Captain’s Diary – Zeitraffergeschichten (Dancing in the Dark Rec., Tanz auf Ruinen / 13.10.2017)

Sebastian, alias Captain’s Diary, ist ein sympathischer Typ aus Oberhausen, den man als Freund von Songwritermusik nicht erst seit gestern kennt. Unzählige Touren, Konzerte, Veröffentlichungen und häufiges “Über den Weg laufen” und immer das nette Gespräch am Rand.

Nach diversen Veröffentlichungen, die außerhalb der Songwriterszene wenig Aufmerksamkeit erregt haben, kommt mit “Zeitraffergeschichten” seine erste Platte auf dem DIY-Label von Matze Rossi. Die Vinylveröffentlichung kommt über Tanz auf Ruinen Records und aufgenommen wurden die Songs mit Kurt Ebelhäuser im Tonstudio 45. Und diese Veränderung hört man deutlich.

Bei einigen Songs haben mir, zumindest auf Platte, meistens einige Dinge gefehlt. Diese Merkmale die einen Song außergewöhnlich machen. Die machen das er hängen bleibt und die neben guten Texten auch noch diese musikalische Besonderheit zu bieten hat, die ihn unter 1000 anderen Geschichten mit Akustikgitarre wiedererkennbar machen. Und diese Besonderheiten finde ich auf “Zeitraffergeschichten” ohne Ende.

Es sind die sehr persönlichen Seiten wie in “Teufel Angst”, wo es um selbsterlebte Erfahrungen mit Angststörungen geht, die einen mitfühlen lassen. Die das Erlebte noch greifbarer machen. Da stört es auch nicht, wenn der Anfang so krass an “Best Friends” von Matze Rossi erinnert.

 

“Es ist jeden Tag derselbe Kampf. Gegen den Teufel namens Angst….

….Schieß ihm ein Loch in seine Brust. Mit meiner Waffe namens Mut.”

 

Es ist das Durchhalten und das Weitermachen mit einer Krankheit, die einen immer wieder in den Griff bekommen und beherrschen will. Der innere Kampf mit sich selbst und das Anschieben aus eigenem Antrieb hat der Captain hier wunderbar auf den Punkt getroffen.

Man findet sie immer wieder im Laufe des Albums. Die Anspielungen auf Freund Matze Rossi. Ob es die Akkorde oder konkrete Formulierungen wie “Analog am Stück” sind. Vermutlich auch nur für Fans auffallend, aber sie sind da. Mich persönlich stört das nicht weiter. Bin ich schließlich mit Beiden befreundet und schätze ihre Musik sehr.

Kommen wir zu Lieblingssongs und Lieblingsstellen. Da fallen mir nach vielen Durchläufen diverse ein, aber eine Stelle ist unerreicht.

 

Und dann stell ich mir vor, wie wir mit dem Walkman auf den Ohren dieselben Lieder hören und laut mitgrölen. Und dann stell ich mir vor, wie wir mit dem Walkman auf den Ohren den Feuerball im Meer versinken sehen.

 

“Hinter mir” hat mit  “Warum” das größte Hitpotential der Platte. Eingängige Songwritersongs, die sich musikalisch auch im Pop Zuhause fühlen dürften, textlich aber ihre Roots im Punkrock haben. Songs die so melodisch und trotzdem so authentisch sind.

 

 

 

 

Auch gut überlegte Songs wie “Was übrig ist”, bei dem es um das leider immer noch beschissene Thema “Homophobie” geht, kommen überzeugend rüber. Hier versucht keiner ein Thema aufzugreifen um etwas darum zu stricken, sondern hier beschäftigt so ein Thema Jemanden und er muss dazu etwas loswerden. Eine Art Ventil. Vielleicht um diesen ganzen homophoben Vollidioten nicht ständig eine Knallen zu wollen. Wer weiß. Aber auf jeden Fall ein großer Beitrag!

 

Es gibt nur ein Geschlecht und das heißt Mensch

 

Songs wie “Roboter” kannten wir schon in der reduzierten Soloversion von einer handwritten Session. Umso spannender sind die Momente, wenn diese Songs nun dick aufgenommen als Bandversionen aus der Anlage trällern. Hat sich “Roboter” z.B. schon vorher Ohrwurmtechnisch in die Ohren gesäbelt, so wächst das hier gleich nochmal zur kleinen Pop-Hymne an .

Wer sich also eine ordentliche Portion Herzblut, Lagerfeuerpunk und gute Geschichten über die großen Kleinigkeiten und auch (Achtung! Jugendlicher Ghettoslang!) deepes Zeug reinziehen und dabei einen Musiker unterstützen möchte, der das aus eigenem Antrieb schon soviele Jahre so großartig macht, sollte auf jeden Fall zugreifen. Von der Songwriterfraktion also eine dicke Kaufempfehlung!

 

 

  1. Herzen auf Zungen
  2. Teufel Angst
  3. Warum
  4. Hinter mir
  5. Was übrig ist
  6. Roboter
  7. Ich kann das nicht
  8. Höchstens gut gemeint
  9. Ich hab es satt
  10. Im Schlafanzug gerannt
4.4