Fremdklingende Namen, irgendwie noch mit einem Hauch nordischer Mythologie versehen, sind gerade en vogue. So scheint es zumindest. Schon die Black Metal-verbundenen Ånd, aus dessen Mitgliedern neànder (obacht, kleingeschrieben) zu ¾ besteht, schlugen in diese Kerbe. Was aber nun sagt mir neánder?
Ich gehe meines Wissens zunächst mal von dem nach dem Mathematiker Michael Neander benannten Einschlagkrater im Osten der Mondvorderseite aus. Denn um einen Einschlagkrater handelt es sich mit diesem Werk des Berliner Quartetts sicherlich. Musikalisch wie medial.
So schrieben jedenfalls schon eine Reihe geschätzter Kollegen etwas zu dieser Platte, zu der ich nun gar nicht mehr allzu viel hinzuzufügen hätte. Musikalisch haben wir es mit einem schonungslosen Bastard aus Doom, Sludge, progressivem Metal im weitesten Sinne, Blackgaze, Stoner, Postrock, Post-Metal und Ambient zu tun. Ganz schön viel Holz für gerade mal fünf Tracks.
Da wir es aber nun mal mit experimentaler Musik zu tun haben, bieten die vermeintlich wenigen Titel doch recht viel Spielzeit, in der die verschiedenen Facetten der Kapelle zur Entfaltung kommen können. Rhythmisch sicherlich sehr im Stonergefärbten Metal verhaftet, zeichnen sich neànder in meinen Ohren besonders durch die verfuzzten, teils verspielten, teils sehr mächtigen Rifflandschaften der Rhythmusgitarren, die mich unweigerlich an Russian Circles, The Ocean und Samsara Blues Experiment erinnern (müssen), aus.
Jedenfalls immer so lange, wie kein Postrock-ambientesques Zwischenspiel aus dem Playbook von This Will Destroy You die Atmosphäre von düster und bedrohlich zeitweilig auflockert („Aǎs“), um dann aber unweigerlich wieder vom nächsten Ohrwurmriff abgelöst zu werden. Der dann wiederum von den Nebelverhangenen, sonischen Bergketten, die an Alcest, pg.lost oder MONO erinnern, abgelöst wird. All in a Song. Musste auch erstmal unterbringen.
Doch auch der ein oder andere Blackgazige Grind-Moment („Thũjen“) bleibt nicht aus, unmittelbar gefolgt jedoch von Akustikgitarre begleiteten Ruhemomenten, nur um dann wieder in riffigere Gefilde abzudriften. Übrig bleibt der Spagat zwischen wohligen Klangatmosphären und bedrückender, hauptsächlich harmonisch evozierter Unbehaglichkeit, bis zum Ende dann doch tatsächlich die Thin Lizzy’sche Terz-Gitarre ganz kurz auf ein vermeintlich traditionelles, musikalisches Vermächtnis, das auch noch irgendwo zwischen all den Riffs, Teppichen, Schlagzeugeinschlagkratern und Klanggewittern verborgen scheint, hinweist („Møder“).
neànders Debüt ist vor allen Dingen eins: Eine musikalische Reise, die ich in den letzten Tagen des Öfteren gerne mitgegangen bin. Als Vertreter des Postrock-Lagers hätte ich mir ganz persönlich noch ausladendere Momente wie das hervorragend in Szene gesetzte Zwischenspiel „iimago“ gewünscht, vielleicht auf dem (hoffentlich schnell folgenden) nächsten Release?
01. Khàpra
02. Thũjen
03. Aǎs
04. iimago
05. Møder