Hi! Spencer haben es in den gut 10 Jahren ihres Bestehens irgendwie geschafft, sich in den Gehörgängen der Leute festzusetzen, was sich in radikal ausverkauften Touren widerspiegelt (um den etwas flachen Wortwitz mit steil nach oben” hier einmal auszusparen). Wir haben uns mit Sänger Sven Bensmann darüber unterhalten, warum eine gewisse Grundgelassenheit und Vertrauen auf die Zukunft nicht nur beim Songschreiben hilft. Außerdem hat er uns erzählt, wie „Nebel“ ganz unerwartet zum Song mit den schönsten Reaktionen wurde und ganz allgemein, warum ein Song sich sein Publikum sucht und nicht umgekehrt. Zudem erfahrt ihr, warum es Glamour und Glitzersakkos – bei aller Ironie – bei ihnen nicht gibt.
Seit „oben“ werdet ihr mit den Prädikaten „ausverkauft“, „durchstarten“ und ähnlichem versehen. Ich verstehe nicht, warum, wo ihr doch schon so lange zusammen Musik macht und eigentlich sehr organisch gewachsen seid?
„Ich finde, das ist eigentlich schon sehr treffend beschrieben. Das haben wir selbst nie über uns gesagt. Ich glaube, es hängt damit zusammen, dass wir in den letzten Jahren einfach von mehr Menschen wahrgenommen wurden – im besten Fall positiv wahrgenommen. Aber wir sind seit über 10 Jahren unterwegs, machen Musik, schreiben Songs, gehen ins Studio und versuchen, mit diesen Songs möglichst viele Menschen zu erreichen. Das klappt immer besser und ist für uns der Kern, eine Band zu sein.“
Wie fühlt sich dieses Feedback an?
„Wir machen uns da nicht so mega viel daraus. Es ist schön, wenn die Leute das als etwas Positives beschreiben. Aber ich glaube, das ist eher eine reißerische Aussage.„
Gleichzeitig habt ihr jetzt sicher den Luxus, etwas mehr verteilen zu können als früher. Ein gutes Gefühl?
„Es ist tatsächlich so, seitdem Leute das mit dem Durchstarten schreiben: Wir haben jetzt 10 Jahre lang immer alles, was wir mit der Band verdient haben, in die Bandkasse gesteckt. Keiner von uns hat damit jemals eine Batzen Kohle bekommen. Dafür sind wir auch nicht angetreten und wir haben uns diesen Gedanken bewahrt, dass es wirklich um die Musik geht, darum, Konzerte zu spielen und Live-Erlebnisse zu haben.
Ganz ehrlich? In den letzten zwei Jahren konnten wir zumindest mehr vom Kuchen verteilen – auch an die Leute, die mit uns arbeiten. Das ist natürlich sehr schön. Weil außer mir haben alle noch Jobs nebenbei. [Anm. d. Red.: Sven Bensmann steht auch als Comedian auf der Bühne] Bei mir ist der Job, den ich nebenbei habe, sehr identisch mit dem, was ich hier mache. Aber ja, es ist total cool und es fühlt sich richtig schön an.“
„Oben” ist so viel positiver, was ihr bewusst so klingen lassen wolltet. Wie hat sich das entwickelt?
„Ich kann ganz ehrlich sagen, dass es nicht so geplant war, es gab keinen kalkulierenden Faktor, sondern man fängt wirklich beim Songschreiben an: Man setzt sich hin und hört in sich hinein, was sind die Dinge, die man ein bisschen bearbeiten will? Natürlich kann man auch darüber schreiben, wie toll ich heute die Wohnung geputzt habe, aber das interessiert ja niemanden. Dieser Positivismus, dieser Optimismus in diesem Album, ist ja auch nicht so omnipräsent, sondern lediglich für unsere Verhältnisse. Wir sind jetzt an einem anderen Punkt – sowohl in unserem Bandleben, als auch in unseren ganz individuellen eigenen Leben.“
Ich mochte auch eure melancholische Seite sehr gerne. Warum hat sie nicht mehr so viel Raum?
„Ich kann ja dennoch diese Musik, die ich vorher sehr lange gemacht habe, noch genauso schreiben. Die Musik, die wir vorher geschrieben haben, schreiben wir auch weiterhin. Wir haben nur eine kleine Nuance hinzugefügt: Wenn man sich z.B. einen Song wie „Schalt mich ab“ anschaut, dann ist am Anfang, in der Mitte und am Ende inhaltlich alles gleich. Jetzt haben wir uns erlaubt, in diesem letzten Drittel der Songs, den Erzählungen, noch diesen positiven Ausblick zu geben. Dinge müssen nicht zwangsläufig negativ beeinflusst bleiben. Sie können sich ändern, es gibt die Möglichkeit, aus bestimmten negativen Umständen auszubrechen. Zu der Zeit, als ich den Text zu „Schalt mich ab“ geschrieben habe, hatte ich diese Aussicht nicht. Da war alles düster und ich hatte vielleicht gar nicht den Willen, dass es besser wird. Dementsprechend hat es sich quasi auf ganz natürliche Art und Weise weiterentwickelt.“
Glaubst du, dass Selbstfindung ein wichtiger Aspekt kreativer Arbeit ist?
