Interview mit Ralf Hubert (Mekong Delta)

Nachdem mich das neue Meisterwerk von Mekong DeltaTales Of A Future Past” so begeistert, gibt es hier gleich ein seltenes Interview mit dem Meister selbst:

 

Hallo Ralf, vielen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst für ein paar Fragen! Als ich die erste News zum neuen Album sah, stach mir sofort das Artwork ins Auge und war sofort an Lovecrafts „Berge des Wahnsinns“ erinnert (ohne es zu wissen), welche auch noch meine absolute Lieblingsstory von ihm ist. Wie kam es zu dieser Adaption, hattest Du erst die Geschichte im Kopf oder kam das Bild zufällig?

Ja, Lovecrafts „Berge des Wahnsinns“ ist schon eine sehr gute Story, es stand allerdings nie zur Diskussion, diese zu vertonen. Konrads „Herz der Finsternis“ bringt mich ja bei den versuchen die tonal umzusetzen schon regelmäßig dem Wahnsinn sehr Nahe. Auf das Bild von David Demaret bin ich zufällig bei der Suche nach einem passenden Cover für „Tales…“ gestoßen. Als ich das dann meinen Mitmusikern mit einigen anderen zur Auswahl schickte, waren wir uns innerhalb eines Tages einig, dass es die Grundidee des Albums ganz gut darstellt: Forscher finden Reste einer unbekannnten (vergangenen) Zivilisation, entdecken dort Aufzeichnungen (Texte) einer Person (unseres Geigers), welche die Probleme schildern, die zum Untergang dieser führten und die den aktuellen bei uns (zu dem Zeitpunkt als die Texte geschrieben wurden, war Covid-19 noch nicht akut) ziemlich nahe kommen.

 

Meiner Meinung nach klingen die Songs wieder leicht nach älteren Mekong Delta, ohne ein Abklatsch zu sein. Das gefällt mir sehr gut im modernen Soundgewand. Hast du sowas beim
Schreiben im Kopf oder passiert es einfach?

Nein, das mache ich nicht bewusst, das ist einfach meine Art zu komponieren – die Ursache dürfte wohl in der Musik zu finden sein, mit der ich aufgewachsen bin. Im Orchesterbereich die Expressionisten (z.B. Prokoview, Schostakovich), 12-Töner ( Schönberg, Webern, Berg) sowie zeitgenössische Musik (Ligeti, Penderecki, Reiman etc.). Dazu kommt noch mein früher Hang zu modernen Komponisten auf der Konzertgitarre (Walton, Britten, Brouwer, Rawsthorne). Das geht nicht spurlos an dir vorbei, du empfindest und denkst Musik anders. Denke mal, dass das erwähnte „Mekongtypische“ daher kommt. Letztendlich komponiere ich ja die Songs.

 

Das Lineup ist bis auf den Gitarristen Erik Grösch (jetzt Peter Lake) gleich geblieben zum letzten Album. Hast du jetzt eine feste Band gefunden – oder sind die Posten jedes Mal vakant?

Das ist schwer zu beantworten. Persönlich glaube ich mittlerweile, dass sich jedes Mekong-Album seine Musiker selber sucht. Bei den letzten drei Alben gab es, speziell bei der Gitarre, von mir nicht wirklich bewusst herbeigeführte Veränderungen, die im Nachhinein für das Albun positiv waren. Den gleichen Effekt kann man auch bei „Tales…“ wieder beobachten. Erik konnte sich aus Zeitgründen nicht intensiv mit den Riffs beschäftigen, also Peter gefragt und die Riffs schienen förmlich für seine Art Gitarrenspiel geschrieben. Dazu noch Martin als Sänger in Höchstform, Alex überragend auf den Drums. Und dann noch so ein Bassist… 🙂

 

Hast du noch Kontakt zu deinen ehemaligen Bandkollegen?

Sehr sporadisch zu Uli Kusch und noch seltener zu Peter Haas, ist aber oft zufällig. Viele von ihnen haben über die Jahre einen Weg eingeschlagen, der nichts mehr mit Musik zu tun hat, somit also so gut wie keine Schnittpunkte mehr mit dem haben, was ich mache.

 

Du hast wieder tolle Orchesterparts ins Konzept einfliessen lassen, wie bei „Landscape 4 – Pleasant Ground“. Diesmal stand ja auch der spanische Komponist Isaac Manuel Francisco Albéniz Pate. Kannst du mir mehr zu der Entstehung und den Arragements für die Band erzählen?

