Kowloon Walled City

Kowloon Walled City – Grievances (Neurot Recordings, 09.10.2015

„Grievances“, das dritte Album der Kalifornier Kowloon Walled City (benannt nach einer ehemaligen Hong Konger Siedlung), hat mich überrascht. Eigentlich dachte ich deftigen Sludge Metal zu hören bekommen, wenn man mir mal wieder eine CD des Labels Neurot Recordings auf den Tisch legt. Aber nein, was mir zuerst entgegen schallte, waren zaghafte Gitarrenakkorde und fast gesprochene Vocals, die mich mit Schrecken an die Visions-Hype-Band La Dispute denken ließ.

Aber nein, in Kowloon Walled City steckt viel mehr! Man muss es allerdings erst ergründen. Denn „Grievances“ ist kein einfach zu konsumierendes Album. Der Sound wirkt wie lyrisch behafteter Postrock mit leidenschaftlichem Sprechgesang, einer starken Rhythmusgruppe und fein eingeflochtenen Gitarren mit sportlichem Ansatz, aber ohne Angeberpotenzial. Die Hardcore-Wurzeln der Band schimmern dabei immer wieder durch, bannen sich aber nicht ganz den Weg bis an die Oberfläche. Ebenso die Einflüsse von Noiserock-Bands der Marke Unsane oder die alten Melvins.

Die seltsame, schon fast experimentelle Richtung fasziniert allerdings und man versteht, warum die Neurosis-Macher hier bei der Veröffentlichung zugeschlagen haben. Denn teilweise klingt das was Kowloon Walled City hier stimmungstechnisch veranstalten wie die Oakland-Legenden mit anderen Mitteln und frei von jedweder Stil- und Schubladenbegrenzung.

Grundlage ist stets ein interessanter Gitarrenteppich – mal hart dann wieder zaghaft und zerbrechlich -, dazu ein knarzendes Rhythmusgerüst und die emotionale Stimme, die ein ziemlich beklemmendes Gefühl erzeugt. Glücklicherweise sind die frustrierten Worte im Booklet abgedruckt, um sie noch besser nachvollziehen zu können. Trotz ihrer langsamen, zurückhaltenden Art stecken die Songs voller Energie und Kraft. Nur selten bricht diese direkt heraus, wie beim schweren „The Grift“, das tatsächlich eine derbe Sludge-Schlagseite aufweist.

Ist das nun „Thinking Man’s Music“? Wurscht. Auf jeden Fall etwas das nicht mit der Tür ins Haus fällt. Kathartische Musik ohne dicke Eier, dafür mit großem Herz.

Kowloon Walled City - Grievances

Trackliste:
1. Your Best Years
2. Grievances
3. Backlit
4. The Grift
5. White Walls
6. True Believer
7. Daughters and Sons

4.2