Interview mit Brett – “Rockmusik mit Meinung in geschmacksuniformen Zeiten”

„Coole Band“ – mit dem Gedanke war ich schnell dabei, als damals die EP der Wahl-Hamburger Brett in meinem Briefkasten lag. Und das, obwohl ich mit deutschsprachiger Rockmusik (soweit sie nicht von Dritte Wahl kommt) immer ein wenig fremdele. Aber mit ihrem charmant-ungehobelten Sound hat mich das Quartett gepackt. Hier gibt es eigenwilligen, klischeefreien Indie-Sound, der die Wucht einer Stoner-Band, Einflüsse aus den 60ern und 70ern sowie eine große Ladung Lässigkeit sowie mitreißende Wucht zusammenbringt. Es wird gegroovt und gescheppert. Und trotz des teils wütenden Flairs wohnt dem Sound eine angenehme Lässigkeit inne. Haste nicht gehört!

Mit „WutKitsch“ haben Brett jetzt nach zwei feinen EPs ihr wunderbares Debütalbum veröffentlicht. Auf den Titel bezogen sagte Frontmann und Sprachrohr Max Reckleben: „Der Name ‚WutKitsch‘ trägt das in sich, was wir auf unserem Album musikalisch vereint sehen: keine Angst, Gefühle zu zeigen oder auch mal über Liebe, Vermissen oder Verlassen werden zu singen – manche nennen das Kitsch. Gepaart mit einer ordentlichen Menge musikalischer Wut ergibt es das, für was wir als Brett 2018 stehen.“ Also Deutscher Rock mit Gefühl und Eiern und noch dazu ohne Gefühlsduseleien und pathetische Texte mit G’schmäckle über Ehrlichkeit, Treue und Vaterlandsliebe. Ebenjenen Max zogen wir uns zum Interview vors Mikro. Hier, was er alles Interessantes zu Protokoll gab:

 

 

Wie fühlt es sich eigentlich an der heißeste Newcomer im deutschsprachigen Rockbereich zu sein? Ne, Schmarrn, fangen wir doch mal mit dem Naheliegenden an: Brett, ein knackiger kurze Name. Woher kommt’s? Klingt ja eher wie aus einer wie aus einer ausgelassenen Schnapslaune heraus geboren.

Die Sache ist ehrlich gesagt wirklich eher einer Laune entsprungen, als fundiertem Nachforschen. Wäre bei dem Namen ja auch schlimm, wenn es anders herum gelaufen wäre. Wir haben uns ein paar Wochen mit der Namensfindung rumgeschlagen und dabei unseren Produzenten entnervt, der eines Tages mit „Brett“ um die Ecke kam, wahrscheinlich um uns zu ärgern und wir haben’s gefressen.

 

Jener Produzent, nämlich Franz Plasa (u.a. Selig, Rio Reiser, Udo Lindenberg) ist ein durchaus prominenter Förderer der Band. Da muss man sicher schon ordentlich Eindruck schinden, um so jemanden zu beeindrucken. Wie kam es dazu? Ist er vielleicht schon so etwas wie das fünfte Brett-Mitglied?

Wir verstehen ihn als Teil der Band – das kann man so sagen. Er unterstützt uns wo er nur kann. Es ist schon ein Privileg, jemanden mit so viel Erfahrung und einem großartigen Studio an seiner Seite zu wissen. Wir haben ihn vor ein paar Jahren zu einem Showcase, das wir gespielt haben, eingeladen. Er hat sich das Konzert nicht angesehen und als wir ihn anriefen, um ihn zu fragen, wie er es fand hat er uns wohl aus Verlegenheit ins Studio eingeladen. Ich denke, er hatte lange keine Band mehr gesehen, die miteinander spielen kann und so sind wir einfach nie mehr gegangen.

 

Stand von Anfang an fest es auf Deutsch zu machen? Ist es nicht eine größere Herausforderung in seiner Muttersprache zu schreiben? Bei Englisch rutschen etwaige textliche Unzulänglichkeiten ja etwas schneller durch, weil man es nicht so leicht versteht. Das ist hier nicht der Fall und man setzt sich schneller ins Fettnäpfchen. Plötzlich erhalten Texte durch diese Sprache eine neue „Wichtigkeit“, finde ich.

