Die Kassierer – Haptisch (Teenage Rebel Records / Cargo Records, 13.11.2015)

30 Jahre Die Kassierer! Zeit für eine „Best-of“. Die berühmtesten Söhne Bochum-Wattenscheids bringen mit „Haptisch“ nun einen 31 Songs umfassenden Querschnitt ihrer gesamten Karriere heraus.
In erster Linie ist das Quartett bekannt für ihre „Fick- und Sauftexte“, dass man ihnen mit dieser Reduzierung nicht gerecht wird, wird beim durchhören von “Haptisch” mehr als deutlich.

Zu jeder Zeit ihres Schaffens haben sie neben Schrammel-Punkrock auch immer wieder gezeigt, dass sie mehr drauf haben. Ob Funk („Aussenbordmotor“), Polka/Volkstümlich („U.F.O.“, „Blumenkohl am Pillemann“, „Stinkmösenpolka“), Tango („Menschenkatapult“), Dadaismus („Klagegesang einer Katze“), Philosophische Themen („Bin ich oder hab ich?“), Swing („Mit ‘nem Zeppelin durchs Jenseits“), Jazz („Vegane Pampe“), Bossanova („Gott hat einen IQ von 5 Milliarden“), Country („Du hast geguckt“) oder Rammsteinesk („Meister aller Fotzen“) usw.. Denn dies ist es genau das, was die Kassierer seit nunmehr 30 Jahren ausmacht: Wortwitz und Satire gepaart mit verschiedensten Genres der Musik, Fäkalhumor und Dadaismus. Denn was die meisten nicht wissen ist, dass ein Teil der Band z.B. Film- und Theater-Wissenschaften, Philosophie, Pädagogik, Politik, Popularmusik mit Schwerpunkt Jazz, Raumplanung studiert hat, sowie einer Tai-Chi Lehrer ist.

Mich persönlich haben die Kassierer immer wieder begleitet. Wenn der Politpunk zu langweilig wurde, gab es noch die Kassierer die für Unterhaltung sorgten. Es ist auch immer wieder interessant zu beobachten, dass egal wen man trifft mindestens ein Kassierer Song immer bekannt ist. Was nicht groß verwundert, wie mit dem Tributsampler „Kunst“! (2005) deutlich wurde. Hier haben 19 Künstler und die Band selbst, Songs von den Kassierern gespielt. Dabei waren u.a. Gunter Gabriel, Donots, Bela B. & Rod als 2 fickende Hunde, Hennes Bender, Mambo Kurt usw.

Best-Of Alben besitzen in der Regel das Stigma, dass sie für ne schnelle Mark auf den Markt geworfen werden, ohne dass die Compilation eine Notwendigkeit hat. Im Fall von Die Kassierer sieht das aber anders aus, zumal man nach 30 Jahren auch Zeit wird. Mit Haptisch bekommt man den idealen Überblick über 30 Jahre Bandgeschichte in all seinen Facetten. Alle Songs wurden neu gemastert, was gerade bei den älteren Stücken ein Gewinn ist. Des Weiteren finden sich unter den 31 Stücken drei neue, unveröffentlichte Songs, die extra für die Punkoperette „Häuptling Abendwind“ geschrieben wurden. Übrigens die erste Punkoperette der Welt, aufgeführt im Schauspielhaus Dortmund und ging sogar für eine weitere Spielzeit in die Verlängerung. Ich bin in den Genuss gekommen dieses Meisterwerk anzuschauen.

Mittlerweile ist die Band auch jedes Jahr ein gern gesehener Gast auf den großen Metalfestivals dieses Landes. In diesem Jahr wurde die Band zu dem mit dem „Goldenen Umberto für das Lebenswerk“ der Show „Circus HalliGalli“ ausgezeichnet. Wölfi ist seit Jahren in der Bochumer Lokalpolitik sowie auch bundespolitisch engagiert. Zuletzt machte er als Oberbürgermeisterkandidat für die Stadt Bochum von sich reden.

