Disillusion im Interview – Vielleicht das Comeback des Jahres…?

… zumindest wenn man etwas für progressiv angehauchten Metal etwas übrig hat, ist dir Rückkehr der Leipziger Band äußerst begrüßenswert. Wie, Disillusion sind euch kein Begriff mehr? Gut, seit ihrem letzten Album sind jetzt auch schon wieder zehn Jahre ins Land gezogen. Ein Wiederentdecken von „Back To Times Of Splendor“ und dem heute noch mutigen „Gloria“ lohnt sich heute noch genauso wie zum Zeitpunkt ihres Erscheinens (2004 bzw. 2006). Die Single „Alea“ macht nun klar: Jawohl, wir sind wieder da! Gut so. Auch wenn Disillusion anno 2016 natürlich wieder ganz anders klingen als zuvor. Als wir die Gelegenheit bekamen Bandgründer, Gitarrist und Sänger Andy Schmidt, der mit Schlagzeuger Jens Maluschka über die Jahre die Fahne der Band hochhielt, etwas zu seiner Band zu befragen, nutzten wir sie natürlich gerne. Und der Mann gab uns gerne Auskunft.

 

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Andy, ein ganzes Jahrzehnt ist jetzt schon seit der Veröffentlichung von „Gloria“ ins Land gegangen. Das ist eine wirklich lange Zeit. Was ist passiert, warum sind Disillusion so aus eurem eigenen Fokus verschwunden? Abgelenkt von dem was man „Leben“ nennt? Als Konstante in der Band sind auch nur Du und Jens noch übrig geblieben.

Da sind einige Dinge gewesen. Mit „Gloria“ haben wir uns vielleicht etwas übernommen aus heutiger Perspektive. Nicht genug Pause gemacht, die Dinge nicht richtig setzen lassen, vielleicht. Dann kam Selbständigkeit und Familienzuwachs und plötzlich sind einige Jahre vorbei, in denen nicht so viel stattfand. Dann beginnt man sich zu fragen, wie geht es eigentlich weiter und wenn ja, wie genau?

 

Verliert man sich in dieser langen Zeit nicht etwas und ist es so einfach noch mal zu starten? Bzw. wo setzt man an, wenn man sich entschließt es noch einmal wissen zu wollen? Das ist ja doch eine Art Neustart.

Wir waren immer in Kontakt und so ganz still war es ja auch „nur“ Zwischen 2011 und 2013 glaube ich. Klar ist es ein Neustart. Auf gutem Boden, wenn ich so sagen darf. Die Band hat sich auch verjüngt. Jens und ich sind in gewisser Weise die alten Hasen, Sebastian (Hupfer, Gitarre – Anm.d.Red.) und Ben (Haugg, Bass – Anm.d.Red.) sind deutlich jünger und frisch. Das ist toll und macht Spaß! Aber ja, es ist leicht, genau da weiter zu machen, wo man aufgehört hat. Aber das wollen wir nicht, wir nehmen das Alte, haben es neu gemacht, neu interpretiert und die Band auch organisatorisch wieder auf die Beine gestellt, damit wir eben gut stehen. Und nun geht es gemeinsam nach vorn. Mit „Alea“ haben wir eine gemeinsame Produktion erschaffen, das verbindet auch und ist gut so. Nach den Jahren hat sich aber vor allem das Internet so gravierend verändert, dass wir als Band auch ganz neu an diese Materie gehen müssen und mussten. Da war wenig los vor zehn Jahren. Heute, nun jeder weiß Bescheid …

 

„Alea“ scheint ein erster Testballon zu sein, wie Disillusion noch ankommen, ob man die Band noch kennt. War das Wagnis zu groß es gleich mit einem richtigen Album zu versuchen? Oder scheiterte dies weniger an kreativen, als an finanziellen Dingen?

Klare Antwort: finanziell. Ein Testballon ist „Alea“ aber nicht, vielmehr ein Statement, dass die Band wieder zurück ist, und dass der nächste Schritt auch die Aufmerksamkeit der Fans und Medien benötigt. Denn ein Crowdfunding wird kommen.

 

Der Songtitel klingt schön und scheint aus dem Griechischen für Wärme bzw. Schutz zu stammen. Welchen Hintergrund hat das Lied und um was geht es darin?

Im Song geht es vor allem um Aufbruch. Der Titel stand schon ganz lang und war von Anfang an eng verbunden mit der Musik. Es stellte sich schnell heraus, dass er nicht hätte besser passen können. Für uns sind eher „die Würfel sind gefallen“. Die Entscheidung ist gefällt, es gibt kein Zurück und mit guter Energie geht es den Herausforderungen entgegen, sozusagen. Wie gesagt, erst nachRecherche öffnete sich die Bedeutung. Es passte einfach von vornherein.

 

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Ich war überrascht, dass die Single nicht einfach nur als Download erscheint, sondern zusätzlich noch ganz altmodisch als Single-CD in einem schön gestalteten Digipack. Das äußere Erscheinungsbild scheint euch also sehr wichtig zu sein. Was kannst Du über das Artwork erzählen, was für eine Bedeutung steckt dahinter?

