22 – You Are Creating (Long Branch Records/SPV, 23.11.2018)

Das norwegische Quartett mit dem schlichten Namen 22 gehört zu einer Reihe neuer Acts, die gleichermaßen im Alternative-, wie im Progressive-Rock beheimatet sind und sich beiderseits Freunde machen dürften. Verwinkelte Strukturen und wilde Spielereien treffen auf große Stadiongesten und überhaupt ein ziemlich mitreißendes Momentum.

Dabei geben sich 22 zweifelsfrei als künstlerisches Projekt zu erkennen. Hinter „You Are Creating“ steckt ein bewusstes Konzept, welches ich mal ganz schamlos zitiere: „22 stellt die These auf, dass der Hörer derjenige ist, der die Wirkung der Musik erzeugt, die er hört: Tonhöhe und Rhythmus von Arrangements (Songs) sind nur Werkzeuge des Künstlers, die der Hörer nutzt, um sein individuelles Musikerlebnis zu gestalten. Das Album besteht aus zwei Teilen, Limb1 und Limb2, und es liegt in der Hand des Hörers, aus diesen beiden Teilen ein Ganzes zu formen. Die Band setzt damit auf die aktive Mitgestaltung des Hörers.“

So weit so gut. Das macht sich beim etwas oberflächlicheren Genuss allerdings gar nicht bemerkbar, denn die beiden Teile bestehen ihrerseits aus jeweils eigenständigen Songs, die am Ende ein je gut halbstündiges Hörerlebnis ergeben. Und das ist durchaus genussvoll, denn 22 haben ein Händchen für interessantes Songwriting. Hinter dem Ganzen steckt ganz eindeutig eine Alternative-Rock-Band neueren Datums, die auch nicht vor falsett-artigem Gesang á la Muse zurückschreckt. Dazu kommen überspitzte Prog-Einlagen á la Mars Volta, krumme Takte und verschobene Melodien sowie auch groß aufgebauschte Refrains, auf welche glatt eine Band wie Queen stolz sein könnte.

Und trotz des künstlerischen Anspruchs schreiben 22 auch so etwas wie Hits. Wer hätte es gedacht. Das anfangs zurückhaltende „Staying Embodied“, das pathetische „Sylphs“ oder das nervös zappelnde „Sum Of Parts“. Einfach macht es einem die Band aber auch nicht immer. Der aufdringliche Math-Rock von „Adam Kadmon Body Mass Index“ macht zum Beispiel ziemlich atemlos. „Atumn Stream“ schlägt mit seinen befremdlichen Harmonien einen etwas seltsamen Ton an. Oder „V“ klingt anfangs recht synthetisch und ist am Ende ein verschachtelter Prog-Song, der im Mantel eines straighten Rockers daherkommt. Nur gut, dass es mal etwas ruhigere Pole wie den melodiösen Titeltrack oder die in sich versunkene Abschlussnummer „Akira“ als Kontrast dazu gibt.

„You Are Creating“ ist ein ziemlich spannendes (Doppel-)Album das aufhorchen lässt, voller neumodischer Musik, die sich aber auch zu ihren Wurzeln bekennt. Gutes Ding!

 

CD1: Limb1
1. Inspec (4:38)
2. Staying Embodied (4:31)
3. Sum Of Parts (3:58)
4. A Mutation Of Thruses (4:33)
5. Adam Kadmon Body Mass Index (4:12)
6. Ectypes (3:18)
7. You Are Creating (3:36)
8. Node1 (2:05)

CD2: Limb2
1. Node2 (0:53)
2. Call Me Trimtab (5:04)
3. Dillemanns Clarity (4:56)
4. Autumn Stream (4:52)
5. Chroma Key (5:13)
6. Sylphs (3:52)
7. V (5:12)
8. Akira (2:09)

 

4.3