Alice In Chains – Rainier Fog (BMG/Warner Music, 24.08.2018)

Einer der zwei letzten Überlebenden der großen Seattle-Grunge-Quadriga meldet sich zurück: Alice In Chains! Fünf Jahre sind mittlerweile seit dem letzten Studioalbum „The Devil Put Dinosaurs Here“ vergangen. Und da manche das Quartett seit seiner Wiederbelebung 2005 für eine andere Band halten, müsste man auch von Album Nr. 3, statt von Album Nr. 6 sprechen.

Aber natürlich ist das Blödsinn. Ganz klar klingen Alice In Chains seit dem Einstieg von William DuVall anders. Aber es steckt immer noch verdammt viel der alten Zeit im Sound der Truppe. Das wird beim Hören von „Rainier Fog“ (der Titel ist ein Tribut an die verregnte Heimatstadt) recht schnell klar. Diese etwas schräge, stark melancholische Melodieführung mit den zweistimmigen Gesängen bekommt man nur, wenn Jerry Cantrell seine Finger mit im Spiel hat. Die Rhythmen sind tief und schwer, die Atmosphäre bisweilen ziemlich düster. Bei Alice In Chains Mk. II schwingt aber stets ein angenehmer heller Schimmer mit und für die Hoffnungslosigkeit vergangener Tage ist hier kein Platz mehr.

Wie das im Vergleich zu früher klingt, kann man gut am Song „So Far Under“ festmachen, der zwar noch/wieder diesen gewissen Psycho-Vibe mit sich trägt, aber einen nicht alleine im Regen zurück lässt. Ziemlich gut. Den auffälligsten (ebenfalls im Vorab veröffentlichten) Track hat man aber ganz an den Anfang gestellt: „The One You Know“. Mit einem schweren Riff und einer pumpenden Rhythmusgruppe schleicht man sich stark groovend an und haut dann einen verdammt eingängigen, großen Refrain raus, der sich gewaschen hat, aber nicht billig klingt. Damit ist das Terrain schon mal gut abgesteckt und man hat die Richtung vorgegeben.

Denn ähnlich wie hier bewegen sich Alice In Chains meistens im leicht schlurfenden Midtempo. Mal angriffslustiger („Red Giant“), dann wieder schon fast sumpfig schleppend, dafür mit swingenden Düster-Leads („Drone“). Dabei entstanden zahlreiche gute Songs, auch wenn ihre Wirkung immer wieder etwas verpufft, besonders, wenn die ganz großen Hooks fehlen. Dafür gibt es aber immer noch die Titel, die sich etwas davon abheben.

Zum Beispiel der ruhigere, entspanntere und melodiöse Duo-Track „Fly“, das freundliche „Maybe“ oder der überlange Abschlusstrack „All I Am“, welcher sogar ein angenehm warme-melancholisches Feeling verbreitet. Und zwischendurch wird auch mal etwas kräftiger zugepackt, wie beim überraschend schlichten Stampfrocker „Never Fade“.

Letztlich ist „Rainier Fog“ also doch abwechslungsreich genug, was die Platte am Ende über ihren Vorgänger stellt, dessen Langzeitwirkung leider zu schnell nachließ. Ja, das Ding ist schon eine gute Platte geworden. Auch wer der Staley-Zeit nachweint, sollte der Band hiermit nochmals eine Chance geben. Es lohnt sich!

 

Trackliste:
1. The One You Know
2. Rainier Fog
3. Red Giant
4. Fly
5. Drone
6. Deaf Ears Blind Eyes
7. Maybe
8. So Far Under
9. Never Fade
10. All I Am

 

4.2