Ja, das ist natürlich ein großes Glück, für die Single so ein tolles Artwork bekommen zu haben. Sandra Fink von Betriebsbüro.com hat es für uns gemacht. Davon ganz abgesehen ist sie auch eine wunderbare Musikerin. Das Layout ist jedoch gar nicht so bedeutungschwanger. Wolken und die Kraft von Wolken und ihre Wirkungen in der Brust, das musste so unbedingt sein, die euphorische und kämpferische Farbgebung und eben auch, dass Teile davon eher dunkel sind und, sagen wir, die Schwierigkeiten auf einem Weg beschreiben. Kurz, die Gesamtkomposition ist ein Gefühl, was sich um den Song rankt und wunderbar passt. Ich bin sehr dankbar für das Artwork!

 

Musikalisch knüpft die Nummer zwar immer wieder an kleinen Punkten der Bandgeschichte an, aber wie eine direkte Fortsetzung davon klingt sie in meinen Ohren nicht. Kein Wunder, in einer so langen Zeit verändert man sich ja persönlich auch. Welches musikalische Ziel lag zugrunde?

Musikalisches Ziel bei „Alea“ war auf jeden Fall eine gewisse Offenheit, ein positives Gefühl zu transportieren, wenngleich auch energisch und selbstbewusst klingend. Natürlich soll der Song auch Lust auf ein Album machen, an dem wir sitzen. Vielleicht sollte er irgendwo auch beweisen, dass wir es noch können. Und ich wage mal zu behaupten, das ist uns ganz gut gelungen.

 

Das kann man wohl so sagen, Andy. Wie betrachtest Du eure bisherigen Veröffentlichungen im Rückblick? Die EP „Three Neuron Kings“ kenne ich leider nicht. Aber „Back To Times of Splendor“ wird als Melodic-Death-Meilenstein im Fahrwasser von Opeth gefeiert und „Gloria“ finde ich nach wie vor ein spannendes und ziemlich mutiges Album, das sicherlich viele vor den Kopf gestoßen hat. Es ist auch heute noch eine interessante Platte.

Ja, das ist so eine Sache, weil die Platten nun über zehn Jahre alt oder jung sind. Natürlich spielen wir beide Platten auch noch live, aber eben auch in neuer Besetzung und deutlich angepasst an die heutige Zeit mit vielen kleinen und großen Dingen, die wir über die Jahre verbessert haben. Wir versuchen uns einfach nicht zu sehr in der Vergangenheit aufzuhalten, ganz einfach weil das den Prozess in der Zukunft zu stark beeinflusst finde ich. Es muss ja frisch weitergehen. Stolz sind wir natürlich auf die Platten, und dass Sie uns so viele Möglichkeiten auch heute noch öffnen. Versuche nach vorn zu schauen.

 

Ihr habt angekündigt für ein neues Album eine Crowdfunging-Aktion ins Leben zu rufen. Wann startet diese und welche Goodies bietet ihr euren Fans, um die Spendenbereitschaft noch zu steigern? Vielfach wird berichtet, dass Bands den Aufwand für ein solches Vorhaben immer etwas unterschätzen – sprich Social-Media-Werbung und dergleichen. Was erwartet ihr bzw. was erhofft ihr euch von dem Ganzen?

Ich denke im Dezember wird die Aktion an den Start gehen. Gerade ist unsere kleine Tour zu „Alfa“ angelaufen. Schon währenddessen werden wir Kontakt zu den Fans suchen und aufnehmen. Ja, man schüttelt so eine Aktion sicher nicht aus dem Handgelenk, das ist klar. Ein klassisches Crowdfunding wird es auch nicht, wir werden es im Detail sehen, es wird tatsächlich darum gehen, die Platte machen zu können.

 

Habt ihr schon konkret im Kopf wie sich das potenzielle neue Album entwickeln soll bzw. sind große Teile davon eigentlich schon geschrieben? Wann soll es erscheinen, noch 2017?

Wenn alles klappt, soll es noch 2017 kommen, ja. Doch selbst wenn ich wüsste, wie das Album werden wird, würde ich es heute nicht kundtun. (lacht)

 

Was erwartet den Fan auf den anstehenden Konzerten, warum lohnt es sich euch dort zu besuchen?

Wie bereits gesagt, wir haben das Live-Set massiv angepasst und in ein Erlebnis „verwandelt“ das es unter Umständen vor einigen Jahren nicht ganz so war. Wir setzen deutlich mehr auf Atmosphäre und das gelingt uns gut. Wer also Disillusion und die Welt darum live in voller Entfaltung erleben möchte, der sei herzlich eingeladen!

 

Na, diese Einladung sollte man wohl annehmen, wenn man eine spannende Band mal live erleben möchte. Ein paar Male hat man die Gelegenheit dazu. Und zwar hier:

17.11. Duisburg – Grammatikoff
18.11. Frankfurt – 11er
19.11. Zwickau – Seilerstraße
26.11. Wien – Viper Room