Blind Guardian – Twilight Orchestra: Legacy Of The Dark Lands (Nuclear Blast, 08.11.2019)

„Chinese Democracy“ von Guns N‘ Roses, „Fear Inoculum” von Tool, das Orchesteralbum von Blind Guardian – drei Treppenwitze der Rock- und Metalgeschichte, die jahrelang angekündigt, ständig verschoben und dann zur Überraschung der harrenden Fans tatsächlich erschienen sind. Die Krefelder Bombast-Metaller gingen aber am längsten mit ihrer Idee schwanger. Bis ins Jahr 1996 zurück reichen die ersten Entwürfe für das ehrgeizige Projekt

Nun erblickt es endlich (?) das Licht der Welt. Ganze 75 Minuten lang. Keine elektrischen Instrumente, nur die schiere Power eines großen Orchesters, Chor und der charismatische Gesang von Hansi Kürsch. Ja, „Twilight Orchestra: Legacy Of The Dark Lands“ ist anders als andere Versuche von Rock- und Metalbands, sich klassisch instrumentierter Musik zu nähern. Blind Guardian haben nämlich gleich komplett in dieses Fach gewechselt. Kein Metal, auch wenn die Handschrift der Band in den Stücken eindeutig erkennbar ist.

Denn in Sachen Songwriting orientiert man sich mehr am bisher Geschaffenen, als an Strukturen der klassischen Musik, auch wenn man keinesfalls einfachen Strophe-Refrain-Schemata folgt. Aber dieses Terrain haben Blind Guardian auf ihren letzten Alben auch immer wieder verlassen, wenn man an Titel wie „And Then There Was Silence“ oder „Wheel Of Time“ denkt. Trotzdem stecken hinter den Stücken des Albums in der Regel angenehm eingängige Kompositionen mit eingängigen Melodien, viel Bombast und auch großen, hymnischen Refrains. Gerade die ersten Songs wie „War Feeds War“, das freundlich tänzelnde „The Great Ordeal“ oder das festlich erhebende „Dark Cloud’s Rising“ ziehen einen gleich in den Bann und gefallen mit ihrer Mischung aus Zugänglichkeit und Tiefgang.

Im weiteren Verlauf wird es aber nicht einfacher Blind Guardian und dem Prague Filmharmonic Orchestra zu folgen. Das liegt vielleicht auch daran, dass einen der Bombast-Overkill durch den Mix regelrecht erdrückt. Auf der einen Seite möchte „Twilight Orchestra“ laut gehört werden, auf der anderen schmerzen einem irgendwann die Ohren (ich hoffe, das ist nur bei der vorliegenden MP3-Version so…). Dafür bietet das Ganze jede Menge Parts, um sich darin zu verbeißen. Beliebig wird es jedenfalls nicht. Zusammengehalten werden die einzelnen Songs von kürzeren Erzählparts, die allerdings bodenständiger gehalten sind, wie dereinst auf ihrem Klassier „Nightfall In Middle-Earth“, aber einen ebenso großen Hörspielcharakter aufweisen. Die dahinterliegende Erzählung stammt von Fantasyautor Markus Heitz, der hier seine Geschichte „Die dunklen Lande“ fortsetzt.

„Twilight Orchestra: Legacy Of The Dark Lands“ ist ein wirklich spektakulär klingendes Monumentalwerk, welches es in diesem Ausmaß mit Bezug zur Metalszene noch nicht gegeben hat. Dass das Ganze die Fanbasis spalten dürfte, ist von vornherein klar. Deswegen sollte man auch vorher unbedingt antesten, ob einem die Sache liegt. Genug Potenzial um darin zu versinken ist zweifelsohne vorhanden.

 

Trackliste:
1. 1618 Ouverture
2. The Gathering
3. War Feeds War
4. Comets and Prophecies
5. Dark Cloud’s Rising
6. The Ritual
7. In the Underworld
8. A Secret Society
9. The Great Ordeal
10. Bez
11. In the Red Dwarf’s Tower
12. Into the Battle
13. Treason
14. Between the Realms
15. Point of No Return
16. The White Horseman
17. Nephilim
18. Trial and Coronation
19. Harvester of Souls
20. Conquest Is Over
21. This Storm
22. The Great Assault
23. Beyond the Wall
24. A New Beginning

 

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