Iannis Xenakis – Electroacoustic Works (Karlrecords, 28.01.2022)

Das wunderbare Label Karlrecords huldigt mit seiner neuesten Veröffentlichung den griechischen Komponisten und Elektronikmusiker Iannis Xenakis. Mit einer fetten 5-CD-Box werden die Werke von 1957 bis 1992 des 2001 Verstorbenen wieder hörbar macht.

Iannis Xenakis’ Lebensgeschichte bietet schon ohne seine Musik genügend Stoff. In Rumänien geboren, zog er mit seinen Eltern zurück nach Griechenland, das nur kurz darauf von den Nazis besetzt wurde. Hier leistete er aktiven Widerstand der letztlich zu einer schweren Kopfverletzung und einem Todesurteil führte. Diesem entkam er nur durch Emigration nach Frankreich und dem Ende des Krieges.

Bereits in Griechenland studierte er Architektur und verwirklichte in Zusammenarbeit mit anderen unter anderem den sogenannten Phillips-Pavillon für die Weltausstellung in Belgien 1968 und das Stadion von Bagdad.

Über die Jahre hatte er auch schon autodidaktisch Musik und Komposition erlernt und gemacht, begab sich dann aber in kompositorischen Unterricht bei Arthur Honegger, Darius Milhaud und Olivier Messiaen. Er komponierte mehrere Werke für vielköpfige Ensembles und stieg so über die Jahre zu einem der führenden Komponisten der modernen Komposition auf. Höhepunkt war vermutlich der Erhalt des Polar Music Prize, der inoffizielle Oscar der Musik.

“Electroacoustic Works” beinhaltet insgesamt 13 Stücke von knapp 3 bis knapp 56 Minuten Länge, verteilt auf 5 CDs, verpackt in schönen Digi-Packs in einem geschmackvoll gestaltetem festen Schuber. Zusätzlich enthalten ist ein dickes Booklet mit ausführlichen Liner-Notes in Englisch und Deutsch, geschrieben von Reinhold Friedl, bekannt mit seinem Ensemble Zeitkratzer und als Deutschlands Ikone der Contemporary Music wohl außerordentlich geeignet, Xenakis Werk zu würdigen.

Xenakis Musik wiederum ist mit Worten nicht zu beschreiben. Wie der Titel sagt, sind die Kompositionen dieses Samplers auf elektroakustische Weise umgesetzt worden. Am besten beschreibt wohl das 46 Minuten lange Stück “La Légende D’Eer” sein Schaffen. Eingeleitet von elektronischen Klängen im Hochfrequenzbereich, die schon ein wenig für Ohrenschmerzen sorgen können, entwickelt sich eine organische Masse aus Sound, Lärm, Elektronik, akustischen Instrumenten, Stille, Drones und Wucht, aber auch Zerbrechlichkeit und Raum. Mäandernde elektronische Klänge werden mit perkussiven Klangwelten angereichert, Geräusch wird zu schwebenden Klangwellen und ab und an bricht auch kontemporäre Kakophonie durch.

Wie gesagt, in Worte geschrieben klingt das wie eine einzige Wand aus Geräusch und Disharmonie, und wer oberflächlich hört und sich nicht in diese seltsame Welt fallen lassen kann, wird es auch als solche abtun und schnell ausschalten.

Lässt man sich jedoch fallen, kann man Klangräume und Klangwelten entdecken, die man so zuvor noch nicht erlebt hat. Und wer dann vielleicht auch die experimentelleren Arbeiten von z.B. Pink Floyd (1966 – 70), David Bowie (über die Jahre mal immer wieder), aber auch moderneren Bands wie Godspeed You! Black Emperor kennt, wird vielleicht das eine oder andere wiedererkennen, ohne dass man hier tatsächliche Vergleiche ziehen könnte.

In jedem Fall bietet diese wunderbar gestaltete Box Einblick in das Schaffen einer der wichtigsten modernen Komponisten und hält damit sein Andenken in Ehren.

 

Early Works
Diamorphoses 7:04
Concret PH 2:51
Orient Occident 11:25
Bohor 21:52

Les Polytopes I 
Hibiki Hana-Ma 18:02
Mycenae Alpha 9:56
Polytope De Cluny 24:52

Les Polytopes II
Persepolis 55:13

Les Polytopes III  
La Légende D’Eer 46:14

Late Works 
Tauriphanie 11:05
Voyage Absolu Des Unari Vers Andromède 15:50
Gendy 3 19:07
5-4 S.709

https://de.wikipedia.org/wiki/Iannis_Xenakis
https://www.discogs.com/de/artist/32202-Iannis-Xenakis
https://www.iannis-xenakis.org/

4.4