Wer einmal vor einer Bühne von Michèl von Wussow gestanden hat, ist verzaubert. Verzaubert von der offensichtlichen, fast greifbaren Liebe, mit welcher der Künstler Musik macht. Natürlich, er würde theoretisch ebenso perfekt in das Bild des Schwiegermutterlieblings passen und sich wundervoll in eine Liste voller Nico Santos, Wincent Weiss und ähnlicher Popsternchen einreihen. Warum dieses Bild aber zu niemandem passt, der seit Kindesbeinen an Musik macht, als Straßenmusiker unterwegs war und in der Musik einen Weg gefunden hat, seine eigenen Traumata zu verarbeiten, haben wir im Interview erfahren. Genauso hat uns der gebürtige Hamburger erzählt, wie es ist mit der Last eines Überhits wie „Narbenherz“, der in der „Fest & Flauschig“-Playlist von Olli Schulz gelandet war, umzugehen oder wie sehr er sich auf sein neues Album freut.
Ich habe gelesen, dass du in der Vergangenheit durch den Popkurs Hamburg gerne zusammen mit anderen deine Songs geschrieben hast (u.a. Helge Preuß,). Ist das so geblieben?
“Yes, genau, der Popkurs Hamburg war ultra schön und wichtig für mich. Dort habe ich meine Liebe zu deutschen Texten gefunden, ich habe Helge Preuß, meinen arschgeilen Produzenten, kennengelernt und herausgefunden, wie ich am liebsten kreativ arbeite: im kleinem Team, mit Leuten, die mir nah sind. Das ist heute immer noch genau so.”
Du hast jetzt ja sicher eine Weile an deinen Songs geschraubt, jetzt entlässt du sie in die Welt: Wie gespannt bist du auf die Reaktionen?
“Ich bin wirklich derbe aufgeregt, gerade weil ich diese Platte in einer unglaublich aufregend schönen, aber auch schwierigen Lebensphase geschrieben habe: ich bin so nah ran gegangen wie noch nie, habe erste Steps in meiner eigenen Traumabewältigung gemacht und versucht mit den Konflikten meiner Generation bzw. den gefühlt unmöglichen Aufgaben meiner Generation umzugehen. Ey und trotzdem konnte ich dabei nie die Hoffnung verlieren. Ich war schon immer melancholisch-optimistisch und all das ist auf „Traum B“ zu hören. Ich habe mir einen musikalischen Safeplace gebaut, vielleicht wird es auch einer für Menschen, die das Album hören. Das würde mir ALLES bedeuten.”
Mit „Narbenherz“ hattest du sozusagen einen Überhit. Überschattet das in gewisser Weise auch dein Schaffen, weil es schwer ist, so etwas zu wiederholen?
“Ich hatte vor Beginn der ersten Sessions zu „Traum B“ wirklich Angst davor, nichts hinzukriegen. Aber die ist glücklicherweise mit dem ersten Songwriting-Tag zur Platte weg gegangen. Ich habe ab dann wirklich ganz bewusst das genommen, was eben aus mir raus kam und nie versucht ein ,,Narbenherz 2.0.” zu schreiben. „Traum B“ ist eine Platte, bei der ich schon jetzt das Gefühl habe, dass ich in 20 Jahren drauf zurück gucken kann und sage: Geil, ich bin stolz auf das, wie und was da damals entstanden ist.”
Deine musikalische Karriere ist jetzt knapp vier Jahre alt und in dieser Zeit ist schon mehr passiert als manch anderem Kunstschaffenden in seiner ganzen Karriere. Wie gelingt es dir trotzdem, Ziele zu haben – für dich selbst, aber auch die nach außen sichtbaren?
“In erster Linie bin ich krass dankbar, was mir durch meine Kunst passiert und das mein 1000%iges Commitment zur Musik auf diese Art und Weise belohnt wird. Ich versuche mir immer wieder bewusst zu machen, wie unglaublich das alles ist, gerade für Tage, an denen das Gefühl stark ist, dass die ganze Welt es besser macht, als man selbst. Sich Ziele zu stecken ist unglaublich wichtig, es gibt mir ganz viel Kraft und die Momente, in denen etwas Wirklichkeit wird, dass man sich mal als Jugendlicher oder auch kurzfristiger vorgenommen hat, kann ich nicht wirklich in Worte fassen.
Ein Großes Ziel für mich: meine Musik auf eigenen Stadionkonzerten spielen.”
Viele deiner Texte behandeln sehr tiefgründige Themen. Wie kommt das zustande?
“Ich brauche immer ein Gefühl oder eine Geschichte. Oder ein Gefühl aus dem eine Geschichte werden kann, das passiert oft in meinem Umfeld oder mir selbst. Man merkt dann mittlerweile recht schnell, ob eine Idee zu einem ganzen Song werden kann. Vor allem ist es aber meine Art und Weise Dinge zu verarbeiten. Es gibt nichts heilenderes für mich.”
Was bedeutet dir das Live-Spielen, und wie bereitest du dich auf deine Auftritte vor?
“Dafür mache ich Musik. Ich liebe es den Leuten die Energie und Emotionen ins Gesicht zu klatschen. So viele Menschen kamen nach Konzerten zu mir und sprachen davon, dass Michèl von Wussow-Konzerte für Sie eine Art Safeplace sind. Darüber freue ich mich eigentlich jeden Tag und bin krass dankbar. Ich kann auf der Bühne immer nur 300000% geben, darunter gehts nicht. Als Jugendlicher habe ich jedes Wochenende und jede Ferien Straßenmusik gemacht, da habe ich einfach sehr viel gelernt über Energie und die Liebe zum ausrasten, sich auf der komplett Bühne fallen zu lassen, entdeckt.”
Fotocredit: Nicolai Ditsch
Michèl von Wussow –Live 2024
24.08. Hamburg, Hebebühne
08.09. Timmendorfer Strand, Open Air
14.09. Halle, OWL Arena
25.10. Flensburg, Kühlhaus
26.10. Rostock, Helgas Stadtpalast
27.10. Berlin, Frannz Club
29.10. Leipzig, Neues Schauspiel
30.10. München, Milla
01.11. Dortmund, JunkYard
02.11. Köln, Gebäude 9
03.11. Trier, Mergener Hof
04.11. Frankfurt, Nachtleben
06.11. Münster, Sputnik Café
07.11. Hannover, Musikzentrum
08.11. Bremen, Tower
09.11. Braunschweig, Eule XO
10.11. Hamburg, Bahnhof Pauli