K.I.Z. – Hurra die Welt geht unter (Vertigo / Universal Music, 10.07.2015)

„Hurra die Welt geht unter“

Endlich, die neue K.I.Z.! Das erste Album seit tatsächlich vier Jahren, unterbrochen durch das „Ganz oben“ Mixtape und promotet durch grandiose Aktionen wie das „Kannibalenlied“.

K.I.Z., die Ärzte des Rap. In den Texten der vier Berliner finden sich Wortwitz, Größenwahn (gut im Opener „Wir“ zu erkennen) und schmissige Flows, Beats und Melodien.
Vor allem aber treten K.I.Z. in den Vordergrund, wenn sie etwas kritisieren wollen. Dies tun sie aber auch nur dann, wenn sie was zu sagen haben und auf diesem Album haben sie eine Menge zu sagen.
Allen voran muss „Boom, Boom, Boom“ erwähnt werden. Ein Text, der uns alle was angeht und der klar Stellung gegen „Besorgte Bürger“ und sonstigen patriotischen Idioten, Nazis und Presse a la Bild beschäftigt, aber auch unseren eigenen Medienkonsum kritisiert. Für mich eine der Hits.
Tatsächlich kann man hier ein wenig von einem Konzeptalbum sprechen. „Hurra die Welt geht unter“, das Ende als Neuanfang, so begreifen die Künstler in Zwangsjacken die aktuelle Lage des Tagesgeschehens.

Eine der Paradedisziplinen K.I.Z.s waren schon immer detailliert gruselige Tracks, bei denen man aufgrund der Genauigkeit eine Gänsehaut bekommt („Ariane“, „Käfigbett“[inkl. Rammsteinmäßiges Fanfaren-Intro], „Verrückt nach dir“). Ungewohnt offen setzt sich Tarek bei „Freier Fall“ mit dem Thema Liebeskummer auseinander.

Auffällig ist auch die Songlänge, bis auf „Geld“ dauert jeder Song länger als vier Minuten. Keine bekloppten Skits oder sonstige Spaßtracks. Dieses Album besticht zum Großteil durch seine Ernsthaftigkeit. Ironie, Sarkasmus und Zynismus sind zwar noch vertreten, aber nicht mehr in der Häufigkeit wie zuletzt bei der „Urlaub fürs Gehirn“.
Dennoch ist meiner Ansicht nach hier die höchste Hitdichte seit „Hahnenkampf“ vertreten. Mein absoluter Lieblingssong ist „Was würde Manny Marc tun?“ zu Atzen-Beats wird sich hier mit alkoholkranken Vätern, Rassismus und Inzest auseinandergesetzt.
Beachtlich auch, wer alles an der Produktion beteiligt war. Erwähnenswert sind Gee Futuristic (Nicki Minaj, SSIO, Trailerpark), Moses Schneider (Beatsteaks, Tocotronic, Olli Schulz) und Steve Hackett (Genesis).
Und so klingen die Songs auch. Anspruchsvolle Beats, dichte Produktionen, abwechslungsreiche Melodien.

Enden tut das Album mit dem titelgebenden Song „Hurra die Welt geht unter“, in der die Reibeisenstimme von Henning May (AnnenMayKantereit) diese fünf Wörter herausruft, man aber das Gefühl hat, „lass sie untergehen, ich freue mich“. Ein wunderbarer Schlusspunkt für ein überragendes Album.

K.I.Z. vollziehen einen (leichten) Kurswechsel. Der Humor tritt ein wenig in den Hintergrund, die Ernsthaftigkeit tritt nach vorne.
Trotzdem ist die Doppeldeutigkeit nicht verloren gegangen, doch wo heute jeder Künstler durch Zweideutigkeiten provoziert, wird hier zum nachdenken angeregt, so wie es z.B. Kollegah in guten Momenten schafft. Jedoch wird hier nicht schwarz gemalt. Sie halten den Spiegel hoch und reiben den Wahrheitsfinger in die Wunde der Oberflächlichkeiten und allen anderen Dingen, vor denen man gerne mal die Augen verschließt.

Eine Patentlösung um die Probleme zu verbessern haben sie nicht. Brauchen sie aber auch nicht, es reicht einfach mal aufzuzeigen was falsch läuft, sei es bei uns selbst, gesellschaftlicher Zwänge oder die klassische Geldgeilheit.
Wie schon im großartigen Promovideo zum „Kannibalenlied“ (Übrigens nicht auf dem Album) gesagt: „Kannibalen in Zivil; Aufrecht, weise, stabil; Klosterschüler im Zölibat; Hater, da habt ihr den Salat!“

Den haben wir und wenn die Welt untergeht, läuft im iPod „Hurra die Welt geht unter“.

 

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Tracklist:
01. Wir
02. Geld
03. Glücklich und satt
04. Boom Boom Boom
05. AMG Mercedes
06. Freier Fall
07. Ariane
08. Käfigbett
09. Verrückt nach dir
10. Ehrenlos
11. Superstars feat. Sefo
12. Was würde Manny Marc tun? (feat. Audio88, Yassin & Manny Marc)
13. Hurra die Welt geht unter (feat. Henning May)

K.I.Z. – BANDPAGE

4.5