Es ist ungefähr eineinhalb Jahre her, dass das Album „Sieben“ erschienen ist. Ein guter Anlass, um zusammen mit Pascow zurückzublicken, auf vieles, was seitdem passiert ist – in der Gesellschaft ebenso wie im Bandkosmos: der Rechtsruck, das außenpolitische Tal der Tränen, ein Hörsturz. Wie man aber trotzdem weiter an das Gute im Menschen glaubt, hat uns die Band vor ihrem Auftritt im Nürnberger Z-Bau erzählt.
Jahrelang haben sie sich den Arsch abgetourt und dafür gekämpft, die Konzerte von den Jugenzentren, über Clubs bis in die mittelgroßen Hallen wachsen zu lassen. Doch halt. Das sind andere Bands. Pascow bleiben sich da lieber selbst treu, müssen nicht krampfhaft einem Wachstum hinterherjagen und halten die Eintrittspreise konstant niedrig. Trotzdem verkaufen sie ihre Touren manchmal schneller aus, als man das Wort überhaupt buchstabieren kann. Ollo beschreibt das mit „Es freut uns natürlich enorm und ist auch keine Selbstverständlichkeit. Wenn du nach fast 20 Jahren in eine Stadt kommst und den großen Laden ausverkaufst – das ist schon schön.“ Aber für die Faktoren, welche entscheidend sind, gibt es einfach keine allgemeingültige Glaskugel. „Nicht jeder, der gute Musik schreiben kann, ist automatisch für die Bühne geeignet. Auch die Preisgestaltung ist ein Faktor“, fährt Ollo fort und Alex ergänzt: „Was bei uns vielleicht auch eine Rolle spielt, ist, dass wir in kleinen Läden angefangen haben und die ausverkauft haben. Wir haben die Leute sozusagen daran gewöhnt: Nutzt den Vorverkauf, weil es nicht allzu viele Chancen geben wird. Die Leute wissen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Konzert ausverkauft ist, sehr hoch ist.“
Um gleich noch bei der eh schon sehr okayen Preispolitik zu bleiben: Pascow bieten auch sog. Solidartickets an, die für Menschen gedacht sind, die sich Tickets zum Normalpreis nicht leisten können. Das geschieht auf Vertrauensbasis und ohne speziellen Nachweis o.ä. „Man soll sich nicht schämen, so ein Ticket zu kaufen“ erläutert Ollo das Experiment. „Wir kriegen fast mehr Nachfragen von Menschen, nach Supporter-Tickets (die den Solidarpreis ausgleichen wollen), als wir preisreduzierte Tickets verkaufen. Niemand wusste, wie das angenommen würde, ob sich alle auf die Tickets stürzen würden“ bekräftigt Alex, und weiter „das ist überhaupt nicht der Fall gewesen. Wir haben für manche Abende 50 Solidartickets geblockt und es haben sich fünf Leute gemeldet – für manche Shows auch gar niemand. Es wurde überhaupt nicht ausgenutzt. Im Nachhinein habe ich mir auch gedacht, was ist das für ein falsches Menschenbild, dass man denkt, man wird ausgenutzt. Das ist in so vielen Menschen drin, diese Erwartungshaltung, aber so ist es nicht. Die Solidarität ist auch viel größer, als wir gedacht haben.“
Ein gutes Stichwort. Denn Pascow spielen derzeit nicht nur ihre Tour, sondern haben in kürzester Zeit auch ein Benefizkonzert für die Commune in Saarbrücken aus dem Boden gestampft, die massiv von dem Hochwasser im Saarland betroffen ist. Doch Moment, gehen wir noch einen Schritt zurück: Zuvor gab es bereits eine Spendenbox am Merch für die Commune. Im Vergleich zu bekannteren Organisationen wie z.B. ProAsyl lief das jedoch deutlich schlechter. So entstand schnell die Idee, ein Konzert zu spielen. „Sie waren ja noch nicht lange in dem neuen Gebäude. Wir haben ja gesehen, wie viele alternative, v. a. linksalternative Räume in den letzten 30 Jahren verschwunden sind, auch aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklung. Es kann nicht noch ein Hochwasser einen neuen Raum direkt wieder verschwinden lassen“, meint Ollo. „Der Laden, indem wir spielen, ist eigentlich ein Elektroladen. Da haben bisher nicht viele Punk-Konzerte stattgefunden. Da mussten wir echt klären, ob das geht.“
