Foto: Nina Stiller

Sportfreunde Stiller – Sturm & Stille (Universal, 07.10.2016)

Die Sportfreunde Stiller begleiten mich jetzt mittlerweile fast mein halbes Leben. Das erste Mal habe ich 2002 beim Highfield Festival, damals noch in Hohenfelden, zu “Wellenreiten” gefeiert, getrunken und gelacht. Als Fotograf begleitet mich “Ein Kompliment” bei so ziemlich jeder Hochzeit. Als Anti-Fussballer habe ich ihre WM-Hymne “54, 74, 90, 2006/10” regelmäßig in die Hölle gewünscht.

Die gesangstechnisch sicher nicht beste und trotzdem so charmante Stimme, die diese oft so kindisch naiv wirkenen Texte und Reime mittlerweile täglich durch die Radios der Republik trällern, scheidet oft die Geister. Aber immer war ich vom Unterhaltungswert der Sportfreunde überzeugt. Vor allem live immer eine Bank und eine von diesen Bands, die mit einfachen Songs tausende Menschen bei allen großen Festivals mitreissen können. So wurde irgendwann eine Marke aus dem Namen “Sportfreunde” und jeder kennt sie. Ob er sie mag oder nicht.

Und nun liegt nach 20 Jahren Bandgeschichte das mittlerweile 7te Album vor mir und ich war selten so nervös vor dem ersten Hören einer CD. Vor allem weil ich von Vorabvideo “Ein Geschenk” so gar nicht begeistert war.

Dann kommt der erste Durchgang. Der zweite Durchgang. Opener “Raus in den Rausch”, das zweite Video eröffnet “Sturm & Stille” und ich bin sofort hin und hergerissen. Ein Popsong, der typisch Sportis ist und dabei doch irgendwie an diesem typisch lockeren Feeling der Bayern spart. Mit viel “Ohooohooohoo” und “Hey hey yeah, hey hey” und dem mitreissenden Rythmus auf jeden Fall ein Song, der live funktioniert. Der Tausende in den Hallen zum Mitsingen animiert, aber mir fehlt dann doch irgendwie das Herzblut. Es ist genau das was man erwarten würde. Genau das was ein erfolgsorientierter Manager als nächstes Hören möchte. Das was halt funktioniert. Die sichere Bank.

“Viel zu schön” als Nummer 2 macht es für mich dann gleich noch schlimmer. Ein Song über die Liebe und das Leben und das alles in ein relativ langweiliges Paket gepresst und mit einem “ich find den Gedanken viel zu schöööön, viel zu schöööön” Text versehen, der so ziemlich alles vermissen lässt, was ich jemals an den Sportfreunden Stiller so mochte. Und so zieht es sich leider durch das gesamte Album.

Mit “Disko4000” gibt es dann noch einen kleinen Ausflug in Discogebiete, der ein wenig Abwechslung bringt, aber nicht richtig Fisch oder Fleisch ist. Trotzdem ist hier das musikalisch/textliche Gesamtpaket weniger anstrengend als bei dem einen oder anderen Song auf dieser Platte.

Das wir alle irgendwann wie “Keith” aussehen und wie “Lemmy” raus sind wird uns in dem gleichnamigen Song erzählt, was grundsätzlich stimmt. Auch das das Leben kein “Fest”, sondern ein “Festival” ist, ist textlich eher so, dass du mit Fragezeichen zurückgelassen wirst und man sich am Ende des Songs fragt, worum es denn eigentlich ging.

Das sind übrigens so Momente in der Schreiberei über Musik, die mich echt nachdenklich machen. Da ist eine Band, die ich seit ungefähr 15 Jahren mag, von der ich denke das die Mitglieder mega nette Typen sind und ich komm einfach nicht rein. Ich musste bei der einen oder anderen Textpassage sogar nachlesen, ob er das jetzt wirklich so gesungen hat. Ob dieser Text tatsächlich auf dieser Art und Weise geschrieben wurde.

Vermutlich werden die Sportfreunde Stiller auf ihrer anstehenden Tour wieder jede Halle füllen und die Songs laufen bereits jetzt im Radio rauf und runter. Die Drei werden auch immer diesen supernetten Eindruck auf mich machen und ich würde unheimlich gern mit ihnen Bier trinken gehen. Aber “Sturm & Stille” klingt mir einfach zu unfertig, nicht durchdacht und schlicht und ergreifend nicht gut. Schade. Am Ende bleibt ein kurzweiliges Popalbum, das bestimmt erfolgreich sein wird, aber vermutlich schnell wieder aus den Herzen und Köpfen der Menschen verschwunden sein wird.

Erstaunlicherweise gibt es mit den drei Bonussongs auf der Deluxe Version dann plötzlich drei Songs, die mich wieder mitreissen und mir zeigen warum ich die Sportis immer so mochte. Besonders “Ein Tag im April” ist absoluter Anspieltipp von meiner Seite.

(Edit: Aber das Coverfoto ist schön!)

sportfreunde_stiller_albumcover_universal_music

 

  1. Raus in den Rausch
  2. Viel zu schön
  3. Sturm & Stille
  4. Zwischen den Welten
  5. Das Geschenk
  6. Disko4000
  7. Brett vorm Herz
  8. Keith & Lemmy
  9. Rotweinflaschengrün
  10. Ich nehm’s wie’s kommt
  11. LUMPI
  12. Auf Jubel gebaut

Bonus:

Ein Kind von Traurigkeit

Ein Dienstag im April

Zeit für Gutes

 

 

2