Von Brücken

Interview – “Das ist das persönlichste Album, was ich jemals getextet habe” Nicholas Müller, von Brücken

Am Freitag ist das Debutalbum „Weit weg von fertig“ der Band von Brücken erschienen. Nicholas Müller und Tobias Schmitz haben nach ihrer gemeinsamen Zeit bei Jupiter Jones ein neues Projekt gestartet. Vor dem Albumrelease durfte ich mich mit der Person unterhalten, die dafür verantwortlich ist, dass ich selbst Musik mache. Nicholas Müller stand mir eine knappe halbe Stunde am Telefon Rede und Antwort. Hierbei ging es um von Brücken, die Tiefe der Texte und um Kim Frank. Aber seht selbst:

André:
Hallo Nicholas! Schön, dass du, trotz der ganzen Promotermine, Zeit für uns gefunden hast! Von Brücken ist für euch beide ja jetzt ein komplett neues Projekt. Tobi und du habt gemeinsam bei Jupiter Jones (JJ) gespielt und nun gibt es ein neues gemeinsames Projekt nachdem ihr beide nicht mehr für JJ im Einsatz seid. Wie kam es denn nun dazu? War das schon länger angedacht? Vielleicht sogar schon während der JJ-Zeit?

Nicholas:
Ehrlich gesagt nee! Das ist übrigens eine tolle Antwort auf eine Entweder-oder Frage, da kannst du mit einem „Nein“ ja wirklich super viel anfangen. Ich mache das alles mal ausführlicher!

Wir haben schon immer sehr, sehr gern zusammen Musik gemacht, das hat sich allerdings meistens darauf beschränkt, dass immer wenn ein Klavier in der Nähe stand und wir zusammengesessen haben, wir die Hits der 70er bis 2000er spielten. Aber so ein zweites Projekt, eine zweite Band, war zu JJ Zeit niemals Thema. Da hat JJ auch einfach zu viel Zeit in Anspruch genommen, was auch immer wichtig war. Wir haben da nie was geplant.

Als ich dann bei JJ ausgestiegen bin und dann irgendwo an einem Punkt angekommen war, an dem ich sagen konnte „Okay jetzt fühlst du dich wieder gesund und fit genug, um wieder über Musik nachzudenken”, da war allerdings auch sofort klar, dass ich Tobi als ersten anrufe, weil uns eine Freundschaft verbindet die jetzt schon über ein Jahrzehnt geht. Wir haben schon sehr viel Musik zusammen gemacht und ich weiß einfach um seine Qualitäten. Er ist ein fantastischer Komponist und da war halt irgendwie klar, dass ich mit Tobi zusammenarbeiten möchte.

André:
Was war dann wieder der Antrieb der dich dazu brachte zu sagen: „Jau, hier bin ich wieder. Ich habe wieder bock in der Manege zu stehen!“

Nicholas:
Nunja, das Leben geht ja nun mal weiter, auch wenn man eine Pause einlegt. Irgendwann war ich an einem Punkt an dem ich mir überlegen musste, wie es denn weiterhin aussieht. Irgendwie war klar, dass ich immer was mit Musik machen wollte – genau genommen kann ich auch nichts anderes. Am Anfang war immer der Plan hinter den Kulissen tätig zu sein, da ich mir sagte “nun gut jetzt bin ich einmal gescheitert und das auch mit Pauken und Trompeten”. Da hat sich aber auch schnell herausgestellt, dass das gar nicht meine Baustelle ist. Nur für andere Leute texten und teilweise Demogesänge aufnehmen und solche Geschichten – das sind tolle Jobs, da kann man sich nicht drüber beschweren, aber das hat sich alles nur so halbrichtig für mich angefühlt. Mir hat da einfach eine Menge gefehlt.
Dann kam Tobi hinzu und wir haben eigentlich beschlossen nur ein bisschen zu jammen und einfach mal Musik zu machen, weil es genau das war, was mir so gefehlt hat. Das haben wir dann auf dem M.A.R.S [Anm.: Tonstudio von Thomas D.] getan, wo wir auch die Platte aufgenommen haben. Das hat sich einfach super angeboten dafür – da gibt es halt einfach alles an Instrumenten, ein Studio, tolle Leute und Tobi wohnt in der Nähe.
Wir haben da gleich am ersten Tag „Gold gegen Blei“ geschrieben. Nachdem das eingesungen war, bin ich aus der Regie raus und hab gesagt: „Okay, alles klar. Hier muss mehr daraus gemacht werden!“. Tobi hat sofort zugestimmt und auch unser Produzent, der damals schon dabei war, sagte „Jau, das kann man machen.“. Das war dann so die Initialzündung um zu sagen, dass wir da was machen sollten!

