DIY – Interview mit Tief in Marcellos Schuld Records

Schon seit einer gefühlten Ewigkeit schwirrt mit der Gedanke für eine Artikelreihe mit Interviews zum Thema DoItYourself im Kopf umher.

Dazu sollen Label, Bands, Veranstalter aus dem Bereich Rede und Antwort stehen, um am Ende einen aktuellen Stand zeichnen zu können.

Immer wieder finde ich mich auf Konzerten, bei denen Bands aus aller Welt auf Hut spielen, kaufe Platten die wesentlich geiler aussehen als der Major-Standard und teilweise handgemachte Cover aufweisen und treffe Leute, die mit Musik als Hobby und Leidenschaft zu tun haben und teilweise sogar noch draufzahlen. Aber was treibt die Leute an? Wie läuft die Produktion und Finanzierung von solchen Platten und Konzerten ab?

Hier also der erste Teil der Bestandsaufnahme in Sachen DIY. Ich hab mich mit Dennis von Tief in Marcellos Schuld Records und der Screamoband Always Wanted War in meinem kleinen Hafenstudio zum Interview getroffen.

1

Sven:

Tief in Marcellos Schuld. Wer steckt da aktuell hinter?

Dennis:

Aktuell bin das nur noch ich. Wenn überhaupt.

Sven:

Wann und mit wem hat das damals angefangen?

Dennis:

Angefangen hat es durch unsere Band “Always Wanted War”. Wir hatten Bock unsere erste EP auf CD zu machen und wollten da irgendwie ein Label draufstehen haben. In erster Linie waren Nikolas und ich da so ein wenig mehr hinter. Wir haben das also zu Zweit in Angriff genommen und so fing das an 2008.

Sven:

Ich weiß noch als ich euch das erste Mal bei einem der ersten Deichbrandfestivals live gesehen habe. Das war schlimm.

Dennis:

Das war sehr sehr schlimm. An einem Samstag um 10.00 Uhr oder so. 30 Leute vor der Bühne.

Sven:

Ich war einer davon. Kurz.

(Gelächter)

Sven:

Wieviele Platten, Tapes und CDs hat Tief in Marcellos Schuld seit 2008 veröffentlicht?

Dennis:

Das müsste irgendwas um die 50 sein. TIMS56 oder so.

Sven:

Was war die letzte Veröffentlichung?

Dennis:

Die letzte ist eine Kollaboration mit mehreren anderen Labels, was ich aber auch schon oft gemacht habe und was ja auch nicht unüblich ist. Das sind Please Wait aus Spanien. Emo, punkiger Emo. Für mich die Platte 2016! Ich bin sehr froh dabei zu sein und das ist die aktuellste Veröffentlichung.

Sven:

Das ist nun eine spanische Band. Wie kam die Zusammenarbeit zustande?

Dennis:

Ein Freund, der auch ein kleines DIY-Label hat (Krimzkramz !) ist nach Spanien gezogen und hat diese Connection geknüpft. Er wollte dann ein paar andere Label fragen und hat u.a. auch mich gefragt. So “hier hör mal rein, hast du Bock?”. Ich hab reingehört und hatte Bock.

128028-fc502a5d41934f01810a2d373d5833f0

 

 

 

Hier gibt es diese schöne Vinyl übrigens für einen Zehner!

 

 

 

 

 

 

Sven:

So wie in diesem Fall hatten mehrer Label etwas mit der Veröffentlichung zu tun. Wie muss ich mir das Vorstellen? Ein Label hat den Hut auf und alle anderen packen Geld dazu?

Dennis:

Ja,so ähnlich. In diesem Fall hat die Band selbst das meiste gemacht und hat auch selbst Kohle reingesteckt. Du wirst dann in so einer Facebookgruppe auf dem Laufenden gehalten. Dann zahlst du zum Schluß oder bevor es ins Presswerk geht und dann kommt das rübergeflogen. Und wie schon vor dem Interview gesagt, ist alles DIY, aber es muss aussehen, als hätte man es gerade bei Karstadt oder so gekauft. Alles Tippitoppi. Ich hab auch schonmal zu einer Band gesagt “Ich bring eure Platte nicht raus. Das Cover ist zu hässlich”. So oberflächlich bin ich dann auch. Aber die Band gibt es sowieso nicht mehr.

Sven:

Wie hoch sind die Auflagen bei einer Tief in Marcellos Schuld Veröffentlichung?

Dennis:

Es geht bei Vinyl ja eigentlich kaum unter 300. Eher 500 Stück. Bei Tapes sind es so 60.

Sven:
Was geht besser? Tapes oder Platten?

Dennis:
Auf jeden Fall Platten. Tapes hatten ihre Zeit und eigentlich wollte ich gar keine Tapes mehr machen. Aber manchmal hab ich noch Bock drauf. Manchmal wenn ich Bock, aber kein Geld zur Verfügung habe, sage ich der Band “Hey, wir können eine kleine Tapeauflage machen”.

2

Sven:

Gibt es einige Label mit denen du viel zusammen machst, weil da vielleicht auch eine Freundschaft hintersteckt?

Dennis:

Also mit Heinzel von Krimzkramz auf jeden Fall. Dann natürlich mit Moment of Collapse Records. Es gibt auf jeden Fall einen Haufen Leute die coole Sachen machen und die ich immer gerne treffe. Unabhängig davon, ob man nun etwas zusammen gemacht hat oder nicht. So z.B. Alex von Sick Men Getting Sick. Oder auch Through Love Records. Auch obergeil.

