Interview: Beatsteaks – Zurück zu den AJZs

Die Beatsteaks haben nicht nur ein neues Album („Please“) am Start, nein, sie haben auch eine Tour durch überwiegend ostdeutsche AJZs der Republik geplant. Aber, oh Gott, Tickets dafür gab es nur in Ausnahmefällen online zu kaufen. Wie die Reaktionen zu dieser Tour ausfielen, ob es nur sehr cleveres Marketing war und was es mit dem neuen Album so auf sich hat – das wollten wir von Thomas und Peter inmitten der AJZ-Tour wissen. Außerdem natürlich auch wie das Band- bzw. Eheleben nach knapp 30 Jahren so funktioniert.

Wie kam es dazu, dass ihr euch entschieden habt, eine Tour durch die AJZs in vorwiegend Ostdeutschland zu machen?

Thomas: „Wir wollten das Nützliche mit dem Schönen verbinden. Wir wollten einfach spielen und uns auch ein bisschen vorbereiten. Da wir so lange nicht mehr live gespielt haben, auch erst mal Tuchfühlung aufnehmen. Das lässt sich natürlich in etwas kleineren Clubs sehr gut umsetzen, aber auf der anderen Seite wollten wir auch ein Zeichen setzen und uns mit autonomen Zentren in Ostdeutschland, dort, wo rechte Kräfte gerade am stärksten sind, solidarisch zeigen.“

Wie schwer war es die Venues dafür auszuwählen? Wie vielen musstet ihr absagen?

Thomas: „Eigentlich sehr einfach. Wir haben einfach nur nach Terminen geschaut.“

Dann habt ihr gar nicht nach Location gewählt?

Thomas: „Nein, das wäre nicht möglich gewesen. Unsere Booking-Agentur hat Erfahrung mit mit den Zentren. Wir hatten Freunde in befreundeten Bands die uns Empfehlungen gegeben haben.“

Peter: „… und selber wussten wir auch ein bisschen was und das alles zusammen ergab die Auswahl.“

Habt ihr selbst besondere Erinnerungen oder Erfahrungen an die AJZs, in denen ihr jetzt tourt?

Peter: „Ich merke – gerade jetzt, wenn wir hier in den Clubs sind – ist es gar nichts so Besonderes. Eben weil wir das kennen. In so Clubs haben wir angefangen zu spielen. Von daher ist es jetzt nicht so, die großen Beatsteaks spielen in kleinen Clubs, sondern eher so wieder einmal. Für mich ist das gar nicht so besonders, wie für alle drumherum.“

Thomas: „Ich bin zum Beispiel in so Jugendzentren aufgewachsen und es ist sofort ein Nostalgieerlebnis oder ein Wiedererkennungswert wenn plötzlich neben dem Auftrittsraum oder der Garderobe eine Siebdruckwerkstatt ist und dort Shirts gedruckt werden. Das ist sofort ein ah ja, alles wie immer.“

Wenn ihr die Tour jetzt mit der großen Tour vergleicht – was vermisst man da aufgrund der anderen Dimension?

Peter: „Bei der größeren Tour kommen halt mehr Leute. Es gibt mehr Chancen für den euphorisierten Abflug der Halle. Aber hier ist es auch schön, weil es so klein ist und man auch Sachen ausprobieren kann – ein bisschen unter dem Radar. Für mich fühlt es sich wie eine öffentliche Probe mit Show-Charakter.“

Was für Feedback habt ihr bis jetzt zu der Tour erhalten – gerade auch von den Venues?

Peter: „Wir werden sehr, sehr herzlich empfangen, also so freundlich wie sonst selten. Nicht dass wir sonst nicht richtig empfangen werden würden, aber man merkt, dass niemand Dienst nach Vorschrift macht, sondern dass sie alles geben. Man redet total schön und wir finden auch gut, ein Zeichen setzen zu können. Man fragt sich ja manchmal, was man machen kann und jeder sagt, ‚die da oben‘ und so und für uns ist das unser Zeichen des Protestes gegen die Wirklichkeit, in der wir gerade leben.“

Ändert den Verteilungsschlüssel!

Ihr habt damals relativ früh in eurer Karriere entschieden eure Nebenjobs aufzugeben. Etwas was heute kaum noch möglich ist. Oder wart ihr damals besonders mutig?

Thomas: „Könnte sein, dass es zu der Zeit, in der wir uns entschlossen haben, unsere bürgerlichen Berufe an den Nagel zu hängen, ein bisschen einfacher war, diesen Schritt zu gehen. Der Tonträgerverkauf und sowas war alles noch Teil der Einnahmen. Die Einnahmen für Musiker sind einfach geringer geworden. Der Anteil am Kuchen, der verteilt wird, ist einfach kleiner geworden. Deswegen, glaube ich, ist es für jüngere Leute schwerer, den Schritt zu tun und auch mit mehr Kompromissen verbunden. Ich habe das Gefühl, als ob die Verträge, die mit jüngeren Menschen abgeschlossen werden, Stichwort 360 Grad-Vermarktung, es nicht einfacher machen.“

Wie würdet ihr den aktuellen Stand der Musikszene beurteilen, was beobachtet ihr?

