Deaf Havana

“Das einzige was ich kann ist Gitarre Spielen” Interview mit Matt und James von Deaf Havana

Foto: Jasmin Reckers

Ich habe mich vor einiger Zeit zusammen mit Jasmin mit James und Matt von Deaf Havana im Tourbus zum Interview getroffen. Es hat ein bisschen länger gedauert das Interview zu entschlüsseln da die Akustik im Tourbus durch die Klimaanlage nicht so optimal war. Der extreme britische Akzent von den beiden hat es auch nicht einfacher gemacht. Und zu allem Überfluss hören die beiden Brüder sich auch noch so ähnlich an, dass ich sie im Nachhinein nicht mehr auseinander halten kann.

Vielen Dank dass ich euch interviewen darf

Kein Problem

Wie war die Tour bis jetzt?

Es ist gut, es macht eine Menge Spaß. Letzte Nacht auf jeden Fall zu viel Spaß. James hatte gestern Geburtstag.

Ohhh, alles gute nachträglich.

Danke schön. Aber ja es kommen mehr Leute zu unseren Shows, als wir bisher je auf unseren Shows gesehen haben. Jeden Abend kommen so viele Leute. Das ist neu für uns.

Ihr habt also gute Reaktionen auf das neue Album?

Es scheint so. Die Leute können bei den neuen Songs mehr mitsingen als bei den alten. Das ist fantastisch.

Ich frage weil euer Sound sich in den letzten Jahren sehr gewandelt hat. Ich kenne euch jetzt seit knapp 7 Jahren. Quasi seit euer Souter ausgestiegen ist. Ist es eher Prozess oder eine bewusste Entscheidung wie der Sound des Albums klingen soll?

Es passiert irgendwie. Wir entscheiden es nicht wie der nächste Song klingen soll. Ich denke unser Musikgeschmack verändert sich über die Zeit. Es ist eine Art von natürlichem Prozess wie sich unser Sound entwickelt.

Nach dem Album ‚Old Souls‘ ward ihr kurz davor die Band aufzulösen, wie kam es dazu? Wieso habt ihr euch doch nicht getrennt?

Wir haben eine Menge Geld verloren, wir haben verschiedenen  Leuten eine Menge Geld geschuldet. Wir haben irgendwann nur noch Shows gespielt um das Geld zurückzuzahlen. Wir haben aufgehört es zu lieben in einer Band zu sein. Wir konnten uns gegenseitig nicht mehr ausstehen und haben aufgehört miteinander zu reden. Wir haben aufgehört Freunde zu sein. Wie sind nur noch zusammengekommen  um Shows zu spielen um die Schulden abzustottern. Das hat genervt. Alles was wir daran geliebt haben in einer Band zu spielen ist verschwunden.

Es war also mehr wie ein Job?

Nichtmal das, wir wurden ja nicht wirklich bezahlt. Das Geld wurde ja gleich wieder eingesackt um die Schulden zu bezahlen. Und dann haben wir angefangen wieder ein bisschen miteinander zu reden, ich habe wieder ein paar Songs geschrieben, wir haben wieder miteinander rumgehangen. Und über die Zeit haben wir dann beschlossen als Band weiterzumachen. Da war nie der Punkt wo wir gesagt haben, lasst uns aufhören zusammen Musik zu machen. Aber es hat sich schon ein wenig so angefühlt.

Und jetzt mit dem neuen Album, den vielen Leuten auf den Shows, bereut ihr nicht euch zusammen gerauft zu haben und weiter als Band zusammen zu sein?

Nein, definitiv nicht. Ich bin irgendwie froh dass wir die Zeit hatten wo wir nichts gemacht haben. Ohne diese zeit hätten wir nicht das was wir jetzt haben, wir hätten nicht das Album. Es ist ein Produkt aus dieser Zeit.

Wie entscheidet ihr welche Songs ihr auf Konzerten spielt?

Das ist extrem schwer. Wir haben mittlerweile so viele Songs. Es ist eine Mischung aus, was wir denken was die Leute hören wollen und was wir spielen wollen. Wenn wir keinen Spaß daran haben die Songs zu spielen ist es sinnlos, das bringt dann keinem Spaß. Wir spielen die Singles und die großen Songs die die Leuten hören wollen und dann noch ein paar Songs bei denen es den Leuten egal ist ob wir sie spielen, aber sie uns wichtig sind, dann haben wir eine gute Balance dazwischen. Es ist immer leicht wenn man ein neues Album veröffentlicht alle neuen Songs zu spielen, weil es frisch klingt. Es ist dann manchmal schwer einen Schritt zurück zu gehen und alte Sachen zu spielen, als einfach nur ein Album zu spielen. Aber die alten Sachen funktionieren auch und die Leute haben Spaß an den alten Sachen. Das kann man dann nutzen um eine Setlist zu machen die funktioniert und nicht nur eine langweilige Aneinanderreihung von verschieden Songs ist.

