Living Colour

Living Colour – Stain (Epic Records, 03.03.1993)

Vor kurzem überraschte die New Yorker Band Living Colour nach (so scheint es aus der Ferne zumindest) einigen Jahren des Dahindümpelns mit ihrem quasi Comeback „Shade“. Eine gute Gelegenheit mal eines ihre alten Werke in unserer „Handwritten Classics“-Reihe zu würdigen.

Zum ersten Mal begegnete mir das Quartett auf MTV mit ihrem damals aktuellen Videoclip zu „Leave It Alone“. Sowas hatte ich als Pubertierender noch nie gehört. Knackiger Hardrock, latent aggressiv und doch geschmeidig, groovig mit dezenter Funknote und ja, das war damals wirklich außergewöhnlich: gespielt von vier Schwarzen. Für jemanden dem sonst testosterongeschwängerte weiße Gockel als Hardrocker bekannt waren, war das doch etwas speziell. Und irgendwie speziell ist die Truppe auch heute noch. Allerdings weniger wegen ihrer Hautfarbe, sondern primär wegen ihrer Musik. Living Colour kombinieren stets mit Leichtigkeit vermeintlich weißen Hardrock mit ruppigem Metal sowie „schwarzen“ Stilistiken wie Funk, Soul, Blues und auch etwas Hip-Hop. Irgendwann nannte man das auch Crossover oder Funk Metal. Und hier zählt die Band durchaus zu den Pionieren des Ganzen.

 

 

Gegründet wurde Living Colour Mitte der 80er. 1988 veröffentlichten sie ihr bahnbrechendes, von Mick Jagger produziertes Debüt, welches den Hit „Cult Of Personality“ abwarf und ein buntes und faszinierendes Sammelsurium an Songs enthielt. Das zwei Jahre später folgende „Time’s Up“ legte noch eine Schippe drauf und war noch abwechslungsreicher. Die Zeiten wurden härter und so auch die Musik. Und damit wären wir im Jahre 1993, mitten im Zeitalter des Alternative Rocks, und dem dritten Album „Stain“.

Dieses war dann auch eher fleckig als bunt, wie vorher. Das Image wurde zunehmend dunkler und die Musik ruppiger. Die Frische vergangener Tage wich einer neuen Ernsthaftigkeit, selbst wenn ältere Songs auch schon recht (sozial-)kritisch waren. Jetzt machte es sich verstärkt im Sound bemerkbar. Das ruppige „Go Away“ bläst einen erstmal ordentlich weg. Die Nummer ist schon fast brutal, die Band spielt kräftig auf und Sänger Corey Glover, der sonst mit einer warmen, souligen Stimme überzeugt, hält ordentlich dagegen. Später legt die Band mit „This Little Pig“ – schon fast Thrash Metal – sogar noch eine Schippe drauf.

Der Rest, bis auf das auf- und abschwingende „Mind Your Own Business“, klingt allerdings leichter zugänglich. Überwiegend Midtemposongs, die überraschend eingängig daher kommen. „Ignorance Is Bliss“ ist ein gutes Beispiel wie lässige Grooves und die neu hinzugewonnene Härte zusammen passen können. Die Highlights sind allerdings die vier als Single ausgekoppelten Nummern „Bi“, „Leave It Alone“, „Ausländer“ und „Nothingness“. Vier komplett unterschiedliche Songs, die das Album bestens repräsentieren.

 

 

Während das Grammy-nominierte „Leave It Alone“ für die zugängliche Hardrock-Seite steht, gibt sich das witzige „Bi“ lässig schlendernd und „Ausländer“ äußerst aggressiv, hart und maschinell. Hier toben sich die drei Instrumentalisten ordentlich aus. Einen Kontrast bildet das balladeske „Nothingness“, das mit seiner ätherischen Atmosphäre gefällt. Was alle Songs gemein haben, ist die große Musikalität der drei Instrumentalisten, die zwar einfallsreich agieren, ihr Können aber stets in den Fokus des Songs stellen. Etwas, das bei den Platten der Reunion 2003 leider nicht immer so gut gelang. Und da wäre natürlich auch noch der charismatische Gesang Glovers. Seine Stimme verleiht den Songs neben dem Gitarrenspiel von Vernon Reid das besondere Etwas.

Am Ende ist „Stain“ das homogenste Album von Living Colour. In der Gunst der Fans steht es seinen beiden Vorgängern vielleicht etwas nach, was aber nicht bedeutet, dass es schlechter wäre. Es ist eben nur ein wenig anders. Und es ist erstaunlich gut gealtert, was für die Zeitlosigkeit des Stoffs spricht.

Bitte Wiederentdecken!

 


Trackliste:

1. Go Away
2. Ignorance Is Bliss
3. Leave It Alone
4. Bi
5. Mind Your Own Business
6. Ausländer
7. Never Satisfied
8. Nothingness
9. Postman
10. WTFF
11. This Little Pig
12. Hemp
13. Wall
14. T.V. News
15. Love Rears Its Ugly Head (Live)