Noisehausen Festival (26.-27.07.2024, Schrobenhausen)

Wenn sich zum Start der bayerischen Sommerferien Schrobenhausen wieder in Noisehausen wandelt, ist klar, es ist Festivalzeit. Für zwei Tage transformiert sich der eher karge Asphaltplatz des Bauer-Rondells in ein liebevolles Festivalgelände, das keine Wünsche offen lässt und einfach verzaubert.

Schon bei der Anreise wird deutlich – auch Festivals entwickeln sich. Die eingesetzten Sonderzüge für den Nachhauseweg haben sich mittlerweile etabliert, und so ist schon bei der Hinfahrt am Nachmittag der Zug voll mit Festivalpublikum.

Auf der großen Hawkins Stage eröffnen die Cold Years das Festival. Die erzählen von ihrer Anreise, wo sie eigentlich in München hätten landen sollen, aber erst mal in Mailand gestrandet sind. Macht aber nichts, wenn sie mit „Goodbye To Misery“ oder „Over“ los rocken, merkt man nichts mehr von dem Anreise-Chaos.

Der erste Wechsel zur kleineren Backyard Stage steht an. Dort präsentiert Michèl von Wussow seinen Indierock. Selten sieht man Künstler und nach wenigen Sekunden ist vollkommen klar: Der liebt, was er tut! Egal ob er Songs „für die Mama“ („Narbenherz“) spielt oder sich Gedanken über den Klimawandel macht („Mitte 20 im Arsch“). Definitiv die erste Entdeckung des Tages.

Zurück zur großen Bühne. In der gleißenden Abendsonne macht sich Tim Vantol bereit, zu beweisen, dass auch Folkmusik ziemlich rockig daherkommen kann. Mit „If we go down. We will go together“ rockt er die Bühne, im Publikum bilden sich die ersten Chöre. Aber auch Zeit für Anti-AfD-Ansagen nimmt er sich: „Jeder Mensch, der Hilfe braucht, soll diese bekommen.“ Applaus dafür. Mit „Better Days“ beendet er sein Set, die ersten liegen sich dabei gegenseitig in den Armen und als zur Backyard Stage gewechselt wird, hallen die letzten Oh-Ohs noch nach.

Dort steigen The Luka State aus UK gleich richtig ein. Passives Zuhören ist hier nicht. Bewegung ist angesagt: Erste Moshpits starten und diese Band reißt einfach alle mit. Es ist brechend voll vor der Bühne und nicht wenige haben wohl nicht mit diesem Feuer, welche die Briten entzünden, gerechnet.

Wie gut, dass den Subways ein Ruf vorauseilt, sonst hätten sie es an dieser Stelle wohl schwer gehabt. Aber das Trio wird diesem auch mehr als gerecht: Egal ob es die im Glitzeroutfit zappelnde und nicht zu bremsende Bassistin Charlotte ist oder Sänger und Gitarrist Billy, der eben mal über das ganze Gesicht strahlend stagedived („Say Hi to the audience!“). Natürlich dürfen auch ihre Klassiker wie „Kalifornia“ oder „Rock & Roll Queen“ nicht fehlen, aber auch neue Songs wie „Influencer“ finden Platz im Set. Eigentlich wäre langsam eine Verschnaufpause nötig.

Aber es steht ein außergewöhnliches Novum in der Festivalgeschichte an. Die australische Band Press Club tritt nicht nur am ersten, sondern nochmal am zweiten Festivaltag auf. Verschnaufpause ist also ein Vokabular, das im Wortschatz des Energiebündels Natalie nicht vorkommt. Um das deutlich zu machen, hüpft sie auch schnell mal selbst ins Publikum, um auch die letzten zu überzeugen. Ein anstrengendes Warm-Up für den am nächsten Tag folgenden Auftritt.

Wenn wir schon bei den weiblichen Energiebündeln sind, wird Press Club jetzt aber noch getoppt. The Baboon Show entern die Bühne. Bedingungsloser als Frontfrau Cecilia kann man eine Show nicht rocken. Egal ob Stagediving, ein Kick hier, ein Kick da, auf der Bühne umherturnen: Respekt vor dieser Energieleistung. Das Publikum dankt es ihr, indem es nochmal alles mobilisiert, lautstark Songs wie „Radio Rebelde“, „You got a Problem without knowing it“ oder „Queen of the Dagger“ mitsingt. Damit endet der erste Festivaltag.

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Wenn sich Festival wie nach Hause kommen anfühlt

Tag zwei startet mit brütender Hitze und die Schattenplätze sind heiß begehrt. Das Noisehausen Festival wäre aber nicht das Noisehausen Festival wenn sie nicht alles für ihr Publikum machen würden. Ein großer Feuerwehrschlauch sorgt für die Abkühlung des Geländes, und auch der ein oder andere Mensch wird angespritzt. Schwer auszumachen, wer daran nun mehr Spaß hat: die spritzende Security oder das Publikum.

