Sleepwalkers

Brian Fallon – Sleepwalkers (Island Records, 09.02.2018)

Ich habe wohl aktuell keine Platte so gespannt erwartet, wie das neue – zweite – Soloalbum von Brian Fallon – “Sleepwalkers”. Zum Einen, weil für mich das erste Soloalbum “Painkillers” der beste Output von Brian Fallon seit der “American Slang” von seiner Band The Gaslight Anthem war und zum Anderen, weil mir schon die ersten Hörproben mehr als gut gefallen haben.

Und dann war sie da. Pünktlich am 9. Februar morgens auf dem Weg zur Arbeit habe ich direkt in Spotify den Stream angeworfen. Und warum zum Geier kommt dieses Review also recht genau erst einen Monat später? Das ist recht simpel, ich wusste einfach nicht, wie ich die Platte jetzt wirklich finde. Dazu bedurfte es 4 Wochen zum Hören und ein Konzert von Mr. Fallon. Doch der Reihe nach. Ich werfe also den Stream an und schon erklingen die ersten – bereits bekannten – Töne. Die ersten 2 Songs, “If Your Prayers Don’t Get To Heaven” und “Forget Me Not”, gehören nämlich zu den vorab veröffentlichten Liedern. Und diese haben mir von Anfang an unglaublich gut gefallen. Weiter gehts. Noch ein Song. Und noch einer. Und noch einer. Alle irgendwie geil. Aber am Ende stellt sich irgendwie eine seltsame Ernüchterung ein. Das war’s also? Ok.

Kurze Rücksprache mit ein paar der anderen Handwritten-Redakteure. Ein paar Meinungen im Netz gelesen. Viele sind meiner Meinung, viele finden das Album gar “Scheisse”. Ich halte kurz nochmal einen Rückblick. Die Songs funktionieren einzeln irgendwie alle ganz hervorragend, aber als Gesamtheit, als Album, da fehlt mir irgendwie was. “Sleepwalkers” hat irgendwie keine Spitzen und keine Tiefen. Die Songs sind sich alle relativ ähnlich, was ja nicht mal unbedingt schlecht ist. Aber irgendwie fehlt den Songs, so gut sie auch sind, ein wenig der Wiedererkennungswert. Damit hatte ich erstmal ziemlich zu kämpfen. Nicht, dass Gaslight Anthem Platten jetzt ein Wechselspiel der Musikstile wären, aber die Songs haben doch irgendwie alle mehr Prägnanz. Also lasse ich das Album erstmal weiter auf mich wirken.

Ich finde, dass man “Sleepwalkers” auf jeden Fall anmerkt, dass Brian wieder mit Ted Hutt zusammengearbeitet hat, dem Produzenten von “The ’59 Sound”. Und ich höre auch die Verspieltheit der “American Slang” raus, ebenso wie die Anleihen aus klassischen Rock’n’Roll Platten und weniger die sehr folkige Ausrichtung des Solo-Debüts. Und vor allem hört man deutlich mehr Instrumente. Da wird sich auch mal ein wenig was getraut, auch wenn ich das Saxophon im Titeltrack für die ersten paar Sekunden mehr als gewöhnungsbedürftig fand. Aber es funktioniert. Musikalisch also gleichzeitig ein Schritt zurück zu Altbewährtem und vor allem Geliebten und doch auch offen für Neues.

Textlich bleibt Brian Fallon sich treu und handelt die üblichen Themen der hemdsärmeligen Working Class ab. Gut, die besungene Dame heißt nun nicht mehr Mary wie früher, sondern Stacy, aber wen stört das schon? Eigentlich also alles wie immer im Hause Fallon. Und ich will auch eigentlich nichts anderes. Dafür liebe ich The Gaslight Anthem und dafür mag ich Brian Fallon. Das half mir aber immer noch nicht weiter mit meinem Review.

Das taten dann genau 2 Dinge: Zum Einen ein wirklich fantastisches Konzert von Brian letzte Woche in Köln, dass mir nochmal zeigte, wie gut ich die neuen Songs finde und wie gut sie auch mit den alten Sachen harmonieren (Bericht und Fotos hier) und zum Anderen eine Aussage, die ich irgendwo aufgeschnappt habe. Die besagte nun, dass heutzutage Musik ja kaum noch als Album konsumiert wird, sondern zumeist – der digitalen Technik sei dank – Häppchen-, also Songweise. Und da funktioniert “Sleepwalkers” ja seit der ersten Sekunde an für mich ganz hervorragend. Vielleicht muss ich nun also einfach den Gedanken verwerfen, dass ich das Album nun zwingend in seiner Gänze toll finden muss, sondern erfreue mich lieber an den ganzen einzelnen Stücken. Und dann gewinnt “Sleepwalkers” für mich unheimlich hinzu. Manchmal muss man sich scheinbar nur selbst von seinen eigenen Fesseln befreien.

Das mag jetzt ein recht simpler Ansatz sein, aber für mich hat er “Sleepwalkers” gerettet.

Sleepwalkers

Brian Fallon – Sleepwalkers

01. If Your Prayers Don’t Get To Heaven
02. Forget Me Not
03. Come Wander With Me
04. Etta James
05. Her Majesty’s Service
06. Proof Of Life
07. Little Nightmares
08. Sleepwalkers
09. My Name Is The Night (Color Me Black)
10. Neptune
11. Watson
12. See You On The Other Side

3.5