Captain Horst

Captain Horst – Lass Los (Drunken Records, 19.11.2016)

Gut fünf Jahre ist es her, dass ich mit meiner alten Band Lobokøpter in den Genuss eines gemeinsamen Auftrittes mit Nichts und den Jungs von Captain Horst im Freizeitzentrum Lüner Höhe in Kamen gekommen bin.

Ein halbes Jahrzehnt später ist meine Bandzugehörigkeit längst Geschichte, das Ruhrgebiet weit entfernt, aber Captain Horst mit ihrem neuen Album “Lass Los” ganz frisch am Start.

Quasi passend zum zehnjährigen Bandjubiläum im nächsten Jahr haben die Kamener Torsten (Gesang/Gitarre), Fabian (Gitarre/Gesang), Tobias (Piano/Gesang), Bastian (Bass/Gesang) und Ingo (Schlagzeug) nach der CD “Das Beste bleibt” (2009) und der EP “Lauf” (2014) zehn Raketen auf Vinyl gepresst, die uns ihren selbsternannten Indie-Punk`n Roll näher bringen sollen und wollen!

Das die Jungs von je her auf der Humorwelle schwimmen ist nicht von der Hand zu weisen… aber man darf es dem Captain auch nicht verübeln, das er persönlich nach höherem bzw. weiterem strebt, der Horst in ihm aber heimatverbunden dem Ruhrpott huldigt!

Schon der Opener belässt uns “In der Stadt”, wo der Captain und seine Bande marodierend unterwegs ist um zu prüfen, ob die Mädchen am Rande des Sauerlandes immer noch wilder als die Kühe sind… gefolgt von dem Song, der gnadenlos mit dem durchaus fortgeschrittenen Alter der Horsties abrechnet und kein Problem damit hat, auch mit über 40 noch als “Berufsjugendlicher” durchzugehen.

Sanfter treibt sich dann der beinahe fünf Minuten lange Titelsong in einer melancholisch zurückhaltenden Art umher und kann nicht oft genug erwähnen, dass man definitiv auch mal loslassen, das Vergangene jedoch nicht aus den Augen verlieren sollte!

Die “Sonne” und “Das Wetter” sind ebenso Thema, wie der Umgang mit “Topmodel” Erbrochenem, oder wie soll ich sonst mit der Textzeile “ich wär so gerne mal dabei, wenn ihr euch eure Finger in den Hals schiebt” umgehen – kurze Randbemerkung: ich persönlich wäre zugegebenermaßen lieber nicht dabei, aber gut… jedem so, wie er mag!

Die dann einsetzende “Phasenverschiebung” erinnert mich stimmlich die ganze Zeit an meine alten Freunde von Die Crackers… würde mich mal interessieren ob Torsten die Wiesbadener Truppe genauso liebenswürdig fand wie ich, oder ob stimmliche Ähnlichkeiten hier eher zufällig entstanden sind!

Wenn man dann voller Kummer “Berlin” verlässt muss man mehr als “Stark sein”, aber spätestens beim großen Finale präsentieren uns die Jungs die geile Rio Reiser Nummer “Zauberland”, dieses mal aber entgegen dem Original mit sanftem mehrstimmigen Gesang… genau der richtige Song zum Abschluss, denn das alles lichterloh brennt sollte mittlerweile ja jedem hinreichend bekannt sein!

Auch wenn, oder besonders weil die sanfteren Töne das neue Album dominieren, so kann man sich beruhigt fallen lassen und stressfrei den Klängen folgen… also ich würde bei der Genre-Bezeichnung eher auf Begrifflichkeiten wie Indie oder Pop setzen, der Punk wird hier meistens nur am Rande angekratzt – um eins direkt klar zu stellen, es handelt sich nicht um altersbedingte Tempo-Reduzierung, sondern eher um Einsparung von Kraftressourcen… oder wie auch immer, da müsst ihr die Jungs schon selber fragen!

Also wer von Kinderfest bis Altenheim alles gerockt hat und dabei noch nicht komplett wahnsinnig geworden ist, der ist zweifelsohne eher ein Captain, als ein Horst – also spitzt die Plattennadeln an und werft euch die Scheibe auf den Dreh-Teller!

 

Captain Horst - Lass Los

Titel:
1. In der Stadt
2. Berufsjugendlicher
3. Lass Los
4. Sonne
5. Das Wetter
6. Topmodel
7. Phasenverschiebung
8. Berlin
9. Stark sein
10. Zauberland

BANDPAGE

4.3