„Ja, definitiv. Natürlich gibt es auch Musikgenres, in denen entweder immer Friede, Freude, Eierkuchen oder Party total ist. Aber darüber reden wir ja gerade nicht. Wenn man ernsthafte, tiefgründige Musik machen will, dann ist es, glaube ich, umso wichtiger, dass die Leute, die das auf die Bühne oder auf die Platte bringen, sich mit dem Inhalt identifizieren können. Wenn wir jetzt alle mit Glitzersakko oder viel Glamour und so auf die Bühne gehen und dann so was singen wie „Schalt mich ab“ – das würde nicht passen. Natürlich gibt es Möglichkeiten, das mit einer ironischen Brechung zu machen, aber dafür sind wir einfach nicht die Leute. Also ich glaube, je ernster man das machen will, desto mehr muss man sich über die Texte Gedanken machen, damit es wirklich das ist, was man sagen will und nicht nur das, was gefällt. Am Ende sucht sich ein Song nämlich das Publikum und nicht, dass er immer dem, was schon da ist, gefallen muss – zumindest nach meinem Verständnis.„
Davon bin ich auch überzeugt.
„Das sind auch Gespräche, die wir oft im Bulli führen. Wir waren gestern in Saarbrücken und haben durch die ganze Berichterstattung rund um das Hochwasser viel an die Leute gedacht und überlegt, wie wir das jetzt ansprechen. Der Tenor ist immer: Immer von der Bühne aus ansprechen. Die Leute sind nicht blöd und ein Publikum denkt auch kollektiv.“
Wie war denn das Feedback dazu?
„Oh, das war gestern sehr spannend. Das würde jetzt fast den Rahmen sprengen, aber es war gestern wirklich sehr, sehr unterschiedlich. Von Anfang an – auch von Veranstaltungsseite – wollten wir gerne spielen, weil Saarbrücken und vor allem die Innenstadt von Saarbrücken nicht vom Hochwasser betroffen war. Es kann sein, dass wir eine etwas höhere No-Show-Quote haben werden, weil die Leute von außerhalb, wo wirklich viel passiert ist, nicht kommen können. Wir sind auch an Landstrichen vorbei gefahren, wo wir gesagt haben, Alter, das sieht ja ganz schön heftig aus! Aber in Saarbrücken – und das will ich gar nicht herunterspielen – war alles genau wie vorher. Die Leute, die gekommen sind, hatten wirklich Lust auf ein Konzert und konnten sich im Zweifelsfall auch mal ablenken.”
Gerade als reiner Künstler: Wie gehst du mit kreativen Blockaden um?
„Ich bin Gott sei Dank noch nicht an diesen Punkt gekommen. Es gibt Durststrecken, aber ich habe so eine gesunde Gelassenheit und vertraue darauf, dass schon etwas kommen wird. Wir sind zwar noch relativ jung, aber wir machen das wirklich schon sehr lange und haben einen gewissen Erfahrungsschatz, aus dem wir schöpfen können. Es gab schon Momente, wo ich gesagt habe, oh Gott, jetzt muss ich mir so viel ausdenken oder so viel einfallen lassen – ob das jetzt Songs sind oder neue Comedynummern. Aber am Ende waren sie immer da. Warum soll das nicht auch in Zukunft so sein? Das Schöne ist, dass es eine ganz natürliche Verbindung gibt. Wenn man anfängt, einen Song oder eine Nummer zu schreiben, ist es, als würde man in so einen Tunnel gehen: Es macht wahnsinnig viel Spaß, es gibt einem total viel und man verliert sich total darin – so entsteht das alles.“
Was machst du, wenn es mal nicht so läuft?
„Was mir persönlich super hilft, ist, dass man sich wirklich wortwörtlich in Bewegung setzt. Wenn man nur zu Hause sitzt, wo ich meistens die Sachen schreibe, und merkt, da kommt nichts, dann nimm alle Gedanken mit, aber verlasse den Ort. Das hilft mir total. Ich habe zum Beispiel mein (noch) aktuelles Comedyprogramm zu Coronazeiten geschrieben. Weil ich so viel in meiner Wohnung war, bin ich immer zu meinen Eltern gefahren, in mein altes Kinderzimmer. Das ändert sofort die Perspektive.“
Wie waren bisher die Reaktionen auf euer neues Album?
„Schon von der ersten Show an war es für uns alle super beeindruckend, dass die Leute die neuen Songs sofort mitsingen konnten. Ich kopple das jetzt einfach mal ganz naiv darauf, dass es den Leuten gefällt. Die saugen das auf und nehmen das mit, es gibt ein paar Songs wie „Nebel“, der hat so Reaktionen hervorgerufen, die wir so noch nicht erlebt haben. Der entwickelt sich gerade zu einem sehr ehrlichen Couple-Song. Als Paar erlebt man das einfach sehr oft, was da beschrieben wird: Eine Person in der Beziehung, die vielleicht gerade eine etwas schwierigere Zeit durchmacht, und die andere Person, die ihr zur Seite steht. Da gibt es sehr knuffige Bilder vom Publikum.“
Du bist nicht der einzige Sänger bei euch, auch Malte übernimmt immer wieder Parts. Seid ihr generell Fans von Abwechslung auf den Alben?
„Ja, wir finden das immer sehr belebend für das Gesamtprodukt. Wir haben tatsächlich ein paar Anfragen an transidente Personen für „Hallo Jolien“ geschickt. Aber nach ein bisschen Selbstreflexion, die wir bei diesem Song sowieso super viel gemacht haben, haben wir natürlich Absagen bekommen. Das ist ein Song, der aus der supportenden Perspektive kommt. Aber es gab ein paar Transpersonen – das war echt schön – die gesagt haben, dass sie den Song richtig stark finden und dass wir das unbedingt machen sollen.“