Sven:

Kümmerst du dich nur um die Platten oder machst du auch Booking?

Dennis:

Nur Platten. Also wenn eine Band jetzt unbedingt in Cuxhaven spielen möchte, mach ich das. Das ist sonst so ein “Du kennst doch den und den” oder “Du kennst doch da jemanden”. 

Sven:

Es gibt ja nun auch im Punk oder Hardcore Leute die ihre Miete mit Booking und Co. verdienen. Funktioniert das im Umgang, wenn auf die DIY-Struktur zurück gegriffen wird?

Dennis:

Jein. Natürlich hatte ich auch schon Bookingagenturen dazwischen. Dann aber nicht die Großen, sondern die Leute die sich vermutlich so durchschlagen. Und dann hatte ich aber auch so gegenseitige Anfragen, wo dann als Konditionen so “die Band braucht 500 Euro” oder sowas kam. Wo ich dann sagen muss, dass ich das gern bezahlen würde, aber das kommt in so einem Laden wie der Börse (Anmerkung: Döser Börse in Cuxhaven, kleiner Laden mit Hutkonzerten) niemals rein. Das war dann aber auch für Bands, die auch woanders keine 500 Euro einspielen. Also Hand aufs Herz. Bei einer Band und ihrer Tour, wo ich die gerne gehabt hätte, haben wir mit unserer eigenen Band dann zusammen vor 20 Leuten in anderen Städten gespielt. Da frage ich mich dann auch selber wie das gelaufen ist. Aber egal.

Sven:

Also gibt es keine festen Gage, sondern die Bands werden gut versorgt, bekommen Spritgeld und können Merch verkaufen?

Dennis:

Ich kann das ja mittlerweile abschätzen wieviel da so reinkommt. So kann ich den Bands vorher schreiben “Soundsoviel kommt da rein und wenn das für euch cool ist, machen wir das”. Und für viele obergeile Bands ist das dann auch cool.

Sven:

Mit wem würdest du gern mal etwas zusammen machen. Außer R.Kelly oder so.

Dennis:

Vor langer Zeit waren wir beim Haftbefehlkonzert in Hamburg und der hatte noch keine Veröffentlichung auf Vinyl draußen. Den wollten wir einfach fragen. Wir haben es aber mit der Angst zu tun bekommen, als der draußen an uns vorbei gelaufen ist mit seinen 2 Meter Bodyguards und zu uns sagte “Servus, Hallo, Salam”. Da haben wir nichts mehr gesagt. Das wäre eh nie zustande gekommen, weil ich auch nichts mache was mit der GEMA zu tun hat. 

Sven:

Wenn ich so an Haftbefehl denke, denk ich ja eher an Trash. Du hast also keine eigenen Genregrenzen?

Dennis:

Nein. Ich mache wo ich Bock drauf habe. Ich hatte auch schonmal so ein Remixtape von Pilots. Ich musste mir aber auch schon sagen lassen, dass hinter dem Label zu wenig Konzept steckt. Es gibt ja Label die machen nur Screamo, nur Dark-Hardcore und fahren damit vielleicht auch geiler. Die wissen halt das die an einen Käufer so jede Platte verkaufen. Das ist bei mir definitiv nicht der Fall. Es gibt aber auch Leute denen gefällt mein Zeug so gut, die wollen so eine Art Abo auf jede Platte.

Sven:

Das wolltest du mir auch schon aufschwatzen. Oder ich habe das Abo im Suff sogar abgeschlossen.

Dennis:

Solltest du! Sowas ist auf jeden Fall obergeil.

Sven:

Ich glaub  das sich in der Offenheit auf jeden Fall in den letzten Jahren viel verändert hat. In den 90ern wäre nie ein Grungehörer oder Punkrocker auf eine Technoparty gegangen. Heute sind Electropartys ja überall zu finden und auch Pop ist nicht mehr das böse Schimpfwort.

Dennis:

Auf jeden Fall.

Sven:

Soziale Medien? Fluch oder Segen für DIY?

Dennis:

Ich würde sagen Beides, aber deutlich mehr Segen. Da sind schon coole Sachen drüber entstanden. So z.B. unsere Amerikatour. Komplett DIY. Es ist alles nur kurzlebiger geworden.

 

Anmerkung:

-Aus irgendwelchen Gründen folgt an dieser Stelle Smalltalk über Tokio Hotel, die Beatsteaks, Arschlöcher usw.-

3

 

Sven:

Hast du in den letzten Jahren Veränderungen in der Szene bemerkt?

Dennis:

Nicht wirklich. Nur das in den letzten Jahren DIY-Label wie Pilze aus dem Boden sprießen.

 

Und am Ende fehlt uns irgendwie das schöne Schlußwort. Aus dem geplanten Videointerview wurde doch die Schriftform und ich hatte nur ein Bier dabei.

Zusammenfassend war es für mich ein super Einstieg in das Thema DIY und genauso Ideengeber für kommende Interviewfragen. Eine Sache steht auf jeden Fall fest: Hier ist ein Überzeugungstäter am Werk. Ohne Herzblut, langen Atem und ein großen Maß Lässigkeit lässt sich kein DIY-Label führen. Danke Dennis!