Foto-Credit: Danny Koetter

Antilopen Gang – Alles muss repariert werden (Geldwäsche/Sony, 13.09.2024)

Die Antilopen Gang hat es erneut getan – denn so ähnlich wie bei “Anarchie und Alltag” aus 2017, als sie Teile ihrer Songs damals auf einer Bonus-CD (“Atombomben auf Deutschland”) von deutschen Punkgrößen neu interpretiert lassen haben, gibt es auf dem Doppel “Alles muss repariert werden” erneut eine Punk-Scheibe. Aber dieses Mal nicht als Bonus und von bunthaarigen “Fremdlingen”, sondern von den drei Antilopen selbst abgefüllt und verkorkt.

Somit breiten Koljah, Panik Panzer und Danger Dan nicht nur den altbekannten roten Teppich des HipHop, sondern auch den des Punkrock aus – so lang und schmutzig er sich aus den Kehlen der drei Wahl-Berliner wohl anhören kann. Da mir der HipHop von je her etwas schwer von der Hand bzw. in diesem Fall eher von der Feder geht, kümmere ich mich daher explizit um das benannte Punk-Album. Nicht das ich die Leistungen auf der LP1 damit schmälern will, versteht mich nicht falsch – das Album ist auch cool und inhaltlich wie immer erste Wahl.

Aber mir ist der besungene “Oberbürgermeister” dann doch näher als “Traumtänzer und Schönmaler” – nur musikalisch gesehen natürlich, der Inhalt ist bei beiden Nummern perfekt, keine Frage!

Ach so, noch eins… die beiden LPs haben weder musikalisch, noch inhaltlich eine Schnittmenge – nimmt man die darbietenden Künstler einmal raus. Hier wird nichts kopiert oder neu interpretiert… auf der einen Seite haben wir klassischen Antilopen-HipHop, auf der anderen Seite den Punkrock, wie ihn sich die Gang möglicherweise für sich selber schon immer vorgestellt hat.

In Anlehnung an die bisherige Geschichte der Band geht es auf politischer Ebene wieder eindeutig und unmissverständlich politisch – und vor allen Dingen antirassistisch zu. So ist der “Oktober in Europa” (LP1) den Jungs genauso ein Dorn im Auge wie der “Muttertag” auf LP2.

Klingt “Alles muss repariert werden” vom Titel her nach Aufbruch und Veränderungs-Euphorie, so begleiten einen die Songs einige Schritte in Richtung Abgrund – und wenn es nicht in den letzten Jahren schon so einige Alben zum Untergangs-Soundtrack geschafft hätten, hier wäre noch ein guter Kandidat, denn die Antilopen Gang haut in Perfektion mit der Abrissbirne um sich. Resignation und Niedergeschlagenheit wird hier groß geschrieben… und wären wir nicht eh schon alle mit einem Bein im Treibsand gefangen, die Songs würden einen durchaus den letzten noch fehlenden Schupser geben können.

Mir fällt gerade auf, dass ich mich gerade doch mehr mit dem HipHop-Album auseinander setzte, als ich gerade noch behauptet habe. Aber nicht unerwähnt bleiben soll natürlich “Rannte der Sonne hinterher“, welches die drei dem im letzten Dezember verstorbenen Torsun Burkhardt (Egotronic) gewidmet haben.

Das die Antilopen Gang neben ihrer Vorliebe für HipHop und Punk auch vergangenen Rock-Größen einiges abgewinnen können, davon kann man sich bei “Für wenige” überzeugen – irgendwo ganz in der Tiefe erinnert mich die Nummer an den guten alten Rio Reiser. Apropos Vergangenheit, den Drogen haben die Jungs ja mittlerweile weitestgehend abgeschworen. Da kann man dann gerne auch Mal über “Alte Wegbegleiter” singen, oder?!

Mit “Wenn das hier vorbei ist” kann man beinahe Angst bekommen, dass die Antilopen sich nach fünfzehn Jahren aus dem Geschäft verabschiedet. Aber dafür gibt es noch viel zu viel zu sagen und ich glaube, bevor die Rassisten und anderen Irren sich nicht wieder in ihrer Löcher verpisst haben, werden die Antilopen in regelmäßigen Abständen über die Missstände berichten.

