Interview – “Naja, diese Soforthilfe war eine ziemliche Verarsche” – mit MÄNNI

Erst vor ein paar Tagen habe ich mich hier um das neue MÄNNI Album “Niete” gekümmert, nun hat mir der liebe Samuel noch ein paar Fragen zur bald anstehenden Veröffentlichung und zum aktuellen Geschehen um uns herum beantwortet.

Viel Spaß damit…!

 

Moin MÄNNI, oder darf ich Samuel sagen? Nee Spaß beiseite, vielen Dank dass du uns passend zum neuen Album ein paar Fragen beantworten magst.

Wie geht`s dir, wo erwischen wir dich gerade?

Hallo, du kannst mich auch gerne Samuel nennen, aber schneller höre ich tatsächlich auf MÄNNI; das bringt der familiäre Background dieses Spitznamens mit sich. Bin gerade bei der Morgenroutine im Voralbumstress; also irgendwas posten, irgendwelche Mails, irgendwas regeln & parallel mit der anderen Hand die Hose anziehen und Kaffee trinken.

 

Die Pandemie hat uns alle ja schwer getroffen, wie ist es dir in den letzten 18 Monaten ergangen?

Ist immer etwas schwierig zu beantworten, wenn ich bedenke wie schwer es andere Menschen getroffen hat. Es hat mich persönlich enorm eingeschränkt und es war auch nicht immer einfach, aber es geht mir gut. Zwischenzeitlich war es ein ziemliches auf- und ab wobei ich da nicht richtig unterscheiden kann, ob es an der Pandemie gelegen hat oder es mir auch so ergangen wäre. Wahrscheinlich schon eine Mischung. Jedenfalls bin ich froh, wenn es immer mehr Richtung „Perspektiven“ geht.

 

Ich denke die Tatsache, dass Gigs nicht möglich waren ist die eine Seite der Medaille und für einen Künstler schon hart genug. Aber auch finanziell war die ganze Situation doch bestimmt eine mittelschwere Katastrophe, oder?

Gefühlt war MÄNNI gerade an einem Punkt, wo es richtig gut lief und 2020 wäre noch einiges gekommen und natürlich hat das auch finanzielle Auswirkungen gehabt. Jetzt kommt das neue Album und da bin ich saufroh, dass gerade schon fleißig vorbestellt wird. Irgendwie muss es ja weitergehen.

 

Wie sehr konntest du persönlich durch die Hilfsmaßnahmen der Regierung „überleben“? War das Ganze überhaupt in irgendeiner Art und Weise annähernd hilfreich – es sah ja eigentlich viel eher wie der berühmte Tropfen auf den heißen Stein aus, oder?

Naja diese Soforthilfe war so ziemlich bei allen, die ich kenne, eine ziemliche Verarsche, aber ein bisschen hat es bei mir schon geholfen. Mehr aber noch die darauffolgenden Stipendien und am allermeisten die Förderung der Initiative Musik. Diese ist wesentlich durchdachter (da es sie ja schon viele Jahr gibt) und bezieht in dem Fall MÄNNI + Dackelton Records mit ein. Es hilft weiterhin auf Qualität setzen zu können ohne über Abstriche nachdenken zu müssen, weil andere Lösungen vielleicht günstiger wären. Bianca betreibt das Label mit viel Liebe und ihr wichtigstes Anliegen ist es Menschen mit neuer Musik zu begeistern und diese auch auf einem stimmigen, qualitativ ordentlichen Medium anzubieten (und natürlich digital). Die Förderung der Initiative Musik  beflügelt den Prozess und alles fluppt dann einfach besser.

 

Gab es in der Zeit irgendwann den Moment, wo du alles hinschmeißen, dir einen „normalen“ 9 to 5 Job zulegen wolltest/musstest?

Ne ich hab mich schon vor langer Zeit davon verabschiedet einen „normalen“ Job auszuüben. Privat habe ich genug Herausforderung(en) und Musik hat mich schon immer enorm erfüllt; keine Zeit für irgendwelche Jobexperimente.

 

Bevor wir uns hier noch mehr runter ziehen, nun schnell mal zum positiven Moment des Interviews – schließ steht ja die Veröffentlichung deines neuen (und damit schon dritten) Albums vor der Tür.

Ich persönlich finde, dass die neue Scheibe dein bisher bestes Album geworden ist und das gute Stück läuft aktuell in Dauer-Rotation im Player – magst du unseren Lesern vorab ein paar Worte zu „Niete“ sagen?