André:
Und nach der Idee und der Umsetzung kam dann sicher die Frage nach einem Bandnamen.
Warum von Brücken?

Nicholas:
Wir sind fast wahnsinnig geworden. Wir haben das Album aufgenommen, so viele Songs geschrieben, durcharrangiert, aufgenommen mit mindestens zehn Musikern über sieben Wochen, das Layout stand bereits und alles war super, aber wir hatten immer noch keinen Namen und das obwohl wir so viele Vorschläge hatten. Irgendwann kam Tobi dann und sagte, dass Brücken ein schönes Bild für das was mir machen darstellen. Wir machen Pop-Musik, halten aber die Augen in alle anderen Richtungen offen – da werden schon Brücken geschlagen. Wenn man jetzt ganz philosophisch werden will, kann man auch sagen, dass das die Brücken aus der Vergangenheit in die Zukunft sind. Jedes erdenkliche Bild darf daraus gebastelt werden, was man halt möchte! Außer: von Brücken springen.
Ich hatte dann den Wunsch den Landadel mit einzubringen und uns „von“ zu schimpfen – Familie von Brücken sozusagen. Damit war der Name dann geboren. Das war auch wirklich der erste Vorschlag, nach vielen anderen, mit dem direkt alle zufrieden waren und dann waren wir alle glücklich.

André:
Das Album trägt den Namen „Weit weg von fertig“. Wie stolz seid ihr nun da drauf? Was ist eure Erwartungshaltung?

Nicholas:
Unsere Haupterwartung haben wir eigentlich erfüllt, indem wir eine Platte aufgenommen haben bei der wir sagen können, dass wir da 100% dahinter stehen. Wir sind sehr glücklich damit und tatsächlich auch ein bisschen stolz darauf.

Also ich bin Papa, ich weiß wie es ist, wenn das Kind anfängt sprechen zu lernen, da bin ich auch stolz, obwohl ich da wenig zu beigetragen habe. So ist es jetzt gerade aber auch.

Weiterhin davon Leben wäre auch wirklich schön, weil wir nun mal Hauptberuflich Musiker sind.
In erster Linie wollen wir das Kind aber jetzt erstmal zur Welt bringen. Wir haben es ab Januar, sieben Wochen lang aufgenommen, jetzt haben wir Ende Oktober, das Ding kommt raus und da ist schon so viel Zeit vergangen – wir schreiben schon am nächsten Album. Das muss jetzt mal raus in die Welt.
Wenn es dann vielen Leuten gefällt, dann ist das wunderschön! Wenn es einigen Leuten sogar hilft, oder einfach ein paar gute Stunden beschert, dann ist die misson accomplished.

Da jetzt Gedanken über riesige Konzerte oder Chartplazierungen zu machen, würde die ganze Vorfreude auf den Albumrelease total wegnehmen. Dann setzt man sich selbst nur unter Druck und macht sich selbst zum Leistungsträger und das muss echt nicht sein.

Wir haben eine schöne Platte aufgenommen und die bringen wir jetzt raus. Damit sind wir auch erstmal beschäftigt genug.

André:
Das habt ihr in der Tat geschafft! Ich würde jetzt gern ein wenig auf deine Texte eingehen.
Du sagtest das Album sei ab Januar aufgenommen worden. Sind alle deine Texte dazu im Studio entstanden, oder gab es noch welche aus der Zeit vor von Brücken, die du unbedingt noch verwenden wolltest?

