NEØV – Soft Atlas (Motor Music, 23.08.2024)

Nach vier Alben konnte sich die Brüder Anssi und Samuli Neuvonen aus Finnland ausprobieren, Sounds erforschen, Liveerfahrungen sammeln und vor dem großen Knall kam die Corona-Pandemie und der Stillstand. Der Todesstoß für viele Bands hat die Indie-Finnen quasi zentriert. “Welche Musik wollen wir machen? Wie sehr glauben wir an uns selbst?” Keine äußeren Einflüsse und keine Termine im Nacken hat man sich einen Lebenstraum erfüllt und mit Birgir Jón Birgisson im legendären Sundlaugin-Studio auf Island ein Album aufgenommen, was jetzt als Vinyl hier vor mir liegt und schon diverse Runden gedreht hat.

Um die Zeit im Produktionsprozess zu nutzen, hat man die Arbeit auf verschiedene Mixing-Engineers an verschiedenen Orten aufgeteilt. Einzige Vorgabe war: das Duo musste Arbeiten dieser Menschen im Plattenregal stehen haben.

“So kam es, dass Alex Somers einen Song in Los Angeles abmischte, Birgir Jón Birgisson zwei Songs in Reykjavík und Niklas Berglöf sechs Songs in Stockholm.”

Im Vorfeld hörte ich bereits Songs wie “Softer” und damit einen absoluten Indie-Überhit. Diese weichen und melodischen Flächen bringen einen dazu die Weite vom Aufnahmeort Island auf der ganzen Haut zu spüren. Und Weite und Flächen sind das Thema, was sich während des gesamten Albums durch meinen Kopf zieht.

Aber es wäre langweilig, wenn es nur die Indie-Version von A-Ha zu hören geben würde (komischerweise sind genau die als Indierockband mir immer wieder in den Kopf gekommen). So haben wir neben den eingängigen und rockigen Hymnen wie “Softer”, “A Little Tastet” und “Friedrichshain” eine Menge eher verkopfte Abschnitte, in denen die Instrumente dominieren und die Stimmung tragen.

Dann kommt mit “You can’t bring me down” plötzlich ein Fußwackler um die Ecke, der trotz Titel nicht runterzieht, sondern dich genau in die andere Richtung bringt.

Lediglich ein Song hat mich mehrfach an den Kragen gepackt und wollte mich vergeblich zwingen ihn zu verstehen und zu mögen. Mit “The Water” gibt es ein schleppendes Stück das mich an schwer depressive The National erinnert. Was erstmal positiv klingt, bringt mich trotz der eingängigen Ruhe fast zum Durchdrehen. Aber hey, wenn ein Song extreme Reaktionen hervor ruft, muss ja was dran sein.

Wie schon erwähnt, habe ich hier die Vinyl-Version zur Bewertung. Und genau da gehört das Album auch hin. Auf den Plattenteller.

 

Die LP kommt mit dem schlichten und absolut großartig passenden Blumencover auf schwarzem Vinyl in normaler 140g-Version. Insbesondere die schlichte Aufmachung steht dem Album sehr gut. Eine Splatter-BlingBling-Vinyl wäre hier voll am Thema vorbei.

Dazu gibt es eine schlicht weiße Schutzhülle (die gerne gefüttert sein dürfte) und ein Beiblatt mit den Single-Blumenmotiven, Texten und Fotos. Alles stimmig, aber als Kritikpunkt würde ich hier die superklein in gelb auf weiß geschriebenen Lyrics erwähnen. Mag vielleicht an meinem Alter liegen, aber ich konnte das nicht lesen. Nicht einen Song, was sehr schade ist, weil das bei vielen Menschen zum Vinyl-Ritual gehört.

 

 

 

  1. Feel
  2. A Little Taste
  3. Friedrichshain
  4. Just Like You Lived in the 80s
  5. Softer
  6. Letters
  7. You Cant’t Bring Me down
  8. The Water
  9. Meadows & Paperbags

 

Fotocredits: Cat Gundry Beck

4.7