Mit einem kräftigen elektronischen Beat, der von links kommt, wird das selbstbetitelte Debüt von FYEAR eröffnet, Und danach stürzt sich das neunköpfige Ensemble aus Montréal um Jason Sharp (Bass und Saxophon) und Poet/Texter Kaie Kellough voller Wucht in ihren sehr spannenden Mix aus Elektronik, Jazz, Contemporary und Spoken Word.
Die Gliederung der sieben Stücke in Parts hat ihre volle Berechtigung, denn eigentlich ist das 40 Minuten lange Werk ein einziger Song. Der Kern des Ganzen ist sicherlich die Mixtur der Spoken Words mit den interessanten rhythmischen Gesängen, die die gesamte Spannbreite von geflüsterten über gesprochenes zu geschriebenem, gesungenen oder aber experimentellen Stimmsamples abdeckt. Eine spannende Mischung über die Stereokanäle bringt in diesen Baustein eine sehr spannende räumliche Tiefe.
Die Musik hat die Elektronik als Grundlage. Tiefe dunkle elektronische Bässe kommen und gehen, sphärische Klangwände sorgen für langsame Einleitungen oder aber entspannende Passagen nach anderen instrumentalen Ausbrüchen. Ein großartiges Arrangement nebst einem fantastischen Mix der Elektronik liefert so die genannten sphärischen Parts ebenso wie aggressive Kaskaden.
Zu diesem Teil der Musik gesellen sich dann die eher aus dem Jazz entliehenen Elemente, erzeugt von einem Bass-Saxophon und drei Violinen. Die jazzigen Parts sind die ausufernden Passagen zwischen Free-Jazz und Contemporary, doch diese Einlagen sind wohl dosiert gesetzt, mitunter in den Hintergrund gepackt und ufern so nie in Überambition aus. Sie liefern aber auch unglaublich sphärische Parts, wie zum Beispiel in „Pt IV Degrees“, in dem ein langer dunkler Dronesound von sphärischen und wehmütigen Violinenklängen umspielt wird. Die Spoken Words sind hier geheimnisvoll, es entsteht eine sehr räumliche Atmosphäre. Das Stück steigert sich mehr und mehr in sehnsüchtigen Bombast, der aber nicht drüber, sondern ergreifend und spannend ist.
Das hieraus erwachsende „Pt. V Misconception“ entwickelt sich dann zu einem von elektronischen Beats und treibenden elektronischen Sounds dominierten Stück. Die Violinen liefern einen Soundtrackartigen Spannungsbogen, während sich das Stück in elektronische und instrumentelle Contemporary-Musik verwandelt.
Textlich wird mit vielen sich wiederholenden Worten über den Zustand der Welt und wo das alles enden soll, referiert. Die Art der vokalen Darbietung ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, fügt sich letztlich aber zu 100 % in diese per se ungewöhnliche Musik ein.
Das große Geheimnis des Albums ist der Spannungsbogen, der in den 40 Minuten mehrfach die Richtung wechselt und letztlich trotzdem auf das große Finale hinarbeitet und komplett stimmig ist. Die Soundqualität gibt Ihr Übriges, die Vielfalt an akustischen Reizen ist überschwänglich und trotzdem klingt das alles transparent und richtig. Und zum guten Schluss finde ich das hier sehr innovativ, ich habe zumindest bisher nicht viel ähnliches gehört, wenn natürlich auch hier mit bekannten gearbeitet wird. Aber diese Zusammensetzung der Elemente ist grandios spannend und bei allem Experiment trotzdem sehr eingängig.
Ein grandioses Debüt!
- Pt I Trajectory
- Pt II Mercury Looms
- Pt III Counter Clock
- Pt IV Degrees
- Pt V Misconception
- Pt VI Precipice
- Pt VII Pure Pursuit
https://fyear.ca/
https://fyear.bandcamp.com/album/fyear