Und wenn die Zukunft Punkrock heißt, dann bitte sehr!

Somit wären wir also wieder beim “Oberbürgermeister” angelangt, der sich schon richtig geil findet.

Ein ganz klein bisschen Ärzte-mäßig wird garantiert und in Perfektion der Arbeit aus dem Weg gegangen, denn “Ich helfe nicht bei Umzügen” – auf der anderen Seite könnte ich aber schon das eine oder andere Mal die eine oder andere helfende Hand gebrauchen, ist klar oder?!

Die freie Zeit kann man dann wunderbar im “American Fitness am Hermannplatz” verbringen und wenn mir am Ende alles auf den Sack geht, dann gehe ich einfach “Weg von hier“. Die Nummer ist definitiv ein Ohrwurm und hier kann man übrigens hervorragend feststellen, dass Koljah nicht nur rappen, sondern auch “richtig” singen kann.

Und wenn ihr Bock habt, dann könnt ihr danach glitschig wie ein “Aal” durchs Leben gleiten, dass ist alles “Kein Problem” – ein “Netter Nachbar” könnte eher irgendwann einmal das Problem werden… aber so lange er bei allen beliebt ist und für alle einen guten Ratschlag dabei hat kann man gerne darüber hinweg sehen, dass er mit seiner Vorliebe als Hobbyaxt-Mörder ganz andere Ambitionen hat. Nachdem die Antilopen Gang dann dem “Ruhrpott Rodeo” huldigt und sich schon wieder auf das nächste Wochenende mit Bier, Punk und Rock’n’Roll freut, geht man den nächsten Schritt an, nämlich die Zerstörung des “Muttertag” – ist das ganze doch von den Nazis im Dritten Reich instrumentalisiert und missbraucht worden.

Ein “Mord auf dem Kreuzfahrtschiff” kann passieren, muss aber nicht – es kommt immer drauf an, wieviel man persönlich so aushält, bevor man seiner Rolle als Toy-Boy überdrüssig geworden ist. Kurz vor Ende des Albums ballert Panik Panzer noch einen raus, denn eigentlich ist er “Der Romantische Mann“… es reicht ja sogar für einen Heiratsantrag in Paris – na wenn das Mal nichts ist!

Danach ist dann aber auch gut, denn es reicht… “Nichts soll mehr kaputt gemacht werden“!

“Alles muss repariert werden” kämpft gegen Traditionen an – sei es die bandeigenen, welche spätestens mit den Punk-Songs zu neuen Stil-Diskussionen führen sollte. Auf der anderen Seite hält man der Gesellschaft den Spiegel vor und zeigt nicht nur den Ewig-Gestrigen und den vermeintlich Zurückgelassenen, dass man nun endlich den Finger aus dem Hintern und gemeinsam den Karren aus dem Dreck ziehe sollte!

Übrigens noch eine wichtige Info am Rande, die ich hier nicht unter den Teppich kehren möchte. Auch dieses Mal hat wieder der liebe Samuel Dickmeis aka Männi (der übrigens auch am letzten Freitag erst “Das fröhliche Album” heraus gebracht hat) seine Finger mit im Spiel. Er hat nämlich (wie damals beim 2017er Album) einen Großteil der Punksongs eingespielt. Also ist die Scheibe somit doch doppelt hörenswert. 😉

In diesem Sinne… das Album ist Pflicht! Punkt.

 

Titel:
LP 1
01. Nichts für immer
02. Traumtänzer und Schönmaler
03. Oktober in Europa (LP Version) (feat. Sophie Hunger)
04. Rannte der Sonne hinterher
05. Direkter Vergleich
06. Das Leben ist schön
07. Für wenige
08. Alter Wegbegleiter
09. Sympathie für meine Hater
10. Wenn das hier vorbei ist

LP 2
01. Oberbürgermeister
02. Ich helfe nicht bei Umzügen
03. American Fitness am Hermannplatz
04. Weg von hier
05. Aal
06. Kein Problem
07. Netter Nachbar
08. Ruhrpott Rodeo
09. Muttertag
10. Mord auf dem Kreuzfahrtschiff
11. Der Romantische Mann
12. Destroy (Nichts soll mehr kaputt gemacht werden)

Foto-Credit: Danny Koetter

4.7