Alexisonfire, Boston Manor, Higher Power (Palladium Köln, 31.10.2022)

Alexisonfire – diese Band begleitet mich, wie vermutlich die meisten meiner Altersgenoss:innen, seit Mitte der 2000er-Jahre. Live habe ich sie zum ersten Mal im Bielefelder Forum auf einer Visions-Party (R.I.P., schnüff) sehen dürfen. Aber genug der Nostalgie. Seitdem ist viel Zeit vergangen. Ich bin älter geworden, das kanadische Quintett auch.

Die Bühne gehört aber zunächst der jüngeren Generation: Alexisonfire legen Wert darauf, junge Bands zu supporten und haben mit Higher Power und Boston Manor gleich zwei Kapellen mit immensem Altersunterschied zu ihrer Generation mit auf Tour genommen. Der Stimmung tut das keinen Abbruch, die jüngere Generation geht hochmotiviert zu Werke und gibt alles.

Die erste  Band des Abends ist die aggressivste und auch energetischste. Higher Power spielen darüber hinaus durchweg verkleidet und geschminkt, und stehlen damit in ästhetischer Hinsicht schonmal allen die Show. Denn weder Boston Manor noch Alexisonfire (die eigentlich für verkleidete Halloweenshows bekannt sind) haben sich kostümiert. Die irrwitzige Mischung aus Clownskostümen und kompromisslosem Hardcore funktioniert hervorragend und der Saal füllt sich langsam aber sicher deutlich schneller.

Boston Manor sind eine der Bands, die an mir vorbeigegangen sind. Vermutlich auch daher, weil ich wohl nicht zu ihrer Zielgruppe gehöre. Viel Half-Playback (vor allen Dingen das Schlagzeug), ordentlich digitale Stimmkorrektur auf dem Gesangsmikrofon und eine auffällig inszenierte, durchchoreografierte Show mit Klischee-Posen und -Moves. Das Ganze dann inklusive Publikumsanimation á la Festival. Es ist nicht meine Welt, but then again: Ich gehöre vermutlich auch gar nicht zur Zielgruppe. Die ist aber im ersten Viertel des Saals vor der Bühne gut vertreten und das junge Quintett aus dem englischen Blackpool kommt sehr gut an.

Die Publikumsanimationen inklusive Circle Pits, Jumparounds und Wall of Death funktionieren und ich muss Boston Manor ihre professionelle Einstellung und die Konsequenz, mit der sie ihr Ding durchziehen anerkennen. Es ist eben nur nicht meins.

Nach einer längeren Pause betreten dann endlich die Headliner des Abends die Bühne und werden mit frenetischem Applaus willkommen geheißen. Lange ist es her, dass die Band hierzulande Konzerte gespielt hat. Dementsprechend heiß wie Frittenfett ist das Publikum. Alexisonfire entscheiden sich in ihrem Set, das durchaus quer durch ihren Backcatalog führt, für eine Abstimmung auf ihr aktuelles Material. Das bedeutet: Gerne auch mal wuchtig, aber mit gedrosseltem Tempo, gerne mächtig und atmosphärisch, aber vor allen Dingen laut.

Durch Unterhaltungen mit Leuten im Publikum nach der Show stellt sich heraus, dass das einige um mich herum auch so wahrgenommen haben und es manchen sogar zu laut war. Ich hatte einen guten Gehörschutz vor den Trommelfellen und konnte es ganz gut aushalten. Ob mit oder ohne Schutz, es ist offensichtlich dass die Anlage am Anschlag gefahren wird und gelegentlich unschön übersteuert. Darüber hinaus bin ich Soundtechnisch grundsätzlich kein großer Freund des Palladiums, dessen akustische Gegebenheiten zugegeben suboptimal sind.

Dem Gesamteindruck schadet das, zumindest für mich, jedoch nicht allzu arg. Ich bin einfach nur froh, die Jungs endlich mal wieder live sehen zu können und alte Hits wie „.44 Caliber Love Letter“ oder „Waterwings“ sowie neue(re) Hymnen wie „Young Cardinals“ mitzugröhlen. Mit „Drunks, Lovers, Sinners and Saints“ und „Boiled Frogs“  verfeuern die Kanadier aber leider auch viel Energie zu Beginn, bevor das Set mit einem Block aus langsameren und experimentelleren Stücken wie „The Northern“, „Burial“ und „Rough Hands“ an Fahrt verliert.

Nicht falsch verstehen, ich finde auch die langsamen, verträumten Songs des Quintetts super. Aber vielleicht muss man sie nicht alle in einen Block packen und die Dynamik des Sets etwas abwechslungsreicher gestalten. Insgesamt haben wir hier nämlich eine klasse Mischung aus Songs vor uns, bei der ich mir vielleicht noch ein zwei Songs mehr vom 2004er Überalbum „Watch out!“ gewünscht hätte.

Zum Abschluss aber nochmal „Happiness by the Kilowatt“ inklusive Misfits „Halloween“-Covereinlage zu hören, wird mir sicherlich noch lange in Erinnerung bleiben. Hoffentlich kommen die fünf gut gealterten Kanadier nochmal bei uns auf Tour. Ein neues Album gab es ja schließlich auch.