NOFX – White Trash, Two Heebs And A Bean (Epitaph, 05.11.1992)

Classics kommen für einen immer schneller als man sie erwartet. Obwohl meine letzte Classics-Review zu Bad Religions „Suffer“ tatsächlich einige Zeit zurück liegt, habe ich das Gefühl, dass seitdem nicht viel Wasser ins Tal geflossen ist. Was liegt da also näher, als eine Band auszuwählen, die nach Eigenaussage schon ihre gesamte Karriere versucht, Bad Religion zu kopieren und auch schon in der letzten Review mit ihrer Persiflage „Surfer“ einen Platz gefunden hatte. Die Rede ist selbstverständlich von NOFX.

Für viele ist DAS Classics-Album der mittlerweile auch steinalt gewordenen Punks aus Kalifornien vermutlich „Punk In Drublic“. Verständlich, zählen „Linoleum“, „The Brews“ und „Leave It Alone“ doch zu den bekanntesten Songs des Quartetts. Dabei schlugen NOFX schon zu Anfang der 1990er-Jahre mit „White Trash, Two Heebs And A Bean“ auf den Brettern der sich international immer größerer Popularität erfreuenden Punkrockbühne auf. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kalifornier schon eine fast 10-jährige Bandgeschichte hinter sich. 1983 gegründet, sind NOFX tatsächlich eher ein Kind der rauen, teils extrem gewalttätigen, frühen Punk- und Hardcoreszene L.A.s der 1980er und wurden erst Jahre später mit zu einem Aushängeschild der seichteren 1990er-Skatepunk-Szene verklärt.

Der Grund dafür ist sicherlich darin zu suchen, dass erst mit dem Erfolg des poppig-melodischen Punksounds, zu dessen Entstehung Bad Religions „Suffer“ unbestreitbar einen zentralen Beitrag leistete, auch ein kommerzieller Erfolg für NOFX möglich wurde. Die hatten sich in ihrer Anfangsphase mehr auf einen früh-80er-typischen Punk/HC-Sound eingeschossen und begannen erst 1989 mit „S&M Airlines“, den melodischen Bad Religion-Sound zu kopieren. Zu dem Zeitpunkt waren beide Bands befreundet und Brett Gurrewitz hatte die Formation um Frontmann Fat Mike auf Epitaph unter Vertrag genommen. Nach „S&M Airlines“ erschien mit „Ribbed“ ein Album, von dem Fat Mike selbst sagt, dass es das erste der Band war, das vom Publikum gemocht wurde.

Danach folgte also „White Trash, Two Heebs And A Bean“, das sich meiner Ansicht nach als der erste große Zenit der Band beschreiben lässt. Nach der vorab veröffentlichten „Longest Line EP” war dies das erste Full-Length mit damals neuem Gitarristen Aaron „El Hefe“ Abeyta, der bis heute in der Band blieb und das Line-Up, das wir heute kennen, komplettierte. Nach „S&M Airlines“ ein wichtiger Einschnitt in der Karriere von NOFX, denn der neue Mann brachte seinerzeit Jazznuancen mit in die Band, war gleichzeitig als musikalischstes Mitglied der Band aber auch in der Lage, die zuvor technisch-melodischen Passagen, die sein metalaffiner Vorgänger Steve Kidweiler bis dato gespielt hatte, umzusetzen.

So stellt „White Trash, Two Heebs And A Bean“ eines der abwechslungsreichsten Alben der Kalifornier dar, das urkomische Ska-Jazz-Mischungen wie „Johnny Appleseed“, das legendäre Minor Threat-Cover „Straight Edge“ oder Dixieland-inspirierte Stücke wie „Buggley Eyes“, aber auch Pop-Punk-Hymnen wie das ironische „Please Play This Song On The Radio“ oder Mid-Tempo-Ohrwürmer wie das ikonische „Bob“ hervorbrachte. Mit „Stickin‘ In My Eye“ findet sich auf diesem Überalbum nicht nur einer der bekanntesten Bass-Intros der Punkgeschichte, sondern auch noch einer der energetischsten und besten NOFX-Songs aller Zeiten. Ohne die perfekte Vorarbeit von „White Trash, Two Heebs And A Bean“ und dem damit verbundenen, beginnenden Erfolg, wäre ein „Punk In Drublic“ vermutlich nicht möglich gewesen und viele melodische und poppige Punkalben der 1990er wohl nie geschrieben worden. Grund genug, um dieses großartige Album bis heute zu würdigen.

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01. Soul Doubt
02. Stickin’ In My Eye
03. Bob
04. You’re Bleeding
05. Straight Edge
06. Liza & Louise
07. The Bag
08. Please Play This Song On The Radio
09. Warm
10. I Wanna Be Your Baby
11. Johnny Appleseed
12. She’s Gone
13. Buggley Eyes