Einfach nur Danke für deine lieben Worte zum Album. Gerade bin ich so dermaßen froh, dass die bisherigen Videosingles gut ankommen und es mehr Vorbestellungen denn je gibt + das Feedback der Leute (so wie deins), die das Album schon komplett hören durften fällt nur positiv aus. Wie ich auch in einigen Posts und in der Youtube-Miniserie „Einblicke in Niete“ zeige, war es diesmal ein ganz merkwürdig schwieriger Prozess. Ich beschreibe es gerne als „Sumpf“, in den ich irgendwann geraten bin und mir darin das Gefühl für Musik für einige Wochen abhanden gekommen ist. Es war wirklich knapp und nur durch einige schöne Zufälle und viele lieben Menschen kam irgendwann der Wendepunkt und jetzt ist das Teil da.

 

Im Opener „Ich bin Perfekt“, der ja bereits als Video bei YouTube zu finden ist, legst du ja quasi deine Seele offen und nach einer Menge Verzweiflung am Anfang, spricht am Ende dann doch die Hoffnung auf Besserung aus dem Song…

Es war auch einer der ersten Songs, der fertig war und gerade die erste Zeile passte da schon gut, aber am Ende bleibt keine große Erkenntnis. Ist irgendwas mit „stress dich nicht mit dir selber mehr rum als nötig“ und auch, was ich selber erst noch lernen musste, wie sehr Kapitalismus und Konsum einen Einfluss auf die Selbstwahrnehmung haben kann. An allen Ecken (gerade online) gibt es vermeintlich tolle Tipps zur Selbstoptimierung, die aber IMMER an irgendwas mit Geld gekoppelt sind. Das ist dann wirklich totaler Quatsch. Bitte weiten Bogen drum machen!

 

Ohne vorab zu viel zu verraten, wie sehr fließen die Erlebnisse der letzten 1 ½ Jahre in die Songs ein – oder waren die Nummern schon vorher fertig, konnten nur wegen der äußeren Umstände nicht aufgenommen bzw. produziert werden?

Pläne für ein neues Album und viele Songideen waren schon vorher da, aber alles ab März 2020 wird schon einen Einfluss gehabt haben. Inhaltlich bin ich jetzt nicht so drauf eingestiegen, aber vom Prozess her war alles etwas zäher und langsamer, so dass oft der Arbeitsflow unterbrochen wurde. Da ich ja schon immer alles selber einspiele und aufnehme war die Kontaktbeschränkung weniger ein Problem, aber mir haben Bewegung und Erlebnisse gefehlt. Der kleine Wochenendtrip, wo Radio Havanna uns im Spätsommer 2020 auf die Corona-Open.Airs mitgenommen haben hat so viel wieder in Gang gesetzt. Es war total anstrengend, aber auch erfüllend. Unterwegs sein oder in Bewegung sein setzt sauviel Kreativität frei. Das war mir vorher nicht bewusst. Einige Texte oder Zeilen habe ich aber auch vorher schon gesammelt, eher die Umsetzung der Songideen hat sich gezogen wie Kaugummi.

 

War das Songschreiben dieses Mal anders bzw. schwieriger, als bei den beiden ersten Alben?

Ja total. Was z.B. auch passiert ist, dass ich Zeilen auf Grund tagesaktueller Geschehnisse nicht mehr so stehen lassen konnte, weil mir wichtig ist, dass sie nicht von den „falschen Leuten“ missverstanden und genutzt werden können. Gerade mit politischen Aussagen musste ich oft jonglieren, um möglichst zielgenau meinen Standpunkt klarzumachen. Dabei habe ich viele Textideen und ganze Texte weggeschmissen. Das hat enorm viel Zeit und Kraft gekostet.

 

Wie kam es zu dem Titel des Albums? Ist es der gute alte Nietengürtel, oder doch eher die Reflektion des eigenen Lebens… genügend Zeit zum Nachdenken hat es ja wahrlich gegeben.

Mit dem Albumtitel habe ich schon 2019 im Kopf Gedankenspiele gehabt. Ursprünglich wollte ich eher auf ein Vinyl-großes Rubbellos hinaus, aber ich bin sehr froh, dass im Artworkprozess Thomas Walloch von Design Monarchie mit der jetzigen Idee um die Ecke kam. Und er hat sich dann auch die Zeit und Power genommen diese auf dem Cover abgebildete Nietenjacke selbst zu kloppen (das Teil liegt jetzt bei mir im Proberaum). Die Mehrdeutigkeit des Wortes „Niete“ war mir von Anfang an bewusst, aber Mindblowing ist für mich Thomas‘ Idee: Ein Artwork mit einer Nietenjacke, wo das Wort „Niete“ dadurch entsteht, dass Nieten entfernt wurden…wer kann mir noch folgen?

