Michael Schenker hat 2024 das Album „My Years With UFO“ veröffentlicht, auf dem er mit befreundeten namhaften Musikern Songs seiner Phase bei der britischen Rock-Legende zum Besten gibt. Die Scheibe ist sehr gut geraten und zeigt, dass Schenker noch immer musikalisch was zu bieten hat. Als er bekannt gab mit den UFO-Songs im Gepäck auf Tour gehen zu wollen, war das für uns ein Pflichttermin. Nicht nur uns scheint das Programm zu locken. Viele Konzerte auf der Tour sind schon lange ausverkauft, so auch heute im Spectrum.
Warum es dann jedoch gleich zwei Vorbands braucht, ist mir ein Rätsel. Die erste Band, Guts, klingt stark nach AC/DC und hat sich viele Elemente ihrer Bühnenshow von den Australiern abgeschaut. Das fängt an bei den zwei Gitarren, dem ruppigen Gesang, und einem Gitarristen, der wie ein Derwisch über die Bühne fegt. AC/DC-Riffs werden dabei reihenweise teilweise sogar recht dreist geklaut und von der Abfolge lediglich leicht abgewandelt. Trotzdem klingen Songs wie „Problem Child“ oder „Dirty Deeds Done Dirt Cheap“ klar durch. Der Sound kommt beim Publikum sehr gut an, die Band bekommt mehr als nur Höflichkeitsapplaus.
Die schwäbischen Human Zoo aus Balingen liefern Hardrock mit bekannten Mustern. Sänger Thomas Seeburger singt sehr gut und nimmt dabei viel Kontakt zum Publikum auf. Eine gewisse Ähnlichkeit zu Ronnie Atkins ist dabei sicher nicht von Nachteil. Die Nummern klingen gut, allerdings fehlt mir ein bisschen die Ohrwurm-Dichte. Handwerklich sehr gut gemacht und musikalisch astrein bieten die Jungs ein solides Set, das beim Publikum gut ankommt – allerdings nicht für Begeisterung sorgt. Ein Song nimmt vollkommen das Tempo raus und wirkt auch etwas langatmig. Saxofonist Boris Matakovic bringt mit seinen Solos Farbtupfer in den Klangteppich, was jedoch auch nicht bei jedem Lied sein müsste. Insgesamt ein guter Auftritt, das Songmaterial haut mich jetzt aber nicht vom Hocker.
Danach wird es spannend. Alle warten auf Michael Schenker mit seiner Band. Ich habe bis kurz vor dem Konzert nicht gewusst, wer auf der Tour singt. Auf seiner Homepage hat er dann verkündet, dass er den ehemaligen H.E.A.T– und Skid-Row-Sänger Eric Grönwall dabeihat! Das war für mich die eigentliche Überraschung, denn Grönwall hatte seinige vorige Station Skid Row wegen des ausgiebigen Tourens aus gesundheitlichen Gründen verlassen.
Schenker kommt auf die Bühne und die Fans im Spectrum flippen komplett aus. Bei hervorragendem Sound legt die Truppe mit „Natural Thing“ los. Bereits hier ist das Publikum innerhalb kürzester Zeit auf Betriebstemperatur, was bis zum Schluss so bleibt. Wir haben einen Platz direkt vor Schenker und so den besten Blick auf seine Solos und wahnwitzigen Gitarrenläufe. Schenker ist mit einer schweren Bärenmütze und einem Schal bekleidet, was bei dieser Affenhitze sicher nicht gerade zweckdienlich ist. Er sieht fit aus, wirkt konzentriert und spielfreudig ohne Ende. Das trifft auch auf seine Band zu, die als Einheit auftritt und merklich Spaß hat. Er spielt heute wieder Gibson Flying Vs, von seinen Dean-Gitarren scheint er sich verabschiedet zu haben.
Grönwall singt hervorragend und hat das Publikum im Nu im Griff. Gleich als zweiter Song wird „Only You Can Rock Me“ ins Publikum geschmettert, was für Begeisterungsstürme sorgt. Das Solo gehört für mich mit zum Besten, was im Hardrock-Bereich je dargeboten wurde. Eins von Schenkers besten Solos ist es sowieso.