Nicholas:
Also ich bin niemand der auf Halde schreibt. Ich habe ein Notizbuch, da schreibe ich Sätze rein, die ich für gut empfinde. Die Texte für das Album, sind allerdings wirklich für das Album entstanden.
Oft war es so, dass Tobi und ich in einem Raum waren – Tobi hat am Klavier gearbeitet und erste Ideen vorproduziert. Ich habe dann in der Nähe gesessen und die Texte geschrieben – Zuhause oder auf Zugfahren habe ich die dann meist fertiggestellt.
Tatsächlich ist es aber so, dass Tobi eine Schlagzahl hat, da kann man schwer mithalten. Ich habe quasi das halbe Album im Studio, während der Produktionszeit geschrieben. Da sind keine „Altlasten“ dabei – das ist alles Frisch!

André:
Ich empfinde die Texte der Songs auch irgendwie “anders”, als die Texte zuvor! Kann da gar nicht genau sagen, was ich da als “anders” empfinde. Durchdachter, ehrlicher, intensiver? Ist das so?

Nicholas:
Kurz bevor ich dich angerufen habe, habe ich mit einem Kollegen von dir telefoniert und wurde sehr ähnlich dazu angesprochen. Musikalisch ist es natürlich so, dass jeder seinen eigenen Stil hat. Kompositorisch ist das natürlich ein anderer Schnack, als bei JJ. Da ist die Vorgabe vielleicht auch ein wenig anders – ein bisschen intimer.
Mir ist das gar nicht so aufgefallen, aber da ich jetzt innerhalb einer halben Stunde zweimal darauf angesprochen wurde, wird es wohl schon so sein, dass sich was geändert hat. Ich habe dann die leise Theorie aufgestellt, dass ich durch die Zeit mit meiner Erkrankung und auch danach – überhaupt so das ganze Thema – so offen darüber gesprochen habe, dass ich insgesamt vielleicht ein wenig nahbarer geworden bin. All diejenigen, die die Platte hören und sich vorher mit mir auseinander gesetzt haben, wissen eine Menge über mich. Vielleicht ist das dann fast schon etwas freundschaftliches, eher etwas was ein alter Bekannter erzählt, von dem man viel weiß, als das Abstrakte was irgendwer erzählt, dem man gerne zuhört, aber bei dem man nicht so viel weiß. Vielleicht auch beides. An meinem Schreibstil habe ich allerdings gar nicht allzu viel geändert.

André:
Durch den Eindruck der Texte kam mir dann die Frage in den Sinn, ob „Weit Weg von Fertig“ somit dein persönlichstes Album ist? Du warst ja ohnehin schon immer sehr persönlich in deinen Texten, so kam es mir immer vor, aber ist das nun etwas Besonderes?

Nicholas:
Genau. Das ist die Welt in der ich mich bewege, also da kenne ich mich aus. Ich schreibe ungern über Dinge, mit denen ich mich nicht gut auskenne. Auch wenn ich natürlich eine politische Haltung habe, würde es aber niemals ein rein politisches Album oder Texte von mir geben, weil es da einfach Leute gibt, die sich einfach viel besser auskennen.

Was in mir Abgeht, da weiß ich Bescheid. Das habe ich erforscht und ausgemessen. Da weiß ich was ich sage und da erzähle ich keinen Quatsch. Daher sind die Texte dann schon sehr persönlich, ja.

Was ich aber mit Sicherheit sagen kann ist, dass „Weit weg von fertig“ das persönlichste Album ist, was ich jemals getextet habe. Die gesamte Entstehungsphase, nach dieser ganzen Angelegenheit und auch eine Frage des Alters wird es sein. Die erste JJ Platte war auch unheimlich persönlich, aber da war ich 21 oder so. Jetzt bin ich Mitte 30, da ändert sich das schon ein bisschen.

André:
Ihr seid dann auch sehr schnell bei einem Label und bei einer Bookingagentur untergekommen. War das auch dem geschuldet, dass Tobi und du – durch die ehemalige Band – zuvor schon so gut versorgt waren?

