Shoreline sind eine Emo-Punk/HC-Band aus Münster, die sich seit mittlerweile 8 Jahren auf nationalem, aber auch internationalen Terrain die Finger wund touren. Ihre Themen drehen sich dabei um Tierwohl, Klimakrise und Alltagsrassismus und liefern genug Gründe um dagegen musikalisch anzuschreien, was sie auf der Bühne nur allzu gerne machen. Wir haben uns vor ihrem Konzert in München darüber unterhalten, warum die Szene gerade so ihre Schwierigkeiten hat und wie schwer es ist, den einen guten Song zu schreiben.
Bei bestem Sommerwetter haben wir es uns gerade vor dem Club gemütlich gemacht als wir sozusagen inmitten des musikalischen Schmelztiegels sitzen: Beschallung mit Metal-Klängen vom Konzert nebenan, Unterhaltungsmusik für draußen und erste Klänge der Fußballfans hört man ebenfalls schon. Schwieriges Umfeld, als Hansol beginnt von den Anfängen der Band zu erzählen: Als sie alle zum Studium nach Münster gezogen sind und sich über den gemeinsamen Musikgeschmack in einer Facebook-Gruppe, später dann auch auf den Konzerten, gefunden haben. Das war vor 8 Jahren. Es ist eine Leistung, „so lange durchzuhalten und nicht irgendwo unterwegs aufzugeben.“ Als Student verfügt man schließlich noch über ein vollkommen anderes Zeitkontingent als knapp ein Jahrzehnt später, wo Job, Familie und Freunde eben auch einen nicht gerade kleinen Zeitanteil einnehmen. „Es ist auch deutlich schwieriger geworden. Wenn ich sage „entlohnend“ – das bildet nicht so ganz ab, was ich damit meine.“ Oftmals ist es ja auch so, dass sich Bands daran (auf)reiben weil sie nicht mehr alle gleich intensiv für die Band brennen. „Wir sprechen da richtig viel darüber: über jeden großen neuen Schritt, ein neues Album, eine neue Tour, eine neue Zusammenarbeit. Ob wir alle noch auf dem gleichen Stand dazu sind. Richtig DIY eben.“
Stichwort Münster. Als Studentenstadt gibt es dort sicher eine große Szene. Auch das Uncle M Fest hat dort ja immer stattgefunden. Doch auch in der westfälischen Stadt war die Szene schon mal besser. In den Nullerjahren gab es „richtig viele kleine DIY Punk Bands und Leute, die Konzerte veranstaltet haben. Das hatte einen sehr großen Einfluss auf uns und z.B. die Band Idle Class waren große Vorbilder was das Touren und Musik veröffentlichen anging.“
Auf ihrer letzten Platte „To Figure Out“ hat die Band mit „Seoul” oder „Reviver“ ziemlich persönliche Songs im Gepäck. Die emotionale Seite ist auch fast das wichtigste, beschreibt der Sänger. Sie haben um die 60 Demos, für das Album geschrieben. Da ist es zwangsläufig so, dass man sämtliche Themen, welche man behandeln möchte, schon mal irgendwie gestreift. Daher ist das Einzige, was zählt „ob mich das emotional macht oder mich berührt.“ 60 Demos sind natürlich eine ganz schöne Hausnummer; die Auswahl für diejenigen, die auf dem Album landen, ist eine Herausforderung. Bei einem gewissen Teil stellt sich mit dem Abstand von beispielsweise einer Woche Hören schon von selbst heraus, dass diese Songs es nicht aufs Album schaffen werden. Gleichzeitig ist aber das Feedback von außen auch wichtig, um die Innensicht auch mal wieder zu verlassen: Einerseits helfen da Freund*innen und die eigene Bubble, aber auch der Produzent Chris Teti der „versucht hat, Songs immer im Kontext der Platte zu sehen“ erklärt es Hansol und fügt lachend hinzu „ich finde es sowieso schon schwierig, einen guten Song zu schreiben. Wenn sich ein Song schnell gut anfühlt, bleibt das. Wenn man kämpfen muss und ihn 34 Mal aufnimmt, das sind eher die schwächeren Songs.“ Spannend ist aber die Tatsache, dass Shoreline ihre Musik trotzdem noch im „Album-Kontext“ denken, wie es der Musiker vorhin schon beschrieben hat. Die Tendenz geht ja aktuell vielmehr dahin, sich nur noch auf Singles bzw. Playlists zu fokussieren. „Ich glaube nicht, dass es für junge Bands super sinnvoll ist, nur dieses Single-Game zu fahren. Wenn man das Budget hat, jeden Song so zu bewerben wie ein Album – wie das im Rap passiert oder bei den großen Künstler*innen – ist es sicher sinnvoll. Ich finde es aber immer spannender ein Kapitel mit einem Thema aufzumachen. Das ist eine neue Ära, auch wenn es etwas pathetisch klingt.“
Wie schon erwähnt, sind Shoreline nicht nur gerade auf eigener Headliner-Tour unterwegs, sondern haben in kürzester Zeit auch einige Support-Shows gespielt. Auf einer davon ist mir eine Ansage sehr im Gedächtnis geblieben, nämlich dass man sich – auch wenn der Konzertabend ein persönliches Highlight ist – noch nicht mal bei der eigenen Lieblingsband sicher sein kann in einem Safe Space zu sein. Ob es dazu eine persönlichen Hintergrund gibt erklärt Hansol wie folgt: „Ich persönlich nicht, aber viele Freundinnen von mir haben einen. Fast jede weiblich gelesene Person kann davon erzählen, bei irgendeiner Großveranstaltung, einem Punkkonzert oder einem Bierfest. Die Szene im Speziellen hat da echt Probleme, weil man lange davon ausgegangen ist, dass es das hier nicht gibt.“ Umso wichtiger bleibt es, diese Dinge sichtbar zu machen, sie immer wieder zu thematisieren und möglichst laut darüber zu sprechen.
Fotocredit: Frederic Hafner