Als Folge der ersten tatsächlich auch kommerziellen Erfolge von Bands wie Sigur Rós, Explosions In The Sky oder Mogwai in den frühen Jahren unseres Jahrhunderts fühlten sich viele weitere Musiker ermutigt, es doch nochmal mit experimenteller Musik zu versuchen. Eine der Bands aus dieser Gründungszeit sind Caspian aus Beverly, Massachusetts.
In den frühen 2010er-Jahren besuchte ich im wunderschönen Chéz Heinz zu Hannover, was auf dem Blatt Papier nach einem vielversprechenden Hardcore-Showabend klang. 4 Bands auf der Bühne, darunter die britischen Landscapes wie auch Goodtime Boys und dann das Doppelheadliner-Gespann Caspian und Defeater. Hauptsächlich war ich wegen Defeater gekommen. Deren gerade erschienenes Album „Empty Days And Sleepless Nights“ hatte große Wellen geschlagen und ist sicherlich eines der herausragendsten Alben der Defeater-Diskografie.
Der Abend sollte sich anders entwickeln. Nach zwei gelungenen Hardcore-Sets spielten nun also die Ausreißer des Abends ein Postrock-Set, bevor Defeater ihr neues Album präsentieren sollten. Ich hatte im Vorfeld nur mal kurz reingehört und war milde interessiert, beschloss also, mir die Show anzuschauen, während doch recht viele Hardcore-Fans das Set als Pause nutzten. Nachdem Caspian ihr Set beendet hatten, war ich der begeisterte Fan, der ich bis zum heutigen Tage bin.
Diese Band, von der ich vorher nur eine vage Idee hatte, berührte mich mehr als alle Hardcore-Bands des Abends zusammen. Und ich mochte diese Hardcore-Bands. Man darf sich also vorstellen, wie aufgeregt ich war als ich erfuhr, dass 1. Caspian ein neues Album aufnehmen, es 2. von einem meiner absoluten Lieblingsproduzenten Will Yip produziert wird und 3. der Sänger einer meiner absoluten Lieblingsbands Pianos Become The Teeth, Kyle Durfey, einen Gastauftritt haben wird.
Bei so vielen aufregenden Nachrichten und Vorfreude habe ich oft Angst, dass ich zu viel erwarte und mir das Album am Ende nicht gefällt. Wie viele meiner Ängste soll auch diese unbegründet bleiben.
Schon der Opener fühlt sich an wie eine Wiederkehr zu den Hochmomenten einer „Tertia“ oder „Waking Season“. So sehr wie der Vorgänger „Dusk and Disquiet“ ein (wichtiges) Traueralbum um den tragischen Verlust des 2013 verstorbenen Bassisten Chris Friedrich war, so sehr klingt „On Circles“ nun nach einem Neuanfang für die sechs Musiker.
Und die haben das Schreiben gut inszenierter Spannungsbögen natürlich nicht verlernt. Das perfekte Beherrschen des Handwerks einer jeden Postrockband zeigt sich direkt im Opener „Wildblood“. Schon hier wird – wie ab der „Waking Season“ vermehrt zu behörbachten – mit Samples und organischen Instrumenten gearbeitet, was das Klangbild vielfältiger werden lässt. Hier zeigt sich die Fähigkeit, ein Album abwechslungsreich zu gestalten. Auch im darauffolgenden „Flowers of Light“ wird mit einem neuen Instrument, der Mandoline, gearbeitet, während das dritte Stück „Nostalgist“ nun den angekündigten Gastauftritt von Pianos Become The Teeth-Sänger Kyle Durfey verwirklicht.
Das ist es, was Caspian von vielen ihrer Genrekollegen unterscheidet. Einen dramaturgischen Überbau so geschickt zu planen, dass wir als Hörer_innen auf eine musikalische Reise, die wir immer wieder gerne begehen, geschickt werden. Neben den verspielten und experimentellen Momenten zwischen Samples, E-Pianos, Saxophonen, Mandolinen, Streichinstrumenten und Akustikgitarren wartet der neue Langspieler auch mit einem der härtesten Caspian-Stücke, das mir je untergekommen ist, auf. Schon auf ihrer Show vergangenes Jahr im Kölner Club Volta spielten die Jungs um Jamieson eins der neuen Stücke „Collapser“ und ich erinnere mich noch gut, wie bei mir dachte „das ist einer der mächtigsten Postrock-Stücke die ich je gehört habe“.
Was „On Circles“ aber insgesamt von seinem Vorgänger unterscheidet, ist eine positivere Grundstimmung. Während „Dusk And Disquiet“ im Wesentlichen von seiner traurigen und gedrückten Grundstimmung lebte, kann „On Circles“ als ein Feuerwerk positiver Energie betrachtet werden. Dafür sorgen auch die vielen organischen Instrumente, die sich perfekt mit den Postrock-typischen Effektgewittern verbinden und mich zeitweilig an das Sounddesign von Sigur Rós erinnern.
Abgeschlossen wird das Album dann perfekt von einer Ballade inklusive einer weiteren Vocalperformance, dieses Mal von Philip Jamieson selbst, die neben Vocal-Harmonizer mit Akustikgitarre vorgetragen wird.
„On Circles“ ist das Meisterwerk, das ich mir erhofft hatte. Es strotzt vor positiver Energie, Verspieltheit und Experimentierfreude ebenso wie vor Kraft und Intensität. Yips Produktionsstil vermischt sich perfekt mit dem Können des, mittlerweile zurecht als Postrockkoloss zu bezeichnenden, Sextetts und beweist einmal mehr, warum dieses Genre derzeit wieder so sehr auf dem Vormarsch ist und warum Caspian mit zu seinen wichtigsten Vertretern gehören.
01. Wildblood
02. Flowers of Light
03. Nostalgist (feat. Kyle Durfey)
04. Divison Blues
05. Onsra
06. Collapser
07. Ishmael
08. Circles on Circles