-Soundtracks aus dem fernen Osten kreuzen. „海 Ocean“ ist auch so ein Kandidat, bei dem man gewisse Wurzeln im damals erkennen kann. Sehr fein.

Ich tue es ja nicht gerne, aber hier kann man tatsächlich den Promowisch des Labels zitieren, da jedes Wort passt und nicht übertrieben wird: OU lädt dazu ein, sich mit ihnen auf eine berauschende Klang-Odyssee zu begeben, auf der Vertrautheit auf Innovation trifft und jede Note mit beispielloser Intensität erklingt.“

Da bleibt nichts mehr zu sagen, außer: reinhören!

 

Trackliste:
1. 蘇醒 Frailty
2. 淨化 Purge
3. 海 Ocean
4. 血液 Redemption
5. 衍生 Capture and Elongate (Serenity)
6. 破魂 Spirit Broken
7. 歪歪地愛 yyds
8. 輪迴 Reborn
9. 念 Recall

 

 

Photo-Credit: Zhang Xin

 

4.2