Interview mit den Irish-Folkrockern Tir Nan Og zum neuen Album

Über die Jahre hinweg haben sich Tir Nan Og aus dem tiefsten Oberbayern zu einer echten Instanz in Sachen keltischer Folkmusik mit Rockcharme hochgearbeitet. Nicht ganz unpassend hat man ihnen den Titel „die bayerischen Iren“ verpasst, klingt das Sextett doch so authentisch nach der grünen Insel, wie nur wenige Gruppen sonst. Kein Wunder, die eigene Klasse wurde anfangs mit der Interpretation bekannter Folksongs geschliffen, bevor man sich daran machte eine eigene Identität mit selbst geschriebenen Liedern zu finden, bei denen man sich nicht zu schade dafür ist, auch Einflüsse aus Rock, Ragga und akustischem Punk mit einfließen zu lassen. „Sing, Ye Bastards!“ heißt ihr neues Album, welche nicht nur wilde Partylieder enthält, sondern auch Platz für nachdenkliche Töne lässt. Ein rundum gelungenes Paket. Wir haben Schlagzeuger/Perkussionist Volker Katzki vors Mikrofon gezerrt und ihn ein bisschen zur momentanen Situation im Lager von Tir Nan Og befragt.

 

 

Wenn ich mich richtig erinnere, habt ihr mehr oder weniger im Irish-Pub in Eichstätt gegründet. War das nur Mittel zum Zweck, um selbst dort auftreten zu können oder war es lang gehegter Traum irische Songs selbst zu spielen und auch selbst welche in der Richtung zu schreiben?

Nachdem ich kein Gründungsmitglied bin, kann ich das nicht aus erster Hand erzählen. Aber soweit ich die Geschichte kenne hat es schon auch was damit zu tun gehabt, dass das Pub eine Inspiration für die Gründung war. Anfangs war das Schreiben eigener Songs noch nicht auf dem Schirm, aber wenn einen die Kreativität überfällt kommt früher oder später immer eigenes Songmaterial dazu.

 

War es schwer in der oberbayerischen Provinz die richtigen Musiker dafür zu finden? Du selbst warst immerhin Teil eines Cover-Folktrios.

Ja, ich habe früher Percussion und Schlagzeug bei Sally Gap gespielt und wurde dann sozusagen von unserem Sänger und Gitarristen Robert Meyer abgeworben. Naja, sagen wir es so, aus beruflichen Gründen ging meine alte Band auseinander und da kam Roberts Suchanfrage nach einem Drummer im Gästebuch der Homepage meiner Band gerade richtig. Musiker kennen zu lernen, die Lust auf Folkrock haben, ist natürlich nicht so leicht. Aber man findet doch immer wieder die passenden Leute, auch in der Provinz, wenn man nur intensiv sucht. Es hilft auch, wenn man noch andere Hobbys hat, wo sich folkaffine Leute herumtreiben.

 

Wie kamt ihr eigentlich zu eurem Bandnamen, der sich auf das mystische „Land der ewigen Jugend“ bezieht? Eher eine blauäugige Idee oder ein tieferer Sinn?

Wenn ich mich richtig erinnere war das ein gälischer Begriff, den Robert kannte und weil der auch vom Sinn her gut gepasst hat wurde der dann angenommen. Wie bei vielen Bands gibt es da leider keine mystische Legende drumherum – sorry.

 

Bei euch ist immer wieder die Rede von einer „irischen Lebenseinstellung“ die Rede, die gerade in dieser Krisenzeit hilfreich war. Was zeichnet diese aus und was fasziniert euch so daran? Anscheinend muss sie ja besonders erfrischend sein, wenn ihr im Song „Green Pill“ die Verabreichung eine entsprechenden Arznei empfehlt.

Die Iren haben in ihrer Geschichte leider schon viel mitgemacht. Wir haben da ja zum Beispiel auch die große Hungersnot im 19. Jahrhundert in „Fear Gorta“ verarbeitet. Trotzdem haben sich die Iren nie unterkriegen lassen und schaffen es immer den Silberstreif am Horizont zu sehen. Deswegen mag ich auch die Musik von der Insel so gern. Die drückt dieses Lebensgefühl auch aus und ist wahrscheinlich auch deswegen so beliebt. Man muss sich nur die irischen Fußballfans anschauen, die unabhängig von dem Erfolg oder Misserfolg ihrer Mannschaft feiern und auch gern mal ein Ständchen für die anwesenden Polizisten anstimmen. Deswegen empfehlen wir die grüne Pille – zusammenhalten und das Beste draus machen.

