Jess and the Ancient Ones – Second Psychedelic Coming: The Aquarius Tapes (Svart Records, 11.12.2015)

Als der große Retro-Boom mit Sängerin vor drei Jahren so richtig in Fahrt kam, waren Jess and the Ancient Ones mit ihrem selbst betitelten Debüt zur Stelle. Trotz dezent okkulter Ausstrahlung standen die Finnen mit ihren mehrstimmigen Gitarrensounds deutlich näher an Classic Rock und Metal als ihre Kollegen. Das war wirklich Magie im Spiel. Denn das Ding war klasse!

Trotz einer EP, einer 10“-Single und einer Veröffentlichung als The Exploding Eyes Orchestra, bei der man es etwas lockerer angehen ließ, wartete man sehnsüchtig auf einen Nachfolger. Das hat nun ein Ende, denn er ist da. Der Albumtitel „Second Psychedelic Coming: The Aquarius Tapes“ zeigt schon: es wird psychedelischer und man möchte tiefer ins Hippie-Zeitalter abtauchen.

Hier treffen nun also der Swing von The Fifth Dimension auf die bunte LSD-Welt von The Jefferson Airplane sowie der Spielwitz eine Prog-Kapelle wie Gentle Giant auf den bedächtigen Rausch von Pink Floyd. Die Band zeigt dadurch spürbar gereift und selbstbewusster. Vor allem Sängerin Jess geht sehr oft regelrecht aus sich hieraus und reißt das kratzbürstige Geschehen nicht selten an sich. Klar, man merkt schon, der Sound ist nach wie vor fett auf Retro gebürstet. Aber die spielfreudige Band schert sich einen Kehricht um fuzzige Pseudocoolness mit vorgespielter Authentizität, was sich durchaus etwas von der Konkurrenz unterscheidet, deren Anzahl derzeit Legion ist.

Die Stimmung des Albums ist toll. Leicht mysteriös, aber stets ausgelassen. Sprachsample-Fetzen und kirmesartige Orgelteppiche schleichen sich durch die kratzigen Gitarrensounds und immer wieder wird man von eingängigen Melodien überfallen. Wo sonst relativ geradlinige Songs das Bild bestimmen, beweist die Gruppe ganz am Ende mit dem 22-minütigen „Goodbye to Virgin Grounds Forever“, dass sie auch Prog kann. Ein Wechselbad der Gefühle voller Dramatik. Spätestens hier dürfte einem bewusst geworden sein, dass man ein gutes Album gehört hat. Allerdings eines, das seine Qualität nicht gerade beim ersten Hördurchlauf offenbart, wie es damals beim Debüt noch war.

Dessen Strahlkraft erreichen die „Aquarius Tapes“ auch nicht ganz. Trotzdem ist die über einstündige Platte alles andere als eine Enttäuschung. Denn im Gegensatz zu manch anderer Retrokapelle haben Jess and the Ancient Ones durchaus etwas zu sagen.

Jess and the Ancient Ones - Second Psychedelic Coming The Aquarius Tapes

Trackliste:
1. Samhain
2. The Flying Man
3. In Levitating Secret Dreams
4. The Equinox Death Trip
5. Wolves Inside My Head
6. Crossroad Lightning
7. The Lovers
8. Goetia of Love
9. Goodbye To Virgin Grounds Forever

4.3