Nein, wir haben unseren musikalischen Vorbildern entsprechend lange auf Englisch getextet. Allerdings wurde das Gefühl dringlicher in uns, dem instrumentalen Fundament textliche Relevanz entgegenzusetzen. Wir hatten schon Angst davor, uns auf das Experiment „deutsch“ einzulassen. Franz hat uns da ermutigt und letztendlich hat die erste Brett-Nummer „Kollisionen von Millionen“ großartig für uns funktioniert und seitdem haben wir nie mehr zurück geblickt.

 

Ihr seid alles andere als eine direkt politische Band. In Deinen Texten setzt Du Dich trotzdem immer wieder mit der Welt und der Gesellschaft auseinander. Kann man es sich als deutschsprachige Band in der Zeit gerade leisten, eigentlich nicht politisch zu sein? Wobei ich es natürlich alles andere als erstrebenswert ist, ein „Bono“ zu werden, wie in eurem gleichnamigen Song.

Wir stören uns an dem Begriff „politisch“ im Kontext deutscher Musik. Der hängt sich in dem Zusammenhang immer an denselben Extremen auf: links und rechts. Man rutscht als Band schnell in diese Schublade und kommt dann nicht mehr raus aus der Nummer. Setzt man „politisch“ synonym mit dem Begriff Meinung, dann sind wir eine politische Band. Und seine Meinung sollte man in geschmacksuniformen Zeiten wie diesen definitiv äußern.

 

Wie entsteht aus einer fixen Idee ein Song? Mit einem Textfragment, einem Gitarrenriff…? Wie geht’s dann weiter?

Immer komplett unterschiedlich. Mal ein Riff, mal ein Beat, mal ein Bass-Lick. Mal jammen wir, mal entwerfen wir etwas nahezu am Reißbrett.

 

Ihr habt jetzt zu jedem Song der Platte ein Live-/Session-Video gemacht. Und auch vorher gab’s schon einige davon von euch (hier eine Zusammenstellung). Das Livespielen scheint euch wohl besonders wichtig zu sein. Seht ihr euch eher als Live-, denn als Studioband? Ist das Schreiben und Einspielen von Songs mehr die Pflicht und die Auftritte die Kür?

Wir sind situativ sowohl das eine als auch das andere. Exklusiv nur eine Sache zu machen würde sich dann auch nicht Ganz anfühlen. Tatsächlich geht es im Endeffekt aber um die Energie, die wir als Band kreieren, zumindest in unserem Verständnis und die kann man am besten auf einem Live Konzert aufgreifen und mit den Leuten teilen. Das ist für uns auch der USP von Bandmusik, und speziell unserer. Das kriegt ein Trap-Dude live eben nicht so aufs Parkett.

 

 

Der Gitarrenherstellter Gibson steht kurz vor der Pleite, Fender geht es auch nicht mehr so gut und die Presse schreibt die E-Gitarre langsam tot. Kommt man sich da nicht wie eine Art Oldtimer vor, in einer Musikrichtung, von der immer wieder behauptet wird, dass jeder Akkord und jede Melodie schon gespielt wurde und echte Innovationen schon lange zurückliegen?

(Lacht) Da hast du die Frage ja im Prinzip schon in der Frage beantwortet. Gitarren-Rock hat definitiv ein Identitäts- und Innovationsproblem. Auch in anderen Genres wurde jeder Ton schon einmal gespielt, aber Musik ist Sound und der muss sich entwickeln und frisch bleiben können. Das ist unserer Meinung nach in den seltensten Fällen in der Welt der Gitarre in den letzten Jahren gelungen. Vermutlich auch, weil es gar nicht der Anspruch ist. Und dann stirbt so etwas eben.

 

Mit der zweiten EP habt ihr beim eher für Hip-Hop bekannten Label Chimperator unterschreiben, was mich ziemlich überrascht hat. Fühlt man sich wohl zwischen Acts wie den Orsons, Cro oder Teesy? Ihr seid da ja schon so etwas wie die Exoten.

Wir haben eigentlich genau deswegen bei den Chimps unterschrieben, weil wir die ausgemachten Exoten in deren Portfolio sind. Auf der anderen Seite des Tisches ging der Impuls in eine ähnliche Richtung. Das hat sich gut angefühlt und deswegen sind wir heute Teil der kleinen Chimperator-Familie.

