Coroner – Grin [2018 Remaster] (BMG/Noise, 29.06.2018)

Und weiter wird in den prall gefüllten Archiven von Noise Records gewühlt. Bisher barg man so manch alten Schatz. Davon machen die nächsten Veröffentlichungen keine Ausnahmen. Nachgewachsene bzw. Zuspätgekommene dürfen sich freuen: Jetzt sind die Alben der Schweizer Tech-Thrasher Coroner wieder erhältlich! Die ersten drei zwischen 1987 und 1989 veröffentlichten („R.I.P.“, „Punishment For Decadence“, „No More Color“) erschienen vor einem Monat überraschenderweise über Century Media neu, jetzt werden bei der „Noise lebt!“-Kampagne „Mental Vortex“ (1991) und „Grin“ (1993) nachgeschoben.

Im Gegensatz zu den Versionen des Mitbewerber-Labels kommen die CD-Versionen nicht in Plastik verpackt, sondern als Digipacks auf den Markt. Die Booklets sind auch nicht so karg, sondern enthalten neben den Texten auch zahlreiche alte Fotos. Leider sind dieses Mal keine Liner-Notes oder Interviews mit den Musikern abgedruckt. Schade, da wäre noch mehr gegangen. Auch Bonustracks hat man sich gespart. Lediglich der Sound wurde sanft remastert. Natürlich kommt das Ganze auch auf Vinyl. Wie in der Serie üblich in Farbe passend zum jeweiligen Album-Artwork.

Mit dem fünften Album „Grin“ bewegten sich Coroner noch weiter vom traditionellen Thrash weg. Die Songs wurden länger, ausgefeilter (unter sechs Minuten geht kaum einer übers Ziel) und komplexer. Gleichzeitig verlangsamte man das Tempo und ließ noch mehr Groove zu. Nicht nur aufgrund der sporadisch auftauchenden Industrial-Elemente klang das Ergebnis wesentlich trockener und maschineller. Das war schon eine Pille, die man erst mal schlucken musste. Ja, wir schreiben das Jahr 1993 und das Trio ist stilistisch bereits Mitte der 90er angekommen.

Das tribelartige Intro täuscht Lebendigkeit vor. Doch der eigentliche Eröffnungssong „The Lethargic Age“ klingt kalt und unwirtlich. Das folgende, flottere „Internal Conflicts“ relativiert das dann wieder ein bisschen. Man muss sich erst ein wenig zurecht finden in „Grin“. So mancher Fan konnte das damals nicht und hatte wohl das eine oder andere Fragezeichen auf der Stirn. Das zähe, mit Sample-Einlagen aufgeladene „Serpent Moves“ und der Industrial-Part von „Grin (Nails Hurt)“ klangen doch reichlich ungewöhnlich, unterstrichen aber gleichzeitig, den Experimentier- bzw. Innovationswillen des Trios.

Das soll jetzt aber nicht bedeuten, dass Coroner nicht immer wieder Haken und Kanten gesetzt haben, an die man sich krallen kann. Gerade die beiden, schon fast episch langen Titel „Paralized, Mesmerized“ und „Host“ faszinieren mit ihrem modernen Sound und düsteren Stimmungen. Die erste Hälfte des Titeltracks sowie das fast rockige „Caveat (To The Coming)“ nehmen einen gleich mit. Zu entdecken gibt es hier einiges.

Waren Coroner etwas zu mutig oder ihrer Zeit schlicht voraus? Gar nicht so leicht zu beantworten. Das fast einstündige „Grin“ ist nach wie vor ein spielerisch hochwertiges Album dreier ungemütlicher Musiker, in das man sich einhören muss. Manch einer sieht es sogar als innovativer Genreklassiker.

Nach der Auflösung der Band 1996 schloss sich Gitarrist Tommy Vetterli Kreator an und lebte seine Ambitionen mit jenen für zwei Alben aus („Outcast“ von 1997 sowie das Gothic-beinflusste „Endorama“ von 1999). Um Coroner wurde es danach ziemlich still. Erst 2010 fand sich die Originalbesetzung um Vetterli, Bassist/Sänger Markus Edelmann und Schlagzeuger Ronald Broder (mittlerweile ersetzt durch Diego Rapacchietti) wieder zusammen, spielte sporadisch Konzerte und veröffentliche das Boxset „Autopsy: The Years 1985 – 2014 In Pictures“. Es soll in nicht allzu ferner Zukunft sogar ein neues Studioalbum erscheinen.

Es bleibt spannend!

 

Trackliste:
1. Dream Path
2. The Lethargic Age
3. Internal Conflicts
4. Caveat (To The Coming)
5. Serpent Moves
6. Status: Still Thinking
7. Theme For Silence
8. Paralized, Mesmerized
9. Grin (Nails Hurt)
10. Host