Im Februar mussten einige Konzerte der Tour abgesagt werden, weil Alex einen Hörsturz erlitten hatte. Ein unsanfter Rückschlag, der deutlich vor Augen führt, wie schnell alles vorbei sein kann. „Das habe ich genau so wahrgenommen. Auslöser war, dass mein In-Ear kaputt gegangen ist. Jeder hat zwei Ersatzgitarren dabei und zwei Amps – aber für die Ohren hast du nur ein gutes Setup dabei. Darüber haben wir uns bisher nie Gedanken gemacht.“ Ollo ergänzt während er schnell auf Holz klopft: „Wir sind eben keine Vollprofis, da macht man Fehler oder stolpert in Situationen, die Profis nicht passieren würden, uns aber schon.“ Alex schildert weiter: „Die ersten zehn Jahre haben wir gar keinen Ohrschutz benutzt. Als Punkrocker gehört das dazu, das war ein Ritterschlag, nicht mehr gut zu hören. Aber das ist Quatsch. Bei Alkohol und Drogen ist das vielleicht auch so, aber das hat sich mittlerweile durchgesetzt, das nicht zu verherrlichen. Die Lautstärke ist Teil der Show und jeder ist darauf anders sensibel. Daher liegt es an jedem selbst, sich individuell zu schützen. Es ist wichtig, dass das bei den Leuten ankommt. Ohrstöpselspender am Eingang sind ein super Schritt, so kann das jeder selbst entscheiden. Ich habe jetzt eine Maximallautstärke, die nicht überschritten wird, die mir aber trotzdem die nötige Power liefert. Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas nochmal passiert, viel, viel geringer oder fast ausgeschlossen.“
Nochmal zurück zu „Sieben“: Hättet ihr beim Schreiben gedacht, dass ihr darauf so viele Songs vesammelt, die man bereits jetzt Klassiker nennen kann, weil sie relevanter nicht sein könnten?
Alex: „Ich glaube nicht. Die Platte ist entstanden, während der Krieg ausbrach. Damit hatte damals niemand gerechnet. Ich denke da echt oft daran, dass Sachen, die wir vorher als Problem wahrgenommen haben, aus heutiger Sicht fast Lappalien sind. Vor zwei Jahren war die Welt aus unserer Sicht einfach noch eine bessere – das hat sich definitiv verschlimmert.“
Ollo: „Die ganze AfD-Rechtsproblematik: Irgendwann denkt man, es gibt so viele Skandale, Spionagethemen und Sonstiges, womit sich diese Partei langsam selbst zersetzt. Aber nach jeder Wahl denkt man, nein, es wird einfach nur noch schlimmer.“
Alex: „Der Rechtsruck ist ja kein rein deutsches Thema, sondern das sieht man europaweit. Wir sehen ja nur negative Tendenzen in Europa. Ich meine, Polen hatte das ja auch schon und hat so ein Stück weit wieder die Kurven gekriegt, oder? Jetzt die Wahlen in England – wir sehen ja auch, dass in Nachbarländern, die uns schon voraus waren, was den Rechtsruck betrifft, ein Zurückrudern stattfindet. Vielleicht muss man durch dieses Jammertal nicht erst komplett durch, bevor es wieder besser wird.“
Bleiben wir bei der Hoffnung und bei dem, was die Welt besser machen kann, auch wenn es nur ein Mini-Schritt ist. Pascow werden oftmals ausschließlich tief im subkulturellen Deutschpunk verortet, doch das Publikum ist mittlerweile gemischter als gedacht. Wiedereinmal klafft die Außenwahrnehmung also mit der Realität auseinander. Alex bestätigt, “dass „zu unseren Konzerten auch Leute kommen, die jetzt nicht in der Szene verwurzelt sind. Keine rechtsoffenen, aber aus der bürgerlichen Mitte. Von daher glaube ich schon – ohne das überbewerten zu wollen – dass auch Leute durch uns und unsere Aktionen beeinflusst werden, nicht nur innerhalb der linken Bubble.“
Fotocredit: Andreas Langfeld