Queensryche – Operation: Mindcrime (EMI, 1988)

I don’t believe in love. It’s never worth the pain that you feel…

Die Redaktion stellt ihrer Klassiker vor. Da bin ich doch gerne mit dabei, selbst wenn es fast müßig ist über Platten zu reden, die eh schon jeder kennt und die möglichst bald ins Weltkulturerbe aufgenommen werden sollten. Und hierzu gehört „Operation: Mindcrime“ der Seattler Metalband Queensryche zweifelsohne! Jeder der auch nur im Ansatz etwas mit harter Gitarrenmusik zu tun hat, sollte das Album zumindest mal gehört haben.

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Queensryche 1988

Wann mir die Band zum ersten Mal über den Weg lief weiß ich noch ziemlich genau. Der eine oder andere wird sich vielleicht erinnern: Es gab mal einen TV-Sender namens MTV, der frei empfangbar war und auf dem tatsächlich rund um die Uhr Musik lief. Das Tagesprogramm war eher nicht so interessant. Aber abends und nachts liefen ziemlich coole Themensendungen. Eine davon war der legendäre „Headbanger’s Ball“ mit der wasserstoffblonden Moderatorin Vanessa Warwick. Die mir damals noch unbekannten Queensryche standen Mitte 1994 kurz davor eine neue Platte namens „Promised Land“ zu veröffentlichen, was für das MTV-Team eine gute Gelegenheit für eine Sondersendung über die Band war. Das hieß: einen Gutteil der zweieinhalbstündigen Sendung drehte sich um sie.

Es gab damals viel zu entdecken für einen 15-jährigen, der AC/DC, Guns N‘ Roses und Metallica für die größten Errungenschaften der Menschheit hielt. Es gab also durchaus mitreißende Hard’n’Heavy-Sounds die etwas künstlerischer, melodischer und auch anspruchsvoller waren. Dass man Queensryche für eine der Mitbegründer des Progressive Metals hielt, wusste der pickelige Junge nicht. Die Band hatte aber (oho!) so etwas wie sinnvolle, unplakative Texte. Das entschuldigte sogar die furchtbaren Frisuren, die man Mitte der 80er trug. „Thinking Man’s Metal“ hießt das Schlagwort. Und das klang doch nach dumpfbackenfreiem Anspruch, oder nicht?

Queensryche - tri-ryche-logo
das Queensryche-Logo: Triryche

Besonders fasziniert haben mich damals zwei Clips der Band, die sich auf dem 1988er Album finden, um das es sich hierbei dreht: „Revolution calling“ und „Eyes of a stranger“. Das musste definitiv eine CD her. Wie gut, dass sie ein Exemplar davon im Müller-Markt hatten. Zu Hause das Ding in den CD-Player gepackt und das Booklet zur Hand genommen. Das musste auch sein, schließlich ist „Operation: Mindcrime“ ein Konzeptalbum mit einer durchgehenden Story. Während das im Progrock der 70er durchaus öfter vorkam, war es im Metalbereich (damals noch) ungewöhnlich.

Das Ganze dreht sich um einen Drogensüchtigen namens Nikki, der frustriert von den gesellschaftlichen Entwicklungen und der Heuchelei der Politik ist. Geradezu ein passendes Opfer für den düsteren Dr. X, der mit seiner vermeintlich revolutionären Untergrundorganisation für einen Umbruch sorgen möchte. Durch Manipulation wird Nikki zum Spielball für Dr. X und tötet auf Geheiß dessen Menschen. Über einen mysteriösen Priester lernt der Protagonist die ehemalige Prostituierte Mary kennen, die ihm vor Augen führt, welch’ Spiel mit ihm gespielt wird…

Ich weiß, klingt nach einem schlechten Hollywood-Film. Doch das Ganze wird in mitreißenden und eingängigen Songs spannend erzählt. Jeder Titel könnte dabei auch gut für sich alleine stehen. Überflüssige Übergänge und „Halbsongs“ gibt es nur wenige. Die Songs gefallen mit einer mitreißenden Performance, einem gesundem Hauch Theatralik von Meistersänger Geoff Tate, tollen (Gitarren-)Melodien und feinen Refrains. Die Band hatte einen richtigen Lauf, denn jeder Titel ist ein (kleines) Highlight. Die Mischung aus Maiden-Trademarks, US-Hardrock und einem progressiven Geist war einfach ansteckend. Die Schlüsselnummern sind der mitreißende Opener „Revolution Calling“, der speedige Metaltrack „The needle lies“, der emotionale Doppelschlag „Breaking the silence“ / „I don’t believe in love“, das spannungsgeladene Epos „Suite Sister Mary“ (mit Gastsängerin Pamela Moore) sowie der grandiose Abschlusstrack „Eyes of the stranger“, auf den sich die Geschichte zuarbeitete.

Queensryche - Livecrime
Queensryche 1990/91

Die Stunde Spielzeit vergeht so wie im Flug und es wird immer wieder für Gänsehaut gesorgt – musikalisch wie textlich. Hier stimmt jeder Ton, jedes Wort. Es muss wirklich Magie in der Luft gewesen sein. Diese Klasse erreichte die Band in späteren Jahren dann leider nicht mehr, selbst wenn die beiden Nachfolger „Empire“ und „Promised Land“ gute und interessante, wenn auch ganz anders gelagerte Platten waren.

2006 versuchten sich Queensryche an einem Nachfolger. Und wie so oft war man ganz weit von der früheren Faszination entfernt. Das hielt das Quartett allerdings nicht davon ab, beide Alben als eine große Show auf die Bühne zu bringen. Das hatte schon etwas musicalhaftes und war auf DVD dann doch irgendwie interessant. Das Ursprungsalbum hatte man ja früher schon öfter in Gänze live mit Erfolg präsentiert. Für Interessierte zur Nachlese: „Operation: Livecrime“ mit einem Konzert von 1990 und „Mindcrime at the Moore“ von der 2006er Tour.

Eine interessant Fußnote zum Schluss: Sänger Geoff Tate, der sich nach einer Schlammschlacht öffentlichkeitswirksam von seiner Band trennte, firmiert heute mit einer Horde Mietmusikern unter dem Band-Banner Operation: Mindcrime und widmet sich weiter hochtrabenden Konzepten.

 

Queensryche - Operation Mindcrime

Trackliste:
1. I Remember Now
2. Anarchy-X
3. Revolution Calling
4. Operation: Mindcrime
5. Speak
6. Spreading the Disease
7. The Mission
8. Suite Sister Mary
9. The Needle Lies
10. Electric Requiem
11. Breaking the Silence
12. I Don’t Believe in Love
13. Waiting for 22
14. My Empty Room
15. Eyes of a Stranger