Schenker spielt nicht einfach das legendäre UFO-Livealbum „Strangers In The Night“ runter, sondern konzentriert sich auf die Stücke, die er bei UFO geschrieben hat. So fällt eines meiner Favoriten, „Out In The Street“, leider raus. Auf der anderen Seite kommen Brecher wie „Hot N Ready“ oder Perlen wie „Can You Roll Her“ und „Reasons Love“ zum Zuge, die auch von UFO nicht so häufig live gespielt wurden. Bei „Doctor Doctor“ heißt es Rocken bis der Notarzt kommt. Hier gleicht das Spectrum einem Hexenkessel, Zeremonienmeister Schenker zeigt der Masse, wo der Bartel den Most holt. Schenker agiert mit einer Lässigkeit und Leichtigkeit, die ansteckt und einfach nur gute Laune verbreitet.
Die Riffgranate „Mother Mary“ und das fabelhafte „I’m A Loser“ zeigen einmal mehr die kompositorische Genialität der Herren Schenker, Phil Mogg und Pete Way auf, die einen Großteil der UFO-Hits zusammen komponiert haben. Das Solo von „I’m A Loser“ ist bereits alleine das Eintrittsgeld wert. „This Kids“ gerät zur Jam-Orgie, bei dem sich Keyboarder und Gitarrist Steve Mann und Schenker um die Wette duellieren. Grönwall ist ein Gewinn für die Michael Schenker Group. Er singt grandios, nimmt viel Kontakt zum Publikum auf und zelebriert die Songs regelrecht. Außerdem bereichert er den Sound mit seiner Akustikgitarre, die er hin und wieder auspackt. Gerade bei der bockstarken Ballade „Love To Love“ klingt das phantastisch und Schenker wird so entlastet. Gute Idee!
Bei „Lights Out“ bollert die Rhythmustruppe um den wuchtigen Schlagzeuger Bodo Schopf und das sympathische Bass-Urvieh Barend Courbois so mächtig nach vorne, dass man sich zumindest anschnallen sollte. Schopf wurde hinter einer Glaswand postiert, weil der Sound sonst vermutlich zu laut wäre. Eine weise Entscheidung! Courbois war für mich bis vor kurzem noch ein gänzlich unbekannter. Wenn man jedoch auf seiner Homepage schaut, mit wem der Holländer schon alles Musik gemacht hat, entdeckt man viele prominente Namen wie Zakk Wylde, Gary Barden, Blind Guardian, Vengeance oder Walter Trout. Überhaupt legt die Truppe, bei der einige der Musiker um die 70 Jahre alt sind, ein sehr hohes Tempo vor. Es wird Song um Song präsentiert wie bei einem Punk-Konzert. Ansagen, Solos oder Pausen gibt es nicht.
Mit dem umjubelten „Rock Bottom“ kommt Schenkers Parade- und Meisterstück. Grönwalls Gesang veredelt diese Perle natürlich. Ohne seine bestens eingespielte Band wäre das natürlich auch nicht möglich. Wie Steve Mann ihn bei dem Solo mit seinem Keyboard begleitet, ist schon ganz großes Kino. Das Spectrum steht Kopf und Schenker feuert pausenlos aus allen Rohren. Danach wird es zweimal noch fast gemütlich. Mit den beiden Rock’n’Roll-lastigen Klassikern „Shoot Shoot“ und dem textlich recht originellen „Too Hot To Handle“ lässt die Band so richtig die Sau raus und das ausgepumpte Publikum macht mit.
Danach ist Schluss, die Musiker um das „German Wunderkind“ Michael Schenker bekommen tosenden Applaus. Ich bin mir sicher, schon jetzt das Konzert des Jahres gesehen zu haben. Besser kann man sowas eigentlich nicht mehr machen. Am Merchandise-Stand decken sich noch etliche ein, was bei 35 Euro für ein Shirt in Ordnung geht. Mir gefällt es, dass Schenker immer noch auf seine UFO-Vergangenheit Wert legt und trotz aller Querelen, die er mit dieser Band zweifellos hatte, weiterhin diese legendären Stücke spielt. UFO sind leider Geschichte – mit Schenker lebt diese noch ein bisschen weiter und das ist gut so.
Setlist:
1. Natural Thing
2. Only You Can Rock Me
3. Hot ‘n’ Ready
4. Doctor Doctor
5. Mother Mary
6. I’m A Loser
7. This Kid’s
8. Lights Out
9. Lipstick Traces / Between the Walls / Belladonna
10. Love to Love
11. Let It Roll
12. Can You Roll Her
13. Reasons Love
14. Rock Bottom
15. Shoot Shoot
16. Too Hot to Handle