Mit der Idee einer Adaption des Titels “Sevilla” aus der “Suite Espanol“ von Albeniz für Gruppe gehe ich, wie man so schön sagt, schon seid einer Ewigkeit schwanger, zumal ich den auf der Konzertgitarre schon seid meiner Jugend spiele und der auch noch zu meiner Top 10 der von mir am liebsten gespielten Werke auf dem Brett gehört. Wenn ich mich recht entsinne, hatte ich schon für die “Wanderer…“ ein Arrangment für Gruppe fertig. Das passte dort aber wegen der Zwischenspiele nicht. Da auf der “Tales…“ die Instrumentaltitel quasi das Album unterteilen, fand ich die Nummer als Abschluss – in der alten Mekong-Tradition von Klassikadapionen – sehr passend.

 

Mir hat immer sehr das Spiel auf der klassischen Gitarre gefallen, welches sich auf den meisten Mekong-Delta-Alben wiederfindet. Hast du schonmal überlegt da viel mehr draus zu machen, oder gar ein ganzes Album?

Aus allen bisher auf den Mekong-Alben mit der klassischen Gitarre gespielten Titeln kann man ja fast schon eine eigene Compilation machen, fällt mir gerade so auf 🙂  Mehr daraus machen, daran bastele ich schon ziemlich lange, aber anders als die meisten denken. Eine Konzertgitarre mit einem guten Spieler ist der E-Gitarre in vielen Bereichen weit überlegen. Das konnte ich für mich selbst feststellen, als ich meine Konzertgitarre mit Pickup mal im Proberaum zur Erklärung einiger Riffs (mache das sonst meistens auf dem Bass) an einen Amp hing. Das hat mich mächtig fasziniert. Da ich die klassischen Gitarren zu Hause auch an den PC packe und die Amps sowie FX dort simulieren kann, spiele ich da immer wieder gerne mit rum. Stell dir einfach mal folgendes Lineup vor: Heavy KonzGuit, female Vocals, Drums und Bass – dann weisst du, was mir da vorschwebt.

 

Die Lyrics beschäftigen sich passenderweise mit politischen und menschlichen Ausnahmesituationen, heute aktueller denn je. Das Futter hierfür scheint ja nie auszugehen. Also musst du wohl nie Love-Lyrics verfassen, haha!

Nein, dieser Kelch wird wohl an mir vorübergehen. Es ist da wohl eher so, dass sich speziell die politischen Ereignisse beim Kampf um die ideologische Meinungshoheit derzeit überschlagen. Da wird gelogen, dass sich die Balken biegen. In der Narration am Ende vom “Colony of Liar Men“ hab ich versucht, einmal aufzuführen, was viele Leute gar nicht so bewusst wahrnehmen – Framing, Overtone Window usw.

 

Auf dem Live-Sektor hat sich Mekong Delta immer sehr rar gemacht. Die letzte Tour die ich gesehen habe war 1991 mit Coroner. Danach gab es meines Wissens nur vereinzelte Shows. Da ich selber in einer Band spiele, weiß ich wie hoch der finanzielle Aufwand für eine Tour ist. Wenn man nicht gerade große Hallen füllt, ist das schwer zu stemmen. Ist das euer Problem oder willst du gar nicht so oft live spielen?

Die Probleme sind eher anderer Natur, da wir genügend Angebote für Liveshows bekommen. Wir haben eine sehr grosse und klasse Fangemeinde, mit einem grossen Problem – die ist über die gesamte Welt verteilt. Zwei bis drei Shows pro Land reichen da. Allerdings hat es bis jetzt noch niemand geschafft, die ganzen Länder mal zu koordinieren (wer sich also berufen fühlt…). Einzelshows sind – außer große Festivals – für uns auch immer ein sehr großes logistisches Problem, alle Musiker müssen da erst einmal Zeit haben. Bei Festivals weiß man das meist ein Jahr vorher, bei einer Singleshow, die vier Monate später stattfinden soll, ist das illusorisch.

 

Wie siehst du die aktuelle Metal-Szene in Deutschland. Interessieren dich dort neue Bands oder bist du da völlig raus?

Hab leider in den letzten Jahren nichts gehört, was ich da wirklich interressant gefunden hätte, was aber wohl stark mit meinem Musikgeschmack zusammen hängt. Allerdings bin ich, seitdem vor drei Jahren die Arbeit an dem neuen Album mit dem Komponieren begann, nicht wirklich auf dem aktuellen Stand.

 

Möchtest du noch etwas loswerden? 🙂

Ja, ich möchte mich im Rahmen von Mekong Delta bei allen alten und neuen Fans für den Support
bedanken, ohne Euch wäre jede Gruppe nichts. Und noch etwas: Es gibt noch so viele musikalische Sachen zu erforschen und zu entdecken, so ungeheuer viele technische Grenzen zu überschreiten. Ich lade Euch alle dazu ein, uns weiter zu begleiten!