Die Backyard Stage wird heute von Plume eröffnet. Irgendwie Metalcore, irgendwie Poppunk, vermutlich einfach alles dazwischen. Ästhetik wird bei der Band großgeschrieben, so treten sie geschminkt auf. Aber noch etwas schreiben sie groß: Inklusion. So haben sie bei einem Song eine Deaf Perfomerin dabei. Dabei handelt es sich um eine Kunstform der Gebärdensprache, welche von tauben Menschen dargeboten wird. Zum Applaus wird dann auch nicht geklatscht, sondern gebärdet. Beeindruckend. Wie einfach es doch sein kann, alle mitzunehmen.

Darf man eigentlich auch ein Festivalpublikum loben? Ich finde schon, denn: Wer inmitten der Menge vor der Bühne die eigene Zigarette am Schuh ausdrückt, sie dann im mitgebrachten Ascher To Go verstaut, um sie dann fachgerecht zu entsorgen, ist aller Erwähnung wert. Bestes Festival, bestes Publikum.

Für das nächste große Staunen sorgen die Kölner von Iedereen. Ein Duo bestehend aus singendem Schlagzeuger sowie Gitarristen machen die Hütte vor der kleinen Bühne voll, schaffen es einige Wall of Deaths zu zaubern, hängen mal eben einer Besucherin die Gitarre um, damit man sich selbst in die Menge stürzen kann und liefern eine Wahnsinns-Show. Schon wieder so eine Band, die man sich echt merken muss. Keine Ahnung, wie das Booking des Festivals immer diese Perlen hervorzaubert.

Ich als Band würde das Noisehausen Festival wählen

Zuerst wird noch gemütlich zur anderen Bühne, wo gleich Itchy spielen, geschlendert, doch als die Eislinger die ersten Akkorde in den Abendhimmel schmettern, macht es whooom, und nicht wenige stürmen zur Bühne. Es wird voll und voller. Zurecht, denn mit „Ja, als ob“ oder „The Sea“, welches inmitten der Menge performt wird, bringen sie die Stimmung zum Brodeln. Auch ein augenzwinkerndes „I like to move it move it“ macht einfach nur Spaß. Ernster wird es als „Why still bother“, 2011 veröffentlicht, leider noch immer aktueller denn je ist. Zum Ende ihres Sets wünscht Bassist Panzer noch viel Spaß mit den folgenden Bands, besonders wenn Mando Diao „Mr. Brightside“ spielen. Was Sibbi zu der Frage veranlasst, wie lange er sich diesen Joke überlegt hat.

Doch zuvor dürfen Press Club nochmal auf der großen Bühne spielen. An den Shirts im Publikum ist zu erkennen, dass die gestern ganz schön Eindruck hinterlassen haben. Dennoch wirkt die Band auf der großen Bühne nochmal anders: Die großen Gesten, Frontfrau Natalie kann noch deutlich mehr umherturnen, Platz genug zum Rad schlagen ist auch. Sie wirbelt so umher, dass die Musik mit ihrer Energie manchmal gar nicht mitkommt.

Doch der heutige Headliner macht seinem Namen alle Ehre. Hier wird nichts dem Zufall überlassen: Vom Backdrop bis zum Keyboard fügt sich alles in das Bühnenbild ein. Orgelklänge ertönen, ein Spannungsboden baut sich auf, alles ist zum Zerreißen gespannt. Show können sie. Die Band betritt die Bühne, ein Gitarrenakkord, alles entlädt sich. Der charismatische Sänger Björn hat das Publikum total im Griff und ist sich dessen sehr bewusst. Lasziv stellt er seinen Hemdkragen auf und knöpft das Hemd auf. Er weiß, wie wie man mit dem Publikum spielt. Aber auch Mando Diao haben ein wenig damit zu kämpfen, dass das Publikum nur auf die Hits aus den Nullerjahren wartet. Bei den neueren Songs ebbt die Stimmung immer mal wieder ab. Aber klar, mit „Down in the Past“ oder „Black Saturday“ kocht sie sogleich wieder hoch. Zwischendurch liefern sich Sänger Björn und Gitarrist Håkan ein musikalisches Duell, mit einer Lichtshow dahinter, welche die beiden in mystische Schatten taucht. Mit – was auch sonst – „Dance with Somebody“ endet dann ihr Set begleitet von einem Feuerwerk und den nicht enden wollenden Publikumschören, selbst als die Musik schon verstummt ist. Damit gehen auch zwei Tage Noisehausen Festival zu Ende, an dem selbst der Wettergott ein Einsehen hatte und nur ganz wenige Regentropfen schickte. Mittlerweile hat es sich sogar bis dorthin herumgesprochen, was für ein tolles Festival das Noisehausen ist. Wiedereinmal wird deutlich dass es nicht nur Business-Speech ist wenn sämtliche Bands sich beim Festival bedanken und von der ganz besonderen und tollen Atmosphäre schwärmen. Dem können wir uns nur anschließen und zählen jetzt schon die Tage bis zum nächsten Jahr!

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Fotocredit Titelbild: Ulrich Hilbel

Fotocredit: Mariana S. Mayer

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