2015 war ein, wenn nicht sogar das erfolgreichste Jahr für Die Kassierer und mit der Faninitiative des Blogs „Ruhrbarone“ „Kassierer statt Xavier“ fordern die Supporter des durchweg sympathischen und dem Alkohol nicht abgeneigten Quartetts, diese nun zum ESC 2016 nach Stockholm zu schicken. Zu wünschen wäre es ihnen, da es nach dem Absprung des verwirrten und debil vor sich hinnölenden Mannheimer Wanderpredigers keine sinnvollere und stilvollere Alternative gibt.

Die Zusammenstellung von Haptisch ist gut gewählt, das Remastern hat sich wirklich gelohnt. Natürlich fallen mir noch zig andere Songs ein, die vielleicht fehlen, aber wo will man dann aufhören? Vor allem, wann bekommt man überhaupt mal eine Best-Of mit über dreißig Songs und das zu nicht völlig überteuerten Preisen? Klar, es stellt sich immer die Frage, braucht man diese Best-Of oder nicht, da der Die-Hard Fan ja eh alles hat, abgesehen der drei unveröffentlichten Songs (das dient ja meist eher eine Best-Of eben diesen Fans schmackhaft zu machen, aber gerade „Menschenfresser“ ist ein Geheimtipp).

Braucht man das? Ich finde ja, denn Haptisch bietet einen idealen Überblick des ganzen Kassierer Universums. Im Booklet wird darüber hinaus offenbart was das Geheimnis der Band ist. Außerdem finden sich schöne Schnappschüsse aus 30 Jahren Bandhistorie. Alteingesessene Fans, so wie ich, bekommen ein rundes Gesamtpaket und Menschen, denen tatsächlich Die Kassierer unbekannt sein sollten, bekommen einen guten Einblick in den Mikrokosmos der Band, der sie mit ziemlicher Sicherheit sofort in ihren Bann ziehen wird. Denn es wird deutlich, dass es sich nicht um platten Saufpunk handelt, sondern um große Kunst. Immer wieder sind philosophische und satirische Aspekte anzutreffen die sich mit dem Zeitgeschehen auseinandersetzen. Und vor allem Live macht die Band einfach nur Spaß. Wer Die Kassierer nicht mag, hat einfach keine Ahnung von guter Musik für beide Ohren.

Die Kassierer:
Wolfgang „Wölfi“ Wendland – Gesang
Nikolaj Sonnenscheiße – Gitarre, Gesang
Mitch Maestro – Bass, Gesang
Volker Kampfgarten – Schlagzeug, Jazzgitarre

 

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Tracklist:
1. Punk-Intro*
2. Menschenfresser*
3. Großes Glied
4. Außenbordmotor
5. U.F.O
6. Menschenkatapult
7. Anus Apertus
8. Ich töte meinen Nachbarn und verprügel seine Leiche
9. Gott hat einen IQ von 5 Milliarden
10. Vegane Pampe
11. Arsch abwischen
12. Mit ‘nem Zeppelin durchs Jenseits
13. Sex mit dem Sozialarbeiter
14. Klagegesang einer Katze
15. Meine Freiheit, deine Freiheit
16. Mach die Titten frei, ich will wichsen
17. Partylöwe
18. Das schlimmste ist, wenn das Bier alle ist
19. Besoffen sein
20. Blumenkohl am Pillemann
21. Bin ich oder hab ich?
22. Du hast geguckt
23. USA 1996: Emerson Brady – der erste Mensch auf der Sonne
24. Quantenphysik
25. Stinkmösenpolka
26. Das Leben ist ein Handschuh
27. Mein schöner Hodensack
28. Arm ab
29. Da isst man mal einen Fuß*
30. Meister aller Fotzen
31. Anarchie und Alkohol

(* bisher unveröffentlichter Titel aus der Theaterproduktion)

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