 

Was hat euch veranlasst, die Instrumente in die Hand zu nehmen? Der Traum die neuen Led Zeppelin oder Strokes zu werden?

Da hat doch jemand schon das ein oder andere Interview gelesen – oder verdammt gut geraten.

Also bitte, Max. Die Einflüsse sind ja nicht so schwer herauszuhören…

Tatsächlich sind die Strokes und Zeppelin zwei helle Sterne am Vorbilder-Firmament und auch teilweise der Grund warum wir angefangen haben Musik zu machen. Am Ende ist so ein Weg als Band nicht ernsthaft an den Weg eines Idols angelehnt. Dafür passiert zwischendrin zu viel und zu unerwartet, als das man da sinnvoll schablonisieren könnte. Das wäre auf Dauer auch anstrengend.

 

Ihr selbst seid ursprünglich nicht aus Hamburg, sondern u.a. aus dem Harz. Was heut euch veranlasst in die Hansestadt zu gehen? Wollet ihr auch einem kleinen „Mythos“ folgen und hat sich der Umzug gelohnt aus persönlicher Sicht?

Tatsächlich ist es so, dass mir und Stacki (Gitarrist Felix Stackfleth – Anm.d.Red) im Harz irgendwann die Decke auf den Kopf gefallen ist. Ich denke, dass ist ein ganz normaler Prozess und so sind wir dem Ruf der Großstadt gefolgt. Damals war das so eine indifferente Situation, der sich alle gegenüber sahen: Berlin oder Hamburg. Wir fanden Hafen und Elbe spannender. Im Nachhinein haben wir hier unseren Lebensmittelpunkt gefunden, mit der Band und der Hebebühne.

 

Mit dieser Hebebühne habt ihr im Stadtteil Ottensen euer eigenes Probehauptquartier geschaffen. Wie kommt man auf diese doch etwas verrückte Idee so etwas selbst aufzuziehen? Ist es so schwer in der großen Stadt etwas Adäquates zu finden?

Vorwiegend entstand die Idee, weil es besonders schwer ist in Hamburg adäquate Gebäude zu finden. Große Stadt, viele Künstler, wenig Platz. Das wollten wir ändern und eine neue Farbe für die Szene hinzufügen. Nach 2 ½ Jahren kaputt Hauen, Renovieren und Bauen arbeiten wir auf zwei Etagen mit über 25 Parteien zusammen, die hier proben, werkeln, basteln, im Büro sitzen usw.

 

Wo siehst Du ihr Brett in fünf Jahren? Als gute Firma braucht man schließlich immer einen guten Business-Plan.

Hoffentlich immer noch am Interviews schreiben. Denn das würde bedeuten, die Nummer interessiert noch irgendwen.

 

Zum Ende hin würde ich gerne noch ein kleines Brainstorming mit Dir machen. Ich werfe einen Begriff hin und Du schreibt, was Dir als Erstes dazu einfällt.

Szene… am Arsch.
Fußball… ist die Luft zum Atmen.
Hamburger Schule… hat uns nie interessiert. Wobei die neue Platte von Tocotronic wirklich gut ist.
Vinyl… ist sexy.
Groupies… Perlen vor die Säue.
Zum Schluss ein Zitat: Amateure warten auf Inspiration, Profis setzen sich hin und arbeiten… Eben.

 

Ach ja, ganz zum Schluss noch: Hasst ihr Hunde so sehr, dass ihr sie in euren Songs ständig sterben lasst?

Ehrlich gesagt sind wir ausgemachte Hundeliebhaber. Wobei man Stefan ausnehmen muss: der ist ausgemachter Hardcore-Allergiker mit einer feinen Prise Hypochondrie. Aber eigentlich mag er sie trotzdem.

 

 

In ein paar Tagen sind Brett übrigens wieder live unterwegs. Solltet ihr euch auf jeden Fall mal antun. Denn wer weiß, ob man das Quartett mal wieder in so kleinen Schuppen sehen kann.

23.03. Berlin, Musik und Frieden (Blaues Zimmer)
24.03. Hamburg, Hafenklang
25.03. Köln, Jungle
26.03. München, Backstage (Club)
27.03. Stuttgart, ClubCANN