Peter: „Dass es eine wirklich faire Abrechnungsmöglichkeit gibt, wo man einfach Teil eines absolut fairen Verteilungsschlüssels ist. Also ich sehe nicht wirklich, wie viel Prozent von irgendwelchen Beträgen bei Spotify oder wo auch immer landen, das ist irgendwie komisch. Irgendwo versickert Geld und jemand wird sehr reich und jemand, der es eigentlich verdient hat, bekommt nicht so viel. Wir sind noch in einer luxuriösen Situation, weil wir unterwegs sind und noch Einnahmequellen wie Merchandising haben. Aber ich finde es auch wirklich schwierig, weil ich nicht sagen kann, ändert das und das. Aber ich hätte ein paar Ideen… Ich meine, nee, nee, es ist okay, dass mich keiner fragt, was meine Ideen wären, aber direkt den Verteilungsschlüssel zu ändern, ist ein super Satz, finde ich.“

Definitiv!

Wenn man als Band nach 7 Jahren wieder ein Album macht – ist das auch ein bisschen wie wieder ganz von vorne anzufangen?

Peter: „Nein, von Anfang an sicher nicht, denn wir haben uns ja nicht sieben Jahre nicht gesehen, sondern wir waren nur durch eine Verkettung unglücklicher Umstände einfach nicht an der Oberfläche der Öffentlichkeit – aber wir waren trotzdem da. Wir waren auch unterwegs, wir haben trotzdem Musik gemacht, nur nicht so intensiv und so kanalisiert wie vorher. Wir haben die Zeit genutzt oder mussten sie nutzen, weil Corona da war, um uns mit uns selber zu beschäftigen. Das Bild der Band schön zu skizzieren, wie soll es aussehen, wenn wir wieder aktiv sind? Wie wollen wir gerne älter werden mit der Band? Wir hatten dann Zeit, uns das zu überlegen – und jetzt sind wir gerade bei der Ausführung.“

Ihr hättet es euch auch einfach machen können und z.B. 20 Jahre „Smacksmash“ feiern können. Was treibt euch weiterhin an?

Thomas: „Unsere Ideen waren zu gut, als dass wir sie jetzt nicht aufnehmen sollten. Also wir hatten schon ganz viele Demos und ganz viele musikalische Ideen, warum also nicht daran arbeiten, warum immer wieder das alte Zeug spielen? Die alten Sachen spielen wir ja auch, aber es ist schon schön, wenn ab und zu was Neues dazukommt.“

Für mich hört sich „Please“ nach einer BS-Wundertüte an: Da sind Songs, die genauso auch eurer Anfangszeit stammen könnten, als auch komplett neue? Wie seht ihr das?

Peter: „Das finde ich schön, dass es für dich als Brückenschlag zu damals klingt. Wir denken natürlich nicht strategisch darüber nach, wie welches Lied ankommen könnte, sondern wir versuchen einfach nur etwas zu machen, was uns im Hier und Jetzt möglichst emotional abholt, ohne das Gefühl uns zu wiederholen. Natürlich werden wir ein bisschen nach uns klingen, aber für mich klingt das erstmal relativ neu, weil wir einen neuen Produzenten hatten, der uns auch erst kennenlernen musste.“

Ein gutes Stichwort. Neben dem neuen Produzenten seid ihr jetzt auch bei JKP gelandet. War euch das wichtig, euch nochmal neu auszurichten, auch in diesem Bereich?

Thomas: „Wir haben schon möglichst allen Schrauben gedreht, die wir gefunden haben. Aber es war jetzt auch nicht so, dass alles böse war, was vorher war. Wir hatten jetzt auch nicht die Nase voll von Moses Schneider (Anm. d. Red.: der ehemalige Produzent), sondern wir wollten einfach was Neues ausprobieren und Moses hat das auch verstanden. Er hat auch gesagt, an eurer Stelle würde ich das ähnlich machen. Außerdem dachten wir auch, komm, lass mal jetzt zu neuen Ufern aufbrechen und auch selber die Plattenfirma sein und nicht wieder bei einem Künstlervertrag unterzeichnen.“

Es muss ja auch nicht immer schlecht sein, neue Impulse zu setzen. 

Thomas: „Total. Bei Olaf Opal war das vollkommen erfrischend. Einfach neue Sichtweisen: Wir konnten nicht einschätzen, wie er z.B. antworten oder reagieren würde. Es war einfach frisch und originell, das hat uns wiederum angespornt.“

Ihr habt mir früher mal erzählt dass die Stimmung beim Aufnehmen für euch sehr wichtig ist. Wie war das im Columbia Theater?

Peter: „Wir waren zwar im Columbia Theater, aber nicht nur. Wir waren da so 10 Tage und haben große Teile dort aufgenommen. Am Anfang war es ziemlich ungewohnt, weil es wirklich ganz schön gescheppert hat und der Raum recht groß war. Es hat ungefähr einen halben Tag gedauert, bis man dort Musik machen und alles hören konnte. Aber dann war es schön. Wir finden sowas eigentlich auch immer gut aus bekannten Gegenden auszubrechen und woanders hinzugehen. Das kann eigentlich gar nicht richtig blöd sein, weil man auf jeden Fall eine Erfahrung macht.“

Thomas: „Ich finde es ist psychisch viel wichtiger: Wenn mal die Laune nicht passt oder irgendwas zwischen zweien ist – dann ist es fast nicht möglich, richtig aufzunehmen.“

Wie geht ihr damit um?

Peter: „Naja, wir sagen schon, komm, lass es kurz klären, damit es weitergehen kann.

Da hilft es natürlich, wenn man sich schon so lange kennt. Da habt ihr bestimmt einen Weg, damit umzugehen?

Peter: „Den Weg hat man, den verliert man aber auch mal. Wir haben jetzt hoffentlich wieder ein paar Werkzeuge bekommen, damit wir gut über Sachen reden können.“

Fotocredit: Timmy Hargesheimer

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