Kochkraft durch KMA – Jetzt erst recht

Vor ihrem Konzert im Nürnberger Z-Bau haben wir Kochkraft durch KMA zum Interview getroffen, um mit ihnen darüber zu sprechen, warum eine Band fast schon eine Trotzreaktion auf die aktuellen Entwicklungen der Musikindustrie ist, wieso sie als politische Wesen durch die Welt laufen oder wie viel Perfektionismus eine Band verträgt. Sie haben uns aber auch erzählt warum eine Setlist auch eine Ohrfeige fürs Publikum sein kann.

Ihr habt aus eurem Videodreh für „Bon Jovi“ gleich ein Fan-Event gemacht. Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Lana: „Ich glaube das war gar nicht so bewusst, dass es ein Fan Event werden würde. Wir brauchten einfach Leute, sonst hätte das Video nicht funktioniert. Mit 20 Leuten hätte es echt super komisch ausgesehen. Das hat sich so ergeben, aber die Connection mit den Leuten ist uns generell auch wirklich wichtig. Das ist kein es muss jetzt ein Fan-Event sein, damit wir die Connection haben, sondern die Connection ist auf den Konzerten ja allgegenwärtig – da spreche ich für uns alle – das ist einfach das Allerwichtigste, dass man merkt, da passiert was. Es war nicht so geplant, aber als es dann am Ende so geworden ist, war das total geil.“

Sebastian: „Ich glaube, es war dann eher wichtig, den Leuten auch was zu bieten und nicht so: Hey, kommt her, wir drehen ein Video und dann könnt ihr wieder abhauen. Wir wollten den Leuten auch etwas zurückgeben und ihnen einen schönen Tag bereiten.“

Wie seht ihr denn mittlerweile das Konstrukt Band?

Nicki: „Gerade erst vor zwei Wochen, da gab es eine neue Studie darüber, dass Major Labels nur noch Solokünstler*innen signen, weil es viel einfacher ist. Mein erster Gedanke daraufhin war: Jetzt erst recht nur noch Band. Einfach aus der Utopie heraus zu sagen, jetzt machen wir es erst recht gemeinsam.“

Lana: „Weil der Weg alleine – den finde ich trauriger. Ich möchte nicht alleine auf einer Bühne stehen.“

Nicki: „Wenn man eine tolle Show hat und man macht es gemeinsam, ist es so viel mehr wert, als wenn ich es alleine machen müsste. Auch wenn man eine schlechte Show hat und man es zu viert teilen kann, oder auch mit unserer Crew, die dann kommt und sagt, oh Gott, was war das heute? Frei nach dem Motto: Geteiltes Leid ist halbes Leid. Ich hatte wirklich diesen Moment, wo ich gedacht habe jetzt echt nur noch in einer Band – gerade weil es sich nicht lohnt, gerade weil es kompliziert ist, gerade weil man sich sehr streiten kann und gerade weil man den ganzen Tag irgendwelche Probleme gemeinsam lösen muss. Jetzt erst recht. Ich glaube es ist dann auch für das Publikum interessanter, weil es Leute gibt, die sich total für Gitarren interessieren, aber auch Leute, die mehr auf die Frontperson gucken.“

Welche Chancen seht ihr darin, verschiedene Stile zu kombinieren?

Lana: „Das ist die Chance. Du hast sie gerade benannt. Das haben wir vorhin im Auto erst so gesagt: Du kannst damit irgendwie 80000 verschiedene Sachen machen.“

Nicki: „Ein Konzert kann sowohl eine Punkshow, als auch ein Rave sein, das ist die große Chance die wir haben.“

Ihr habt ja auch immer sehr kritische Texte. Inwieweit empfindet ihr Musik auch als Werkzeug, um auf soziale Missstände aufmerksam zu machen?

Lana: „Es ist auf jeden Fall ein Werkzeug dafür. Es gibt eine Menge Menschen, die nicht auf das hören, was gesagt wird, die es vielleicht gar nicht mitbekommen, aber die Leute, die sich ein bisschen Zeit nehmen und genauer hinhören, die können dadurch die Message mitbekommen, die wir zu sagen haben. Es kann aber auch ein Werkzeug für Quatsch sein. Aber letztlich ist es ein sehr wichtiges und gutes Werkzeug – und das Werkzeug unserer Wahl.“

Nicki: „Wir machen jedoch keine Band, weil wir eigentlich Politiker*innen sein wollen. Das sind die Themen, die uns beschäftigen und die aus uns heraus kommen.“

Verstehe ich. Aber würde das für euch auch ohne explizite Aussagen funktionieren?

Sebastian: „Das ist songabhängig. Wir lassen einfach alles zu was irgendwie passiert. Wenn bei einem Song das Instrumental ein bisschen alberner ist, kann der Text das auch sein. Die bunte Mischung aus Nonsens und politischen Statements.“

Lana: „Wir sind auch einfach politische Wesen. Wir sind auch einfach politische Wesen. Es ist krass, wenn jemand es schafft, von nichts tangiert zu werden. Aber wir bewegen uns einfach auch in einem in einem Umfeld, wo über solche Dinge gesprochen wird, und es wäre komisch, wenn uns das alles am Arsch vorbeigehen würde. Deshalb fließt das auch in die Texte ein. Wobei wir auch Texte haben, da haben wir das gar nicht drin. Andererseits gibt es Texte, da haben wir es drin, aber keiner checkt es. Das gibt es auch.“

Macht ihr euch Gedanken darüber, wie so eine Message ankommt?