Nicholas:
Klar! Da hatten wir schon einen ganz komfortablen Vorsprung. Dadurch, dass es JJ gab und dass das ja auch echt gut funktioniert hat, war es schon verhältnismäßig einfacher einen Plattendeal zu bekommen, aber ganz sicher nicht selbstverständlich. Es war jetzt nicht so, dass uns die Verträge an den Kopf geschmissen wurden. Wir haben uns an unser altes Label gewandt, eben FourMusic, die waren dann doch schnell im Boot, was uns sehr gefreut hat, weil es einfach auch ein tolles Label ist. Da kennt man auch einfach jeden der da arbeitet.

Was das Booking angeht, da sind wir auch bei Bewehrtem geblieben. Das ist Sparta Booking aus Münster, die machen derweil auch das Management und den Co-Verlag usw.
Dass wir da geblieben sind, liegt einfach daran, dass wir seit Jahren einfach eine Freundschaft zueinander aufgebaut haben. Einer der beiden sitzt hier am Steuer, ich muss aufpassen, dass ich ihm nicht zu viel Honig ums Maul schmiere.
Wir sind halt nie enttäuscht oder übers Ohr gehauen worden, was ja jetzt auch im Musikbusiness nicht so selten ist. Ich zähl die beiden zu meinen besten Freunden. Die haben den Ausstieg bei JJ damals auch mitgetragen. Die Booking-Frage stellte sich dann auch gar nicht weiter. Als die Sparta Jungs sagten, dass sie dabei seien, waren wir dann auch sehr glücklich.

André:
Ihr habt innerhalb der Woche euer Musikvideo zu „Gold gegen Blei“ veröffentlicht. Regie führte Kim Frank. Wie kam denn das zustande? Ich war sehr überrascht, dass er Musikvideos macht und das auch noch richtig, richtig gut! Kennt ihr ihn schon lange? Ist er auch ein alter Bekannter?

Nicholas:
Ein alter Bekannter wäre übertrieben. Ich kannte seine Arbeiten schon, auch wenn das musikalisch teilweise überhaupt gar nicht mein Stil war, fand ich die Videos aber immer toll. Und das galt halt auch für Tobi und für alle Beteiligten.
Wenn man so ein Video drehen will, dann sucht man sich ein paar Adressen raus, da man ja nicht erwarten kann, dass der ultimative Wunschpartner direkt zuschlägt oder Zeit hat.
Von all den Leuten, die uns dann geschrieben und die Treatments zukommen gelassen haben, war Kim derjenige der es am besten verstanden und es daher auch am besten getroffen hat, wie es eigentlich aussehen soll, wenn man von Brücken in Musik fasst.
Kim hat es dann einfach geschafft, schon in dem Treatment alles so aufzuschreiben, dass uns klar war, dass das funktionieren wird.
Das faszinierende ist, dass das fertige Werk dann direkt eins zu eins das war, was wir zuvor aufgeschrieben haben – das habe ich niemals für möglich gehalten. Es ist eigentlich egal was man macht, ob es nun ein Artwork ist, oder der Mix von einer Platte, man geht immer in Revision – man sagt immer noch mal „kannst du nicht hier“ und „mach doch mal dort“ und das war in den letzten 10 Jahren das erste mal nun so, dass uns etwas zugeschickt wurde und alle gesagt haben: „Jo! Bitte so machen! Das Ding ist fertig!

Das liegt nicht an überzogenen Vorstellungen von unserer Seite, das liegt einfach daran, dass er ein unheimliches Verständnis für sein Werk hat. Von mir aus gerne jetzt alle Videos mit Kim Frank – minimale Arbeit mit maximalem Output! Eine ganz gute Maxime eigentlich!

André:
Nicholas, das war es dann auch schon! Ich bedanke mich herzlich bei dir für deine Zeit und wir sehen uns dann hoffentlich im Februar auf Tour. Alles Gute für euch!

Nicholas:
Danke! Auf Tour ist super. Machs gut und bis Februar dann!

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