Bei Chrysalis Records wühlte man wieder etwas in den Archiven und hat ein weiteres Album der britischen Progger Gentle Giant hervorgeholt. Und zwar das Live-Doppel-Album „Playing The Fool“ aus dem Jahre 1977, welches jetzt als „The Complete Live Experience“ seine Wiederauferstehung in verschiedenen Formaten feiert.
Der Zusatz bedeutet, dass man die Songs des Originals in die ursprüngliche Konzertreihenfolge brachte und zwei bisher fehlende Tracks hinzuaddierte: „Interview“ und „Timing“ mit einem angehängten Geigensolo. Zudem wurde das Ganze natürlich klanglich etwas aufgefrischt. Dieses Mal nicht vom vielbeschäftigten Steven Wilson, sondern von Dan Bornemark, welcher die originalen Bänder neu abgemischt und remastert hat. Diese Neubearbeitung kann sich durchaus hören lassen. Zusammen mit dem Booklet mit bisher unbekannten Fotos und Interviews ergibt das eine runde Sache.
„Playing The Fool“ an sich ist sowieso ein Klassiker der progressiven Rockmusik im eigentlichen Sinne. Gentle Giant hatten damals genau den richtigen Zeitpunkt für eine solche Veröffentlichung gewählt. Zum einen waren Doppel-Livealben vor der großen Punkexplosion durchaus beliebt. Zum anderen befand sich die Band um die Shulman-Brüder auf ihrem künstlerischen und kommerziellen Zenit. Danach sollte es nach einer musikalischen Neuorientierung abwärts gehen, was in der Auflösung 1980 gipfelte.
Gentle Giant waren schon eine recht freakige, bisweilen auch anstrengende Band, die Musik so eigen- wie auch einzigartig. Eine Kombination aus Rock, Folk, Jazz und Kammermusik, voller vokaler und instrumentaler Akrobatik (inklusive diverser Streich- und Blasinstrumente), aber ohne Pomp und übertriebener Epik. Trotz ihrer Versponnenheit doch irgendwie bodenständig und damit etwas ganz anderes als die Progrock-Granden Genesis und Yes.
Und wer sich ein Bild von der Kunst der Truppe machen möchte, ist bei „Playing The Fool“ genau an der richtigen Adresse, bildet es das musikalische Spektrum der Multiinstrumentalisten recht gut ab. Vom noch recht rockigen „Just The Same“, über das kammermusikalische „On Reflection“ bis zum folkigen „Funny Ways“ ist es ein weiter Weg. Großes Highlight ist das viertelstündige Medley aus dem Meilenstein-Album „Octopus“.
Auf jeden Fall gibt es hier genug zu entdecken und viel Spektakuläres zu hören. Wer sich nur im Ansatz für ursprünglichen progressiven Rock interessiert, kommt hieran eigentlich nicht vorbei!
Trackliste:
1. Intro
2. Just The Same / Proclamation
3. On Reflection
4. Interview
5. The Runaway / Experience
6. Sweet Georgia Brown (Breakdown in Brussels)
7. So Sincere
8. Excerpts from Octopus
9. Band Introduction
10. Funny Ways
11. Timing / Violin Solo
12. Free Hand
13. Peel The Paint / I Lost My Head