Lana: „Im Sinne von wir haben Texte mit Gedanken, die wir transportieren wollen, weil es uns beschäftigt. Das wollen wir in einen Song übersetzen, das ist aber etwas ganz Natürliches bei uns. Wir überlegen nicht, oh, ich habe hier diese Message, die möchte ich jetzt gerne von A nach B bringen. Wenn man anfängt zu sehr darüber nachzudenken, wäre es nicht mehr authentisch und würde für uns nicht funktionieren.“

Euer Song „Ehrlich“ wurde ja ziemlich bejubelt. Hat man da beim Schreiben schon ein Gefühl dafür?

Lana: „Das kann man vorher nie wirklich sagen.“

Nicki: „Nee – oft auch nichtmal im Nachhinein. Jeder von uns hat auch seine eigenen Favoriten.“

Ihr seid ja ziemliche Soundbastler. Wie findet ihr eine Schlusspunkt?

Nicki: „Wenn es perfekt ist. Das dauert lange und ist schon pain für alle“.

Lana: „Es kann auch sein, dass man eine Woche später feststellt, das geht so nicht, da müssen wir noch mal ran.“

Nicki: „Aber wir sind schon Perfektionisten, wir machen uns einfach sehr viele Gedanken und ich glaube daran kann man nicht vorbeilügen. Es ist ein langwieriger und sehr genauer Prozess, wo es auch mal um Dezibelstellen geht.“

Es gibt ja ein ganz krasses Missverhältnis in der Kulturwahrnehmung zwischen Sub- und Hochkultur, auch bei den Förderungen. Wie empfindet ihr das?

Lana: „Das merken wir einerseits in den Gesprächen mit den Leuten. Auf der anderen Seite kriegen wir es auch selbst sehr stark mit. Wir müssen auch Anträge stellen, um unser Album finanzieren zu können, weil es sich ehrlich gesagt einfach nicht trägt. So ist das leider mit der Musik, da muss man sich andere Wege suchen und dafür gibt es so was wie die Initiative Musik und andere Töpfe. Wir haben jetzt in den letzten Jahren einiges ausprobiert, es hat alles nicht geklappt. Im Vergleich z.B. zu den Theatern, die lachen über diese Summen. Diese Diskrepanz ist auf jeden Fall spürbar. Aber natürlich auch, wenn man mit den kleinen Clubs spricht, über das Clubsterben oder dass sich Konzerte nicht mehr lohnen – das spüren wir.“

Nicki: „Für uns ist völlig klar, dass wir hier kein Geld verdienen. Gerade weil ich auch viel in Hochkulturprojekten gearbeitet habe, und weiß, wie Geld fließen kann und was das mit der eigenen Motivation macht, bleibe ich bei dem jetzt erst recht. Mir gibt das eine wahnsinnige Freiheit, nicht von einer Förderung abhängig zu sein, und es nur aus eigenem Interesse zu machen. Wir müssen niemandem Rechenschaft ablegen und haben es glücklicherweise alle hingekriegt, dass wir unsere Miete durch andere Sachen bezahlen können.“

Das befreit ja auch.

Nicki: „Total!“

Für euren Song „Wer soll ich heute für dich sein?“ habt ihr eine Collab mit The Toten Crackhuren Im Kofferraum. Hattet ihr da gleich eine Wunschkandidatin?

Lana: „Also das Instrumental war fertig. Dann gab es die Überlegung, dass das total passen könnte. Wir haben den Song Lulu (Anm. d. Red.: Sängerin der Toten Crackhuren im Kofferraum) geschickt und sie hat innerhalb kürzester Zeit den Text geschrieben, der uns aus den Socken gehauen hat. Das hat einfach unglaublich gut gepasst. Das klingt fast so, als wäre es mit dieser Intention entstanden, aber es war reiner Zufall.“

Wie entwickelt ihr eure Setlists, wie viel neues Material fließt da ein?

Lana: „Wir könnten noch nicht das ganze Album am Stück live spielen. Das hat vor allem technische Gründe, wir haben ja schon erwähnt, dass wir sehr perfektionistisch sind. Wir basteln auch sehr viel und schrauben an den Sounds, damit es auch wirklich so klingt wie auf dem Album. Das bedeutet aber auch, dass man lernen muss, mit drei Händen gleichzeitig zu spielen, obwohl man nur zwei hat. Das kann stundenlanges Tüfteln bedeuten. Da bin ich immer fein raus, weil ich am wenigsten zu tun habe, die anderen leiden mehr. Aber wir passen unsere Setlist immer an, jetzt mit dem neuen Album kommen mehr von den neuen Songs rein. Mit einer Setlist erzählt man ja auch eine Geschichte“.

Allein das klingt schon so schön!

Lana: „Genau das wollen wir. Es muss einen Anfang haben, es muss sich aufeinander aufbauen, und eine Geschichte erzählen. Es bringt auch nichts wenn du ständig nur hoch und runter düst, weil das ist dann wie Ohrfeigen kriegen als Publikum und du kannst dich auf gar nichts konzentrieren.“

Wenn ihr die Setlist von Konzert zu Konzert abändert, spürt ihr dann die Veränderung?

Lana: „Man merkt schnell, wenn Dinge funktionieren und was man hingegen anders machen muss.“

Sebastian: „Auf jeden Fall sprechen wir sehr viel darüber und analysieren das – wahrscheinlich mehr als man sollte.“

Nicki: „Wir machen tatsächlich auch immer eine Setlist-Besprechung vor jedem Konzert und gehen das durch. Es ist ja die Dramaturgie des Abends. Im Theater ist dafür eine ganze Person angestellt, die sich nur darüber Gedanken macht.“

Fotocredit: Sebastian Madej

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