 

Für „Sing, Ye Bastards!“ habt ihre eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne absolviert. Mittlerweile etwas ganz Normales, wie es scheint. Ist das heutzutage fast die einzige Möglichkeit Albumaufnahmen zu finanzieren? Wie waren eure Erfahrungen bisher damit? Ohne eine stattliche Anzahl an Fans ist das sicher nicht so einfach.

Wir sind in der glücklichen Lage, immer vernünftig gewirtschaftet zu haben, so dass die CD-Aufnahme auch ohne Crowdfunding nicht in Frage gestanden war. Das Crowdfunding hat uns in die Lage versetzt, sozusagen noch die Verzierung auf den Kuchen zu setzen. Wir konnten die Songtexte in ein mehrseitiges Booklet packen, ein tolles Video aufnehmen und zwei Songs von uns von befreundeten Bands mit auf die Scheibe packen. Alles Dinge, die unsere genialen Fans erst möglich gemacht haben. Vielen Dank an alle Unterstützer an dieser stelle nochmal. Wenn man sich mit dem Crowdfunding Mühe gibt, die Leute mitnimmt und eine gute Geschichte erzählt, muss die Zahl der Fans nicht so gewaltig sein. Hinzu kommt, dass ein Crowdfunding ja auch Werbemittel sein kann, um neue Fans zu gewinnen. Den Aufwand dafür darf man aber nicht unterschätzen.

 

 

Wenn Du die beiden Songs von befreundeten Bands schon erwähnst: Wie kam es eigentlich zu der Idee, jene Lieder von euch covern zu lassen? Neugier über das Ergebnis oder eine Art Cross-Marketing?

Sowohl als auch. Wir sind mit beiden Bands befreundet und schätzen deren Musik und waren natürlich neugierig was die aus unseren Songs machen. Wir haben extra keinerlei Vorgaben gegeben und komplett freie Hand bei der Auswahl und der Interpretation der Lieder gelassen. Es war also auch für uns sehr spannend zu hören, was am Ende dabei herauskam. Natürlich haben wir auch daran gedacht, dass die Bonustracks vielleicht auch für den ein- oder anderen noch ein zusätzlicher Anreiz sein könnte, die Scheibe zu kaufen. Das war aber nicht der Fokus.

 

2020 war für Musiker ein schweres Jahr. Nicht nur, dass Auftritt kaum bis unmöglichen waren, sondern auch das Arbeiten im Proberaum und Studioaufnahmen. Unter welchen Umständen entstand „Sing, Ye Bastards!“ und mit welchen Einschränkungen hattet ihr besonders zu kämpfen?

Ja, wir hatten uns eigentlich gefreut das neue Album entspannter anzugehen als den Vorgänger „From The Gallows“, wo wir viel Stress hatten, weil Andi (Fingas – Gesang, Whistles, Bagpipes, Akkordeon) und Sarah (Kucharek – Gesang, Flöte) ja erst kurz vor den Aufnahmen zu uns gestoßen waren. Nach einem gemeinsamen Konzertjahr waren wir gut zusammengewachsen und hatten Pläne geschmiedet in den Osterferien ins Studio zu gehen. Dann kam uns der erste Lockdown dazwischen und wir mussten alles umwerfen. Glücklicherweise haben wir es geschafft zu Pfingsten aufzunehmen und trotz aller Widrigkeiten „Sing, Ye Bastards!“ herauszubringen. Natürlich fehlt uns die Bühne und generell die gemeinsamen Proben. Immerhin haben wir gute Songs produziert, die endlich in die Welt getragen werden wollen.

 

Statt Livekonzerte gab es die letzten Monate vielerorts Streams im Internet, um zumindest ein bisschen Interaktivität und Leben für die Fans an den Tag zu legen. Auch ihr habt euch hier probiert. Wie waren eure Erfahrungen – Notlösung oder Zukunft?

