Ich stehe ja so dermaßen auf derberen britischen Gesang, dass ich bei der Verteilung des neue Album der Londoner von High Vis zufälligerweise genau zur rechten Zeit die Hände aufgehalten habe.
Frontmann Graham hat scheinbar in den letzten Monaten ordentlich mit Schrauben gegurgelt, anders kann ich mir diese hintergründig fein kratzige Stimme nicht erklären – schon beim sehr poppigen Opener und Album-Titel-Geber “Guided Tour” bin ich geflasht und lasse mich gerne überraschen wie es weiter geht.
… und zwar gut gehts weiter! Bisweilen ruppig, aggressiv, wütend… die Briten haben so einiges, worüber sie sich zu recht aufregen und wozu es sich lohnt, seine Stimme zu erheben. Irgendwo habe ich von einer wunderbaren Symbiose zwischen Pop, Hardcore und Post-Punk gelesen, “Drop Me Out” lässt aber den Pop direkt Mal hinten rüber kippen. Geil Jungs… gebt mir mehr davon!
Stimmlich auf ähnlichem Level, musikalisch aber einen Gang runter geschaltet geht es munter mit “Worth the Wait” und “Feeling Bless” weiter, zwei Nummern die herrlich zeitlos auch gut in den späten 80ern, oder frühen 90ern funktioniert hätten. Schöne harmonische Melodien, ein entspannter, aber dennoch hintergründig dominanter Bass – so kann gute Rockmusik Anno 2024 klingen. Chapeau!
Voller Energie wir mit “Fill the Gap” selbige gefüllt und man lässt “Farringdon” instrumental einfach links liegen… sodass man direkt den “Mob DLA” streift – hier wird übrigens nicht nur der Punk, sondern auch der kassische Sprechgesang groß geschrieben. Alles aber ein wenig entspannter und ruhiger als bei bekannten Größen wie den Herren von The Streets oder den Sleaford Mods.
Ich kann mir nicht helfen, aber High Vis klingen auf “Guided Tour” so herrlich erwachsen oder besser gesagt erfahren, so als würden sie schon seit vielen Jahrzehnten gemeinsam Musik machen – nur schwierig das zu glauben, sind sie doch erst seit 2016 als Band am Start. Aber weiter im Text, wir haben doch keine Zeit – über “Untethered” geht es dann mit “Deserve It” zu meinem heimlichen Lieblingssong auf dem Album. Hier holen mich die Fünf voll und ganz ab, bevor das bereits im Vorfeld veröffentlichte “Mind’s a Lie” den Sack dann beinahe zu macht…
… und mich dann doch nochmal überlegen lässt, ob diese Nummer nicht doch mein Lieblingssong auf dem Album werden soll?! Irgendwie ganz gegen meine Natur, kicken mich nämlich die Gesangssamples der gefeierten Südlondoner Sängerin und DJ Ell Murph, die den Song in meine Gehörgänge brennt. Dann noch die langsam und getragene, leicht wabbernde Melodie als Teppich im Hintergrund – die Nummer kann was!
Bevor ich mich aber ganz verliere, ballert mir zum großen Finale dann noch “Gone Forever” ins Gesicht und bringt mich zurück auf normale Betriebsgeschwindigkeit.
Also für sind High Vis meine britische Neuentdeckung des Jahres und die Scheibe wird garantiert einen Platz im diesjährigen Jahresrückblick finden. Ich bedanke und verneige mich… und warte jetzt schon auf die nächste Scheibe der Londoner!
Titel:
1. Guided Tour
2. Drop Me Out
3. Worth the Wait
4. Feeling Bless
5. Fill the Gap
6. Farringdon
7. Mob DLA
8. Untethered
9. Deserve It
10. Mind’s a Lie
11. Gone Forever
Foto-Credit: Brage Pederson
HIGH VIS LIVE 2024
15.11.2024 Berlin – Festsaal Kreuzberg
20.11.2024 A-Wien – Szene Wien
21.11.2024 München – Technikum
23.11.2024 CH-Zürich – Plaza Club
25.11.2024 Stuttgart – Im Wizemann
26.11.2024 Wiesbaden – Schlachthof
27.11.2024 Köln – Live Music Hall
29.11.2024 Münster – Skaters Palace
30.11.2024 Hannover – Faust
01.12.2024 Hamburg – Gruenspan