Ändert ihr die Setlist über eine Tour?

Ja, manchmal schon. Wenn wir merken dass ein Song nicht funktioniert, schmeißen wir ihn raus. Aber sonst versuchen wir mit einer Setlist auf der Tour auszukommen.

Wie entscheidet ihr welcher Song als Single released wird? Entscheidet ihr das, oder entscheidet das Label?

Es ist ein Mix aus beidem. Du hast ein paar Songs die du geschrieben hast und denkst, das könnte ein großer sein. Und dann sind da Songs bei denen du denkst, die sind nicht gut genug. Aber dann kommt jemand und sagt dir der Song ist gut. Dann hörst du dir den Song nochmal an und merkst, der ist doch nicht so weit davon weg. Wenn wir alleine entscheiden würden welche Songs wir veröffentlichen, würde es nicht funktionieren. Und wenn das Label alleine entscheiden würde, würden wir uns selbst hassen. Wir müssen also einen Mittelweg finden zwischen uns und dem Label. Den ersten Song von dem Album „Sing“ hätten wir nicht als Single ausgekoppelt weil wir dachten er wäre nicht gut genug. Aber jetzt wissen wir, dass es nicht so ist. Es ist gut eine Meinung von außen zu haben. Wenn man zu dicht an den Songs ist, hört sich irgendwann alles gleich an. Du kannst nachher nicht mehr zwischen guten und schlechten Songs unterscheiden.

Wisst ihr ob Fans von euch Bandtattoos haben?

Ja, ich habe letztens erst einen getroffen. Er hat den Songtext von Anemophobia tätowiert.

Was haltet ihr davon?

Das ist verrückt, da haben Leute Tinte unter ihrer Haut für ihr ganzes Leben und das sind die Texte die ich geschrieben habe. Das ist Wahnsinn, stell dir vor du kommst nach Deutschland oder Amerika und triffst einen Typen der einen Text von dir auf den Arm tätowiert hat, das ist ziemlich cool.

Ein Freund von mir hat mir mal gesagt, er würde sich nur Bandtattoos machen lassen, von Bands die es nicht mehr gibt. Weil die Band dann nicht mehr schlecht werden kann.

(lacht) Das ist ein guter Grund.

Habt ihr eigentlich Berufe gelernt?

Nicht wirklich, das einzige was ich kann ist Gitarre spielen. Ich kann ziemlich gut kochen, aber das ist keine Berufung. Wir sind nur Musiker. Lee, unser Bassist hat einen Job, aber das ist kein Beruf. Er arbeitet für seinen Vater.

Habt ihr Rituale vor Konzerten?

Es ist kein Ritual aber wir trinken eine Menge Bier. Nein, wir haben eigentlich keine Rituale.

Was macht ihr normalerweise nach Shows, wenn James nicht gerade Geburtstag hat?

Wir trinken so viel wie wir nur trinken können. Damit wir schlafen können, es ist absolut unmöglich in diesen Tourbussen zu schlafen. Wir versuchen uns selbst auszuknocken. Nein, wir hängen zusammen ab. Wir sind Freunde und verbringen unsere Zeit zusammen, viele Bands gehen nach Shows getrennte Wege, aber wir machen was zusammen. Verbringen den Tag zusammen, gehen zusammen auf die Bühne, gehen zusammen  von der Bühne, hängen danach zusammen ab.

Wo hängt ihr dann so ab? Hier im Bus oder in Bars?

Wir versuchen so wenig Zeit wie möglich im Bus zu sein, wir hassen diese Teil. Wir sind so schon lange genug in dem Teil unterwegs. Wir versuchen so viel Zeit wie möglich draußen zu verbringen.

Wir kommen dann zur letzten Frage. Es gibt eine neue Form von Nationalismus. Trump in Amerika, LePen in Frankreich, Gerd Wilders in den Niederlanden, Frauke Petry in Deutschland und dem Brexit in Großbritannien. Was sagt ihr dazu?

Es macht mich traurig, vielleicht bin ich ein bisschen naiv, aber ich verstehe nicht woher dieses Denken kommt. Ich verstehe es einfach nicht. Vielleicht trinke ich einfach genug um das alles zu vergessen. Wir stimmen dem Brexit absolut nicht zu.

Es folgten dann noch ein paar wütende und enttäuschte Ausführungen von Matt, die ich hier an dieser Stelle etwas verkürzt habe.

Foto: Jasmin Reckers