Wir sind ja einen etwas anderen Weg gegangen als viele Bands und haben eher ein „Tir Nan Og-TV“ auf die Beine gestellt als Konzerte gestreamt. Wir haben festgestellt, dass wir leider nicht die finanziellen Ressourcen haben, um einen Konzert-Stream zu machen, der auch unseren Ansprüchen genügt. Auch wenn unsere Streams uns jetzt weniger Geld kosten, so geben wir uns doch Mühe möglichst gute Qualität abzuliefern und den Fans auch etwas zu bieten. Wenn wir wieder auf die Bühne dürfen, werden wir natürlich da unser Hauptaugenmerk darauflegen. Wir werden aber sicher nicht die Streams beenden, dafür hat auch das zu viel Spaß gemacht und wir haben zu viel hinein gesteckt, um das Projekt einfach sterben zu lassen. In welcher Frequenz wir weiter streamen können wir aber noch nicht sagen.

 

Mit eurem Engagement für Sea Watch rennt ihr bei uns offene Türen ein, nachdem eine paar Redakteure von uns mal die Konzertreihe „Wir sind lauter!“ ins Leben gerufen hatte, mit der bereits Spenden für SOS Mediterranée gespendet wurden. Hier die typische Henne-oder-Huhn-Frage: Was war zuerst, ein Song über das Thema oder das Engagement von Sea Watch, für welches dieser Song geschrieben wurde?

In dem Fall war erst der Song da. Die Entwicklung zum Video und dann zur Spendenaktion war mehr so eine logische Weiterführung des Songs. Sea Watch unterstützen wir, weil wir deren Arbeit bewundern und die uns auch sofort Videomaterial für das Musikvideo haben zukommen lassen.

 

Das Thema ist politisch (leider) heiß aufgeladen, die Reaktionen bisher aber überraschend großflächig positiv. Ihr habt also gute Fans! Hattet ihr nebenbei keine Angst, damit auch Groll auf euch zu ziehen, so nach dem Motto: „Jetzt müssen auch noch die politische Schiene einschlagen, ich will doch lieber Sauflieder!“ In Zukunft mehr in diese Richtung oder bleibt ihr zum großen Teil bei den Trinkliedern?

Sich in den Songs klarer zu positionieren, war eine natürliche Entwicklung für uns. Schon auf „From The Gallows“ gab es da nachdenklichere Töne zu hören. Wir haben einfach festgestellt, dass wir im Tourbus immer die schwierigen Themen diskutieren und warum sollten wir uns dann in unserer Musik und unseren Aussagen verstellen? Wir haben auch reichlich Spaß Trink- und Partylieder zu spielen, schreiben und spielen aber auch gern Songs über alle anderen Themen, die uns interessieren und bewegen. Wenn das jemandem nicht passt, ist das nicht unser Problem. Grundsätzlich bin ich auch hier wieder sehr stolz auf unsere Fans, die jede unserer Erwartungen bei der „Sea of Sorrow“-Spendenaktion bei weitem übertroffen haben.

 

 

In den doch schon einigen Jahren an Bandgeschichte habt ihr schon einiges erlebt – seien es tonnenweise Konzerte oder Besetzungswechsel. Was erscheint im Rückblick besonders erinnerungswürdig, bzw. was sind eure schönsten bzw. schlimmsten Erfahrungen gewesen?

Ich befürchte, dass würde hier den Rahmen sprengen. Da könnten wir wahrscheinlich schon ein Buch füllen. Wir wurden zum Beispiel schon einmal von einem Veranstalter vergessen und standen vor verschlossener Tür. Wer da mal Geschichten hören will, darf uns gerne mal nach einem Konzert ansprechen.

 

Zum Schluss eine Art Brainstorming:

Der ultimative Folksong für mich… „Tae The Weavers“, relativ unbekannt.
Mit diesen Künstlern/Musiker (tot oder lebendig) würde ich gerne mal auf der Bühne stehen… Queen mit Freddie Mercury.
Falls ich wiedergeboren werde, möchte ich gerne sein… talentiert.
Wenn ich am Ende des Regenbogens den Topf voll Gold gefunden haben, mache ich damit… Urlaub mit der Band in Irland.
Für 2021 wünsche ich mir… endlich wieder auf die Bühne zu kommen.

 

Herzlichen Dank Volker für das interessante Gespräch und viel Erfolg mit eurer neuen Musik!

 

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