 

Was ist dein persönlicher Lieblingssong auf „Niete“?

„Alles egal“ – ich hab den sooft gehört, weil die Stimmung perfekt einfängt, wie ich mich zum Tiefpunkt der „Sumpfphase“ gefühlt habe. Baut mich heute noch auf, wenn ich ihn anmache bzw. er gibt mir das Gefühl in dem Moment bleiben zu können ohne mehr von mir zu verlangen als gerade geht.

 

Mit „Jetzt erst recht“ und „Fahndungsplakate“ zeigst du dich auf deinem neuen Album sehr politisch – die Zeiten sind reif für eindringliche Statements, oder?

Ja aber doch schon lange. Erst wollte ich nicht schon wieder irgendwas dazu machen, aber dann ist es doch passiert. Gerade bei „Jetzt erst recht“ geht es darum, sich mit den Menschen zu connecten, die gleich ticken und sich mit allen zu solidarisieren, die gerade auf der Strecke bleiben. Gegenseitige Hilfe ist weiterhin das Wichtigste.

 

Oder nehmen wir einmal „Freche Kids“, die für den Erhalt der Welt auf die Straße gehen und den alteingesessenen Politikern damit gehörig ans Bein pinkeln. Was hat dich speziell zu der Nummer bewegt – ist es deine örtliche Nähe zum Hambacher Forst und den Abräum-Gebieten, die auf beeindruckend-erschütternde Art und Weise zeigen, dass hier so einiges schief läuft?

Ach das ist erst mal unabhängig vom Hambacher Forst, weil auch der nur ein Beispiel dafür ist, wie beschissen und zerfahren die Situation ist. Im besagten Song haben ich sehr viele absurde  Kommentare zum Thema „Klima“ im Internet (die ich nicht empfehlen kann zu lesen) mal aufgegriffen, wo Leute einfach so viel Scheiße geschrieben haben, nur um die jüngere Generation zu diskreditieren. Daraus bestehen dann die Strophen. Und auf der anderen Seite wollte ich auch keine platte „Lobeshymne“ schreiben, sondern hab es dann so verpackt, wie der Song jetzt ist. Da kommen junge Menschen und packen etwas Überlebenswichtiges an und es wird dann so als „Schabernack“ abgetan. Deswegen auch der Titel. Der Song ist aber auch ein gutes Beispiel für den oben benannten schmalen Grat, ob es missverstanden werden kann, was genau mein Standpunkt dazu ist, aber bisher scheinen es alle zu checken.

 

In diesem Zusammenhang kann man dann ja auch die gerade beendete Bundestagswahl und die aktuellen Koalitionsverhandlungen sehen, welche ja keine großen Hoffnungen machen, dass sich in absehbarer Zeit besonders viel ändern wird, oder?

Vermutlich nicht. Da müssen wir alle ran.

 

Mit diesen dann doch ein wenig apokalyptischen Aussichten möchte ich das Interview nicht enden lassen und stelle dir daher noch eine bzw. zwei Fragen, die mich brennend interessieren:

Wie oft ist dir vor Schreck schon der Schnaps in den Sekt gefallen… und wieviel Ibuprofen hast du dann am nächsten Tag immer gebraucht?

Am Sonntag (Halloween) war ich beim Videodreh von WEGBIER und da ist mir ein bisschen Pfeffi ins Bier gefallen (zählt das?). Dann war gestern die große Einpackaktion zusammen mit Bianca im Dackelton-Hauptquartier und da hab ich den Tag dann mit 800er gestartet. Soweit die Fakten.

Vielen Dank für das ausführliche Interview. Wir sehen uns hoffentlich bald wieder bei einem Gig in den Hallen der Republik! Und um in den Worten von Schlucke zu sprechen… „Ich bin da grad selbst watt an planen dran!“ 😉

Freu mich sehr, wenn wir uns noch mal persönlich sehen und das sehr gerne wieder bei einem Konzert. MÄNNI-Tourdaten gibt es auf www.mnni.de und ein paar Lücken im Kalender wollen noch gefüllt werden. Wer – wie du – was machen will, schreibt gerne!

 

Titel:
1. Ich bin perfekt
2. Alles egal
3. Dreck Müll Chaos
4. Keine Hymne
5. Ich und Ich
6. Jetzt erst recht
7. Lange nicht mehr
8. So viele Fragen
9. Fahndungsplakate
10. Freche